Heyne (August 2010)
Paperback, Klappenbroschur, 720 Seiten
€ 14,00 [D] | € 14,40 [A] | CHF 24,90
ISBN: 978-3-453-52707-2
Genre: Dark / Urban Fantasy
Klappentext
Kann man einen Engel lieben?
Als Juna, eine junge Ärztin, eines Abends den verletzten Arian in ihrem Schlafzimmer vorfindet, ändert sich ihr Leben schlagartig. Denn Arian ist nicht nur ein gefährlich schöner Mann – er ist auch ein gefallener Engel. Und er wurde auf die Erde gesandt, um das rätselhafte Verschwinden der Schutzengel aufzuklären, die seit langer Zeit unter den Menschen wirken. Offenbar scheinen dunkle Widersacher der Engel dahinterzustecken. Und Juna könnte ihr nächstes Opfer sein ...
Rezension
Kann man einen Engel lieben? Wer Jeanine Krock kennt, wird diese Frage mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Aber bei über siebenhundert Seiten mit einem dermaßen attraktiven Engel wäre man auch enttäuscht, wenn die Flamme der Leidenschaft nur ein Strohfeuer blieb. Man weiß also in etwa, was man von diesem Buch erwarten kann – wo die Story hinführt, bleibt allerdings lange Zeit im Dunkeln. Dieses Mal wagt sich die Autorin an einen Zeitsprung mitten im Buch. Ein wenig hat man das Gefühl, es würden zwei unabhängige Geschichten mit den gleichen Charakteren erzählt, doch sehr bald ergeben sich komplexe Zusammenhänge, die alle Seiten wie ein Netz zusammenhalten.
Arian wird äußerst schmerzhaft aus Elysium verbannt, erhält dennoch einen Auftrag: Auf der Erde verschwinden mehr und mehr Schutzengel und er als Wächter der Vigilie soll der Sache nachgehen. Nach seinem Sturz, den er der Tatsache, dass er über Emotionen verfügt, zu verdanken hat, steht er also immer noch im Dienste des Himmels. Doch wie es das Schicksal will, landet er ausgerechnet im Schrank der bezaubernden Juna, die Engel sehen kann. Dieses Talent bringt sie in große Gefahr. Doch noch eine weitere, gefährliche Fähigkeit schläft in ihr und wird mit der erwachsenden Liebe zu Arian immer stärker. Ihr Bruder, das schwarze Schaf der Familie, ist währenddessen in die Fänge eines Dämons geraten, der ihn für seine Zwecke missbraucht. Und auch Arian selbst birgt einige Geheimnisse, die im Laufe der Geschichte aufgedeckt werden …
Mit diesem Wälzer hat sich Jeanine Krock einiges vorgenommen. Man spürt auf jeder Seite die Begeisterung der Autorin für ihr Werk, doch mit wachsender Seitenzahl verstrickt sie sich zunehmend in ihren vielen Nebenhandlungen. Wer aufmerksam liest, kommt gut mit, doch als durch und durch gelungen kann man den Storyaufbau leider nicht bezeichnen. Zu vieles will sie den Lesern zeigen, sei es der Glanz des Himmels, das sündige Gehenna, das betörende Feenreich oder die atemberaubende Weite der schottischen Highlands. Hinzu kommen viele Nebencharaktere, von denen sie nicht allen gerecht werden kann. Der Feenprinz Cathure gehört zu den geheimnisvollen Helfern im Roman, der allerdings nichts ohne Gegenleistung tut. Er wird zu einer Konstante und heimst Sympathiepunkte beim Leser ein, auch wenn er kühl und berechnend ist. Lucian ist wohl der aufregendste Nebencharakter. Mehr schelmischer Jüngling als Höllenfürst wirkt er unglaublich charmant, wobei er immer wieder beweist, dass man einem Dämon nicht trauen sollte. Mit Junas Freundinnen Iris und Sirona hingegen wird man nicht richtig warm. Insbesondere letztere überzeugt mit ihrer oberflächlichen Art nicht. Beinahe hat man das Gefühl, dass der Autorin die männlichen Charaktere besser liegen.
