Die Tochter der Goldzeit (Jo Zybell)

Verlag: Hoffmann und Campe (14. Mai 2010)
Broschiert: 544 Seiten, 15,00 €
ISBN-13: 978-3455402605

Genre: Fantasy/ Endzeit


Klappentext

Ein großartiges, fesselndes Fantasy-Epos

In einer fernen Festung ruht ein geheimnisumwobener Schatz. Er hat eine Menschheitskatastrophe überdauert, und wer ihn gewinnt, erlangt die Herrschaft über die Welt. Nur wenige kennen sein Versteck, doch die mächtigen Diener des Gottes Dashirin wollen ihn in ihre Gewalt bringen. Die junge Seherin Katanja begibt sich auf eine gefahrvolle Reise, um dies zu verhindern.

„Eine neue, unglaublich faszinierende Fantasywelt. Ein vielversprechender Erzähler!“ (Michael Peinkofer)


Rezension

Ein großes, fesselndes Fantasyepos verspricht der Buchrücken. Und in der Tat hätte „Die Tochter der Goldzeit“ ein solches werden können, wenn, ja wenn Jo Zybell mehr Mühe auf seine Geschichte und deren Ausarbeitung, mehr Mühe in seine Beschreibungen und Formulierungen investiert hätte. Es beginnt mit dem Prolog, der schon wenig überzeugend geschrieben, effekthaschend ein äußerst spannendes Finale verspricht. Diese Vorwegnahme entpuppt sich aber eben nur als das, was es ist: Ein billiger Effekt. Denn am Ende wird diese Szene nur mit Namen versehen wiederholt und man stellt fest, dass zu diesem Zeitpunkt die Geschichte schon längst auserzählt ist.

In den Mittelpunkt seiner Geschichte hat Jo Zybell dem Titel nach Katanja von Altbergen gestellt, Bewohnerin einer der sogenannten Sozietäten, den letzten Zufluchtsorten der Menschen zur Zeit der großen Katastrophen. Hier wird das ehemalige Wissen der Vorfahren zum Teil bewahrt. Allerdings nicht weiterentwickelt oder an Menschen außerhalb der eigenen Mauern weitergegeben, um die Gefahr der Wiederholung der Geschichte zu verhindern. Katanja wird nun ausgeschickt, um den Schatz der Goldzeit, verbotenes Wissen, zu bergen und vor dem Eisernen, einem Diener des Gottes Dashirin, zu retten.

So weit so gut und man könnte meinen daraus ließe sich etwas spannendes machen, leider gelingt dies Jo Zybell aber überhaupt nicht. Auf den ersten hundert Seiten erzählt er fünf verschiedene Handlungsstränge mit jeweils einer eigenen Hauptperson und keiner von diesen ist spannend, mitreißend oder interessant geschrieben. Die Beschreibungen der Welt, der Gefühle der Protagonisten und ihrer Handlungen bleiben sehr blass. Alles wird kurz abgefertigt, nähere Beschreibungen existieren nicht. Jo Zybell behauptet lediglich wie etwas aussieht, z.B. ist ein Baum eben ein Baum, und wenn jemand Wut empfindet, ist er wütend. Er zeigt es aber nicht. Anstatt auf das Innenleben seiner Figuren einzugehen und sie näher zu beschreiben, bleibt der Leser immer außen vor. Dabei gebe es wesentlich mehr Möglichkeiten etwas zu beschreiben, als es nur zu benennen. Wut ließe sich mit einem roten Kopf beschreiben, Misstrauen mit eine hochgezogenen Augenbraue, aber diese Möglichkeiten scheint Jo Zybell nicht zu kennen. Dadurch bleiben für den Leser die Figuren fremd und er kann nicht mit ihnen mitfiebern, geschweige denn ihre Handlungen nachvollziehen. Zudem kommt es beim Leser auch immer wieder zu Irritationen. Katanja wirkt generell äußerst naiv und hilflos, nichts scheint sie selbst zu machen. Schwierigkeiten überwinden immer andere für sie und doch gibt es Momente, in denen sie kalt, berechnend und hart wirkt. Etwas, das überhaupt nicht zu ihrem sonstigen Charakter passt.

Vom Schreiberischen her, kann Jo Zybell also nicht überzeugen. Vielleicht liegt es daran, dass der Autor ansonsten Heftromane schreibt. Bei diesen hat er naturgemäß weniger Seiten zur Verfügung und muss alles komprimieren und kann nicht verschwenderisch mit Beschreibungen umgehen. Nur hätte ihm klar sein müssen, dass ein solcher Schreibstil für einen „epischen“ Roman nicht ausreichend ist. Bei einem solchen Roman darf man nicht nach fünfzig Seiten wissen, wie alles ganz genau ausgeht, leider ist dies hier aber der Fall.

