R.A. Salvatore (deutsche Übersetzung - 09.09.2010)

Interview mit R.A. Salvatore

Literatopia: Hallo Bob, den meisten dürftest Du als Autor der „Vergessenen Welten/Forgotten Realms“ - Romane über Drizzt Do ´Urden bekannt sein. Könntest Du Dich trotzdem kurz vorstellen? Was schreibst Du sonst noch?

R.A. Salvatore: Ich bin Vater von drei Kindern, Großvater und nun mehr als ein viertel Jahrhundert verheiratet. Das sind die wichtigsten Dinge in meinem Leben. Ich schreibe seit 1981 und professionell (mit Bezahlung!) seit 1987.

Ich würde zustimmen, dass die meisten Leute mich aufgrund dieser Werke kennen, aber meine „Vergessenen Welten“ Romane machen nur die Hälfte von dem aus, was ich geschrieben habe. Meine zweite „größte“ Serie ist Dämonendämmerung bzw. Dämonenkriege. Der 11. Roman „The Bear“, welcher in der Welt spielt, die ich entworfen habe, erscheint in den USA im August. Dies ist auch meine anspruchvollste Arbeit - ein bisschen mehr auf Themen für Erwachsene zentriert als die Drizzt Bücher und reichlich bestückt mit Geschichten, die in einem größeren Maßstab spielen als meine „Vergessenen Welten“-Werke.

Außerdem habe ich eine Abenteuer-Trilogie (Crimson Shadow/ dt. Luthien-Trilogie), eine unbeschwerte Sicht auf Fantasie (Spearwielder’s Tale/ dt. Drachenweltsaga), zwei Star Wars Romane (Inklusive der Romanisierung von „Angriff der Klonkrieger“) und eine Trilogie, welche dem ersten Buch folgte, das ich jemals geschrieben habe, lange bevor ich veröffentlicht wurde, „ Die Chroniken von Ynis Aielle“ verfasst. Ich war ein sehr beschäftigter Kerl.

Literatopia: Wie bist Du zum Schreiben gekommen? Gab es da einen besonderen Moment oder ein besonderes Ereignis, welches zum Schreiben führte?

R.A. Salvatore: Ich hatte keine Fantasybücher mehr zum Lesen. Ernsthaft. In der Zeit um 1978-1981 gab es noch nicht so viele Fantasybücher, so dass ich keine neuen mehr hatte. Gelangweilt von meinem Job wollte ich mehr. Ich arbeitete in einer Plastikfabrik, in welcher ich eine Reihe von sinnlosen Aufträgen ausführte - Tag ein, Tag aus. Dann beschloss ich auf meine Freundin, meine heutige Frau, zu hören und schrieb meinen eigenen Roman, „Das Echo der vierten Magie“, das erste Buch der „Chroniken von Ynis Aielle“.

Literatopia: Wie war die Verlagssuche? War es schwer einen Verlag zu finden oder lief alles ganz leicht ab?

R.A. Salvatore: Es war schrecklich, es ist immer schrecklich. Ich verbrachte Jahre damit Ablehnungsschreiben zu zerreißen, was mich nur umso ambitionierter machte, es ihnen zu zeigen. 1987 kam dann die große Chance, als ich mein Manuskript zu TSR schickte. Sie konnten das Buch nicht veröffentlichen, aber suchten jemanden um den zweiten Roman in der neuen Welt, die sie kreierten, die „Vergessenen Welten“, zu schreiben. Kurz gesagt, ich hatte Glück. Hätte ich mein Manuskript drei Monate früher geschickt, hätte ich auch nur einen einfachen Ablehnungsbrief erhalten. Drei Monate später kamen die ersten Zahlen für den ersten „Vergessene Welten“ Roman und sie waren großartig. Viele bei TSR versuchten und richtige Autoren beschlossen, von der „Drachenlanze“ zu den „Vergessenen Welten“ zu wechseln. Einfach gesagt, hätte ich mein Manuskript nicht gerade dann eingesendet, als ich es tat, hätte ich wahrscheinlich niemals einen Verlag gefunden. Denn um ehrlich zu sein, war ich zu der Zeit fast am Ende meiner Schreibkarriere.

