Die Farben des Himmels (Elizabeth Edmondson)

Verlag rororo, Mai 2010
Originaltitel: The art of love, übersetzt von Tanja Handels
Taschenbuch, 544 Seiten, € 8,95
ISBN 978-3499247187

Genre: Belletristik


Klappentext

Kurz vor der Hochzeit mit einem erfolgreichen Arzt macht die junge Malerin Polly Smith eine schockierende Entdeckung. Sie wurde unehelich geboren, ihre Mutter ist eigentlich ihre Tante. Um Abstand zu gewinnen, reist sie an die Cote d’Azur. Bald lernt Polly ihr neues Leben zu schätzen. Unter dem blauen Himmel Südfrankreichs wird ihr bewusst, wie wichtig ihr die Malerei ist. Und wie viel ihr Max bedeutet…


Rezension

Wer ist denn nur Polyhymnia Tomkins? Ist sie noch die gleiche Person wie Polly Smith? Ein Mädchen aus bürgerlichem Hause, was bei der Anforderung ihres Passes feststellen muss, dass es eine Polly Smith überhaupt nicht gibt. Dafür aber eine Polyhymnia – und ihre Mutter ist auch nicht ihre Mutter sondern ihre Tante. Wie viel macht ein Name aus einem Menschen? Polly ist entsetzt und sinnt über ihr ganzes Leben nach, das anscheinend auf einer Lüge basierte. Kann sie nun noch den Arzt Roger Harrington heiraten? Der von Standesdünkel durchdrungene junge Arzt, der eine patente Arztehefrau an seiner Seite haben möchte, die ihm Kinder gebiert und seinen Haushalt führt. Polly kann das sicherlich aber eine Polyhymnia? Polly ist sowieso schon ziemlich ungehalten über Rogers Zukunftsvisionen, verlangt er doch von ihr, ihre Malerei und ihre Beschäftigung in einer Malerwerkstatt aufzugeben. Das ist nicht die gleiche Zukunft, die sich auch Polly vorgestellt hat. Da kommt das Angebot ihres guten Freundes Oliver Fraddon gerade recht, der sie in die Villa seines Vaters nach Frankreich einlädt. Roger ist ungehalten über die Einladung, er sähe es lieber, wenn Polly in der Zeit schon bei seinen Eltern wohnt und sich auf die Ehe vorbereitet. Er selbst allerdings fährt nach Amerika zu einem Studienaufenthalt. Und was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.

So fährt Polly ins Künstlerdorf Rodoard, wo Lord Fraddon residiert. Anfangs fühlt sie sich ziemlich fehl am Platz, denn Geld und vornehme Kleidung besitzt sie nicht. Katriona, Olivers Schwester, lässt sie es auch deutlich spüren, dass sie nicht zur High Society gehört. Die Unverschämtheiten, die von ihr kamen, waren heftig, und man fragt sich unwillkürlich, warum die Frau so boshaft geworden ist und warum sie solche Äußerungen ungestraft ständig von sich geben darf. Abgesehen von Katriona versteht sich Polly mit allen anderen und findet schnell neue Freunde. Nicht nur sie findet auch alte Bekannte wieder in dem kleinen Dörfchen, auch Cynthia Harkness, eine weitere Bekannte, macht eine erschreckende Entdeckung. Cynthia hat sich gerade von ihrem Mann scheiden lassen und möchte jetzt Walter Malreward heiraten, einen sehr bestimmenden und herrischen Selfmade Millionär. Allen ist dieser Mann äußerst suspekt, auch Cynthia zweifelt mittlerweile, ob er wirklich der richtige Mann für sie ist. Es gibt noch einige andere interessante Charaktere, die sich zufällig in London und Rodoard treffen, wo es an Weihnachten zu einem sensationellen Showdown kommt. Nicht zu vergessen Max, der Bruder von Cynthia, der die Fassade eines wohlhabenden Lebemannes aufrecht erhält und eigentlich in ganz anderen Dingen verstrickt ist. Er verliebt sich in Polly und hilft ihr auch bei der Suche nach ihrer Vergangenheit.

Es ist die Zeit zwischen zwei Weltkriegen, in der diese Geschichte spielt. Sie spiegelt eine Gesellschaftsstudie Englands wieder, das sich gerade von den geschlagenen Wunden eines Krieges erholt und schon die Trommeln eines neuen Krieges ganz leise im Hintergrund hört. Eigentlich geht es um zwei Frauen, Polly und Cynthia, die sich aus den verstaubten Konventionen befreien und ihr eigenes Leben gestalten möchten, so wie sie es wollen und nicht, wie die Gesellschaft es den Frauen vorschreibt. Da Polly Künstlerin ist und auch an der Kunstakademie studiert hat, ist sie schon immer mit exzentrischen Charakteren in Berührung gekommen. Homosexualität ist ihr nichts Neues, sie erkennt schnell, wer zu wem gehört. Außerdem gerät sie durch ihre fundierten Kunstkenntnisse und ihre Arbeit in der Künstlerwerkstatt, in der alte, unbekannte Bilder aufgefrischt und neu bearbeitet werden ins Visier eines Bilderfälscherringes, dessen Kreise bis nach Rodoard reichen.

Elizabeth Edmondson schafft es wieder einmal, die Leser zu bezaubern. Wenn es auch diesmal etwas länger dauert, bis einen die Geschichte fesselt, so bergen die letzten Seiten doch atemlose Spannung. Die Autorin führt viele verschiedene Personen ein, die fast alle irgendein Geheimnis bergen, was es zu entdecken gilt. Am Ende sind es ein paar zu viele Zufälle und Ereignisse, sie nehmen aber nichts von der Komplexität der Geschichte und vieles löst sich in Wohlgefallen auf, man gönnt es den betroffenen Charakteren. Alle Personen sind sehr vielschichtig angelegt, nichts ist so, wie es anfangs scheint. Durch die Perspektivwechsel zwischen Polly, Cynthia und Max bekommt man umfassende Einblicke in die Gefühlswelt und das eigentliche Leben der einzelnen Personen. Durch den angenehmen packenden Stil von Elizabeth Edmondson wird man in die Geschichte hineingesogen und fühlt sich an Frankreichs Küste versetzt. Das Cover ist hervorragend ausgewählt, genauso stellt man sich die wichtigsten Punkte vor.


Fazit

Eine kleine, feine Perle für jeden Liebhaber von Familiengeheimnissen und Gesellschaftsstudien, eingebettet in eine wundervolle Landschaft und stimmige Atmosphäre. Ein bereits vergangenes Zeitalter wird wieder lebendig, antiquierte Konventionen machen dem Leser bewusst, inwiefern sich die Gesellschaft mittlerweile geändert hat. Gesellschaftskritik, fein eingestreut, sorgt für den nötigen Tiefgang, Neugier und Spannung wohl dosiert lassen auf glückliche Problemlösungen hoffen. Die Charaktere sind sehr vielschichtig, man braucht einige Zeit, um hinter die Fassade zu schauen. Zusätzlich noch der feinsinnige Krimiplot, der sich unaufdringlich in die Handlung einfügt und für die nötige Spannung sorgt.


Pro und Contra

+ tiefgründige Charaktere
+ Familiengeheimnisse
+ althergebrachte Konventionen
+ eingefahrene Denkweise
+ Gesellschaftskritik
+ angenehmer Erzählstil
+ stimmige Atmosphäre
+ interessante Lebensweisen

- einiges zu vorhersehbar
- zu viele Zufälle am Ende
- anfangs etwas langatmig

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension "Die Gärten von Landrake Hall"