Was dieses Buch wie auch die Licht & Schatten-Reihe auszeichnet, sind die emotionalen Verbindungen zwischen den Charakteren und die vor Leidenschaft sprühenden Szenen. Wenn es bei Jeanine Krock zur Sache geht, beschleunigt sich der Puls der Leserin. Sie findet einfach genau den richtigen Weg zwischen einem gewagten und doch geschmackvollen Stil. Wie auch die vampirischen Gegenstücke ist der gefallene Engel Arian ein unverschämt gut aussehender, düsterer Krieger, der die weibliche Leserschaft schnell für sich einnimmt. Juna ist dazu das liebevolle und offene Gegenstück, die ihre Zurückhaltung schnell vergisst, sobald Arian einen seiner glühenden Blicke zuwirft. Dass ihre Liebe während des Romans immer wieder auf die Probe gestellt wird, macht die Beziehung sehr authentisch, sofern sie das in diesem phantastischen Rahmen sein kann. Der verträumte, extrem atmosphärische Stil der Autorin trägt dabei viel zum Lesegenuss bei. Ihre Worte verzaubern die Leser und man ist geneigt, ihr kleine Spannungsabfälle in Folge der vielen Verstrickungen zu verzeihen. Spannend bleibt es allerdings bis zum Schluss – es ist schwer, vorauszusehen, wie Jeanine Krock ihre Handlungsfäden zu einem Gesamtbild verweben wird.
Eine weitere Stärke von „Flügelschlag“ liegt in der Darstellung der himmlischen Geschöpfe. Die Autorin verzichtet auf Gott und einen religiösen Unterton. Die Engel kommen als phantastische Kreaturen daher; was die Schöpfung der Ältesten von ihnen angeht, hält sich Jeanine Krock bedeckt. Ihre Geschichte ist an den Mythos der gefallenen Engel angelehnt, im Roman gibt es zwei Arten von ihnen: Jene, die den Verlockungen Gehennas verfallen sind und zu Dämonen wurden und jene, die ein irdisches Dasein im Verborgenen führen. Ihre strahlenden, himmlischen Gegenstücke werden jedoch fast ebenso grausam wie die dämonischen Höllenengel dargestellt. Durch das Fehlen der Emotionen sind sie eiskalt und grausam. So entsteht im Laufe des Romans ein Spiel aus Licht und Schatten, aus Gut und Böse, das sich niemals klar auflöst. Die Grenzen verschwimmen in Grauschattierungen und der moralische Zeigefinger bleibt unten. Zum Ende hin kristallisiert sich wieder Jeanine Krocks Vorliebe für die ganz großen Zusammenhänge heraus, die etwas klischeebehaftet daherkommen. Es wird beinahe etwas zu viel des Guten, jedoch wird auch nahezu alles aufgeklärt, sodass kaum Fragen übrig bleiben.
Fazit
„Flügelschlag“ ist eine düstere und schwer romantische Geschichte um das Schicksal eines gefallenen Engels und seiner magisch talentierten, großen Liebe. Die Engel faszinieren die Leserschaft mit ihrem Facettenreichtum und nicht zuletzt mit ihrer geradezu unverschämten Attraktivität. Stellenweise verstrickt sich die Autorin in ihrer hochkomplexen Story, schafft es jedoch am Ende alle Fäden zusammenzuknüpfen. Ihre große Stärke bleiben die emotionalen Beziehungen – Jeanine Krocks Stil sprüht geradezu vor Leidenschaft!
Pro & Contra
+ Engelbild mit vielen Schattierungen
+ funkensprühende Leidenschaft
+ spannende Storyline
+ herrlich atmosphärischer Schreibstil
+ Lucian und Cathure
o Story sehr komplex …
- … und dadurch stellenweise überladen
- nicht alle Nebencharaktere überzeugen
Wertung:
Handlung: 3,5/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5
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