Brigitte Schwaiger ist verstorben

"Wenn ihr nicht wisst, was ihr rettet, dann rettet es nicht. Es ist nicht euer Leben, es ist unantastbar, mein Leben, für euch, auch wenn ich es zerstören will." Die oberösterreichische Autorin Brigitte Schwaiger ist tot. Ihre Leiche wurde am Vormittag des 28.07.2010 in Wien in der Donau treibend aufgefunden. Sie setzte ihrem Leben mit 61 Jahren offenbar ein Ende.

Schwaiger wurde 1949 in Freistadt geboren. In ihrem letzten Buch "Fallen lassen" (2006, Czernin Verlag) schildert sie ihr "Nazi-Elternhaus" und sexuelle Gewalt durch ihren Vater. Sie verliebte sich später in einen spanischen Tierarzt, mit dem sie eine kurze, unglückliche Ehe führte. Wenige Jahre danach erschien ihr erster Roman: "Wie kommt das Salz ins Meer" (1977), ein Bestseller, der sich eine halbe Million Mal verkauft hat. Es ist ein trostloses, lakonisches Buch, in dem die damals 28-Jährige einen tristen Ehealltag im Kleinbürgermilieu beschreibt und die Befreiungsversuche der weiblichen Ich-Erzählerin aus der sie einengenden Welt.

Erst vor wenigen Jahren sagte die Borderlinerin Schwaiger, sie hätte den Schock, über Nacht berühmt geworden zu sein, nicht verwunden: "Ich war doch so jung und so verträumt." Mit ihrem Roman sei sie "zu weit gesprungen", seitdem fühlte sie sich als "Ausgeschlossene". Sie bewunderte Elfriede Jelinek, auch wegen ihrer Stärke. Jelinek habe ihr einmal geschrieben: "Brigitte, sauf nicht so viel! Nimm Psychopharmaka und schreib! Du kannst es."

Und Brigitte Schwaiger schrieb, doch ohne je an den Erfolg ihres Debütromans anknüpfen zu können. Ende der 90er-Jahre war sie "kaputt vom Nachgrübeln über mein unglückliches Leben" und ließ sich, verschuldet und mit schwerem Burnout, freiwillig in die Psychiatrie einweisen.

Lange hörte man nichts von ihr, ehe 2006 ihr schonungsloser Bericht einer jahrzehntelangen psychischen Erkrankung erschien. In "Fallen lassen" thematisierte Schwaiger ihre Depressionen und Suizidversuche. Über sich und ihre Mitpatienten auf der Wiener Baumgartner Höhe schrieb Schwaiger: "Wir sind die letzte Klasse in Österreich, in Europa, die letzte Klasse überall auf der Welt". Als psychisch Kranker fühle man sich wie "der letzte Dreck". Eindringlich ist Schwaigers Beschreibung eines Teufelskreises, der den Erkrankten zwischen Fremd- und Selbstverachtung gefangen hält. Aus diesem Kreislauf konnte sie sich nicht befreien.


Quelle: derstandard.at