Wenn die Geschichte selbst stimmen würde, wären dass Dinge, die der Leser noch verzeihen könnten. Aber auch die Handlung des Buches kann nicht überzeugen. Dazu treten zu viele Fragen, zu viele Logiklöcher und zu viele Klischees auf. Die Figuren scheinen auf dem Reißbrett für Fantasy entworfen. Alle Standardfiguren finden sich in diesem Roman. Die Prinzessin, der strahlende Held in seiner Rüstung, der erst zu seinem Glück gebracht werden muss, der Verräter, der bereut, der abgrundtiefe Bösewicht, der treue Gefährte, die böse Königin, der finstere Magier und die schützende Hand des Schicksals. Alle sind vorhanden und werden kaum variiert. Dabei bedient sich Jo Zybell unverhohlen der Popkultur. Sein „Eiserner“ erinnert frappierend an eine Mischung aus Darth Vader und dem Terminator und wird genauso beschrieben. Auch die Geschichte ist ein Sammelsurium bekannter Erzählungen, die auf unoriginelle Art zusammengewürfelt werden. Der Hintergrund Shannaras, vermischt mit dem Terminator und Battlestar Galactica plus der Standardfantasygeschichte einer Suche nach einem Gegenstand, so ungefähr präsentiert sich „Die Tochter der Goldzeit“. Sicher, viele Autoren bedienen sich anderer Inspirationsquellen, allerdings fügen sie etwas neues hinzu oder das Ganze auf eine kreative Art zusammen. Beides misslingt Jo Zybell jedoch. Das größte Manko sind aber die vielen offenen Fragen und Logiklöcher innerhalb der Geschichte und des Hintergrundes. Verbunden mit sehr vielen „Deus ex machina“ - Momenten - die Anderen greifen immer zu Gunsten Katanjas ein, wenn eigentlich alles verloren ist und offenbaren darin praktisch Allmacht – brechen diese Schwächen dem Roman das Genick. Einige Fragen, die sich unweigerlich stellen, sind folgende:

Die Anderen greifen mit einer ungeheuren Macht und Gewalt immer wieder auf Seiten Katanjas ein, warum zerstören sie dann nicht einfach den Eisernen selbst? Allerdings wäre die Geschichte dann wohl sofort beendet.

Die Sozietäten haben verbotene Waffen aus der Goldzeit, wie Lichtbündler. Sie sind ihren Gegnern also überlegen, die mit mittelalterlichen Waffen kämpfen. Wovor haben sie also Angst? Sie sind auch in Unterzahl eindeutig überlegen. Generell ist die Bewaffnung der Sozietäten und die Ausbildung von Soldaten bei ihnen ein Problem. Denn sie sind angeblich absolute Pazifisten. Eine Sozietät lässt sich sogar lieber abschlachten als zu kämpfen und zu töten, eine weitere lässt sich einfach vertreiben. Wieso haben sie dann Waffen? Und wieso kämpft dann Altbergen und hat so gute Taktiker und Strategen?

Der Eiserne „lebt“ seit Jahrhunderten, nichts konnte ihn endgültig zerstören. In der Ferne wurde er einmal repariert, seitdem hat er jeden Kampf mit Leichtigkeit überstanden. Warum kann er dann am Ende mit einem einfachen Schwert zerstört werden? Warum war er überhaupt so eine Gefahr?

Die Sozietäten besitzen Wissen der Goldzeit, benutzen es sogar, wehren sich aber dagegen, dass dieses Wissen öffentlich wird. Warum? Sie könnten auch die Entwicklung selbst steuern und Missbrauch ahnden.

Fragen über Fragen auf die Jo Zybell leider keine Antworten hat. Dadurch kann der Roman aber zu keinem Zeitpunkt überzeugen, denn die Schwächen werden nicht durch einen guten Stil oder erzählerische Kraft ausgebügelt. Die ersten vierhundert Seiten plätschern ohne nennenswerte Spannung vor sich hin und erst auf den letzten 150 schafft es der Autor, so etwas wie einen Spannungsbogen aufzubauen. Diese letzten Seiten lesen sich dann gleich viel schneller, vermögen den Roman aber nicht mehr vollends zu retten. Vielleicht hätte sich Jo Zybell von Anfang auf einen kurzen Zeitraum und weniger Handlungsstränge, die zeitlich besser aufeinander abgestimmt sind, konzentrieren sollen.

Neben dem Autor muss man aber auch dem Lektorat einen Vorwurf machen. Immer wieder finden sich häufige Wortwiederholungen und an einer Stelle wechselt der Autor von einem Satz zum anderem die Erzählzeit, um zwei Seiten später zur ersten zurückzukehren. So etwas sollte in einem Buch nicht passieren.


Fazit

Man muss es leider sagen, Romane wie „Die Tochter der Goldzeit“ werfen das Genre der Fantasy wieder zurück. Wer packende, gut geschriebene Fantasy lesen will, sollte zu anderen Büchern greifen. „Die Tochter der Goldzeit“ ist für Neulinge im Genre sicherlich geeignet, da diese die üblichen Handlungspfade noch nicht kennen, für alle anderen ist der Roman eine Enttäuschung. Eine „faszinierende Fantasywelt“ und einen „vielversprechenden Erzähler“ sucht man hier vergebens, aber vielleicht bezog sich Michael Peinkofers Zitat auf ein anderes Buch des Autors.


Pro & Contra

o schönes Cover, das aber nichts mit dem Inhalt zu tun hat
o die letzten 150 Seiten lesen sich flüssiger und besser

- Logikfehler, bzw. offene Logikfragen
- nicht mitreißender, oberflächlicher Stil
- flache Charaktere
- Entwicklung der Figuren ist nicht glaubhaft und sie verhalten sich teilweise vollkommen gegen ihren Charakter
- Katanja ist zwar die Hauptfigur, leistet aber nichts
- schlechte Verarbeitung des Cover

Bewertung:

Charaktere: 1/5
Handlung: 1,5/5
Lesespaß: 1,5/5
Preis/Leistung: 1,5/5