Die Spur der Kinder (Hanna Winter)

Verlag Ullstein, August 2010
TB, 342 Seiten, € 8,95
ISBN 978- 3548282558

Genre: Thriller


Klappentext

Berlin im Sommer: Zwei Jahre ist es her, seit die kleine Sophie am helllichten Tag spurlos verschwand. Für ihre Mutter, die Schriftstellerin Fiona Seeberg, der Beginn eines Alptraums. Als Kommissar Piet Karstens, der schon damals die Ermittlungen leitete, erneut vor Fionas Tür steht, holt die Vergangenheit sie schlagartig ein: weitere Kinder sind verschwunden – und alle besuchten dieselbe Kindertagesstätte wie Sophie. Ein Zufall? Wieder fehlt vom Täter jede Spur. Einziges Indiz: ein makabres Präsent, das er den ahnungslosen Eltern zusendet. Doch weshalb verstrickt sich ausgerechnet Fionas Verlobter Adrian plötzlich in Widersprüche? Auf den Spuren ihrer Tochter gerät Fiona schließlich selbst in das Visier des kaltblütigen Täters...

Die Autorin

Hanna Winter wurde in Frankfurt am Main geboren und arbeitete nach dem Publizistik Studium als Redakteurin. Heute lebt sie als freie Autorin in Berlin. Die Spur der Kinder ist ihr erster Thriller, sie schreibt bereits an ihrem zweiten.


Rezension

Schnell, rasant und schnörkellos – bei Hanna Winter ist man direkt mitten im Geschehen. Ohne großes Geplänkel bringt sie es auf den Punkt und nimmt den Leser von Anfang an mit auf eine rasante Fahrt der Gefühle. Mit wenigen eindringlichen Worten schafft sie eine Atmosphäre, die alles beinhaltet – Angst, Qual, Trauer, Verzweiflung und Liebe. Zwei Jahre nach dem Verschwinden Fionas kleiner Tochter sind weitere Kinder verschwunden, die die gleiche Tagesstätte besucht haben, in die auch Sophie gegangen ist. Den Eltern wurde anschließend eine weiße Lilie geschickt, die Kinder nie gefunden. Fiona zerbricht fast an dieser Ungewissheit, sie sucht ihren Trost im Alkohol. Vorher war sie eine erfolgreiche Schriftstellerin, jetzt ist sie blockiert und hat seit Sophies Verschwinden keine einzige Zeile mehr geschrieben. Ihr Verlobter Adrian, der mit Sophie auf dem Spielplatz war, als sie verschwand, vergräbt sich in seine Arbeit, er führt ein erfolgreiches Restaurant. Wird es mit den weiteren entführten Kindern neue Hinweise geben? Fiona klammert sich an die Hoffnung, endlich zu erfahren, was mit ihrer kleinen Tochter geschah.

Man mag gar nicht glauben, wie viel in dieser Geschichte enthalten ist. Immer wieder gibt es neue Handlungsstränge, sobald die Ermittlungen sich in eine Richtung drängen, gibt es neue Erkenntnisse und unerwartete Ergebnisse. Die Anzahl der mitwirkenden Personen ist überschaubar, ihre Hintergründe allerdings sind tiefe Seen, auf deren Grund schmutzige Geheimnisse lauern. Durch wechselnde Perspektiven bekommt man einen guten Einblick in die Gedanken einiger anderer Personen, auch der Täter darf sich äußern. Und jedes Mal werden neue Zweifel gestreut, wieder neue menschliche Abgründe offenbaren sich, und das alles auf eine unnachahmliche spannende Art und Weise. Kein Wort zuviel, aber die wenigen dafür umso aussagekräftiger. Viele lose Fäden werden geknüpft und zum Schluß zu einem logischen Ganzen verknüpft, wobei hier noch ein bisschen an Aufklärung fehlt. Ganz zum Schluß offenbart sich der Täter, leider wird das Motiv zu oberflächlich abgehandelt.

Ihre Charaktere hat Hanna Winter sehr vielschichtig angelegt, unterschwellig entwickelt man ein Gespür dafür, wer alles etwas zu verbergen hat. Und das sind einige, die im Zuge der Ermittlungen ihre Geheimnisse offenbaren müssen und ihre Handlungen haben mittelbar alle mit Sophies Verschwinden zu tun. Was sich Fiona da noch einmal offeriert, ist schwer zu verdauen und man hofft, dass sie stark genug ist, um diese ganzen Ereignisse zu überleben. Geschickt streut die Autorin immer wieder Hinweise ein, dadurch wird jeder Charakter immer undurchsichtiger.

Trotz der Komplexität der Story verliert man nie den Überblick, nie hat man den Eindruck, überflüssige Handlungsstränge zu verfolgen. Alles passt zusammen und durch die Vielseitigkeit bleibt es durchweg spannend, hinter jedem Satz lauern neue Hinweise und man kann nie erahnen, wo die Geschichte hinführt. Lesen, lesen, lesen – mehr will man nicht mehr, nachdem man das Buch erst einmal angefangen hat und schnell ist die Welt um einen herum vergessen. Das angenehm große Schriftbild liest sich entspannend und das Cover ist dazu hervorragend gewählt. Reliefstruktur auf der Oberfläche sprechen zusätzlich zum Lesespaß auch noch den Tastsinn an, man nimmt das Buch einfach aus jedem Grund gerne in die Hand.


Fazit

Mit ihrem großartigen Debütroman hat Hanna Winter einen wahren Pageturner geschaffen. Kurz und knapp bringt sie alles Wichtige ohne Geplänkel auf den Punkt, die Spannung bleibt gleichmäßig hoch während der ganzen Geschichte. Ein überraschender Täter und nicht vorhersehbare Wendungen entzünden ein Feuerwerk an Gefühlen, nie kann man sich seiner Sache sicher sein. Bis zur allerletzten Seite bleibt es überraschend, selbst da zaubert die Autorin noch ein Kaninchen aus dem Hut.


Pro und Contra

+ stimmige Atmosphäre
+ ständige, überraschende, neue Wendungen
+ gut dosierte Hinweise
+ extrem gehaltener Spannungsbogen
+ große Komplexität der Geschichte
+ ausgewogene Mischung von Kriminalfall und privaten Umfeld
+ viele angefangene, lose Fäden verknüpfen sich zum Schluß
+ überraschender Täter und unerwartetes Ende
+ kurzer, knapper, fesselnder Erzählstil ohne überflüssige Dramatik
+ gute Vermittlung der Gefühle der handelnden Personen
+ Angst ist fast greifbar

- auf das endgültige Motiv wird nicht ausführlich genug eingegangen

Wertung:

Handlung: 5/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 5/5
Preis/Leistung: 4,5/5