Literatopia: Wie sieht es heute mit der Verlagssuche aus? Kommen die Verlage auf Dich zu oder musst Du immer noch suchen, wenn Du ein ganz neues Projekt angehst?

R.A. Salvatore: Heutzutage kann ich eigentlich mit jedem Verlag einen Vertrag abschließen, den ich mir aussuche. Im Moment bleibe ich bei „Wizards of the Coast“, denn ich möchte gerne meine Drizzt Bücher fortsetzen und sehen, wie sich die „Vergessenen Welten“ entwickeln. An diesem Punkt liegt es nur an mir, wie viel oder wie wenig ich schreibe.

Literatopia: Wie wäre es für Dich ein Buch zu schreiben, welches weder Fantasie noch Sciene-Fiction ist?

R.A. Salvatore: Woher weißt du, dass ich das noch nicht getan habe? Nein, im Ernst, ich denke es wäre fantastisch, obwohl ich vermutlich nicht unter meinem Namen veröffentlichen würde - ich würde nicht wollen, dass die Leser es voreingenommen lesen.

Literatopia: Womit beschäftigst Du Dich derzeit? Fantasy oder wird es einen weiteren Ausflug in die Welt von Star Wars geben, oder etwas ganz Neues? Planst Du weitere Romane der Vergessenen Welten zu schreiben?

R.A. Salvatore: Ich habe gerade das Drizzt Buch für das Jahr 2011 angefangen. Es ist das erste eines 6-Bücher-Vertrags.

Literatopia: „Der König der Piraten“ und „Das Zeitalter der Dämonenkriege: Waffenbrüder“ sind Deine neusten Veröffentlichungen in Deutschland. Ist es einfacher für Dich Geschichten über Corona, die Welt, welche du kreiert hast zu schrieben oder Geschichten über den Dunkelelfen Drizzt Do’Urden? Was glaubst Du warum das so ist?

R.A. Salvatore: Ob du es glaubst oder nicht, sie sind nicht so verschieden. Ich habe mehr Einfluss auf die großen Ereignisse in den Corona Romanen, aber „Wizards of the coast“ lässt mir die Freiheit zu tun, was ich in den Drizzt Romanen tun möchte. Jedes Buch ist anders, manche schwerer als andere. Aber sicherlich waren die ersten „Dämonendämmerung“-Romane eine Herausforderung, da ich die gesamte Welt mit ihrem magischen System in einer großen Geschichte mit Dutzenden von Charakteren und ihren verknüpften Handlungsfäden erschaffen und erklären musste.

Literatopia: Das Magiesystem Coronas mit den magischen Steinen ist sehr ungewöhnlich? Wie bist Du darauf gekommen? Woher kam die Inspiration dafür?

R.A. Salvatore: Es ist gewiss keine neue Idee. Um Herauszufinden welche Steine und Edelsteine was bewirken, habe ich Referenzbücher zu den besagten magischen Eigenschaften von verschiedenen Edelsteinen und Mineralien und geologische Texte, welche ihre Wirkung erklären, hinzugezogen. - Es gibt „Kristallgläubige“, oder? Deshalb bezweifele ich, dass ich das Rad mit meinem Magiesystem neu erfunden habe. Ich habe es lediglich in einer bestimmten Weise kodifiziert.

Literatopia: Wird es weitere Bücher über Corona geben oder wird die Geschichte mit „Das Zeitalter der Dämonenkriege“ beendet?

R.A. Salvatore: Ich denke an eine Rückkehr, jedoch nicht jetzt. „Dämonendämmerung“, Corona, ist mein „Mittelerde“, mein „Shannara“ und meine „Vergessene Welten“.

Literatopia: Siehst Du Unterschiede zwischen den Rollenspielbüchern, welche auf einem bereits existierenden Hintergrund basieren und den Büchern, in denen du die Charaktere und die Welt völlig neu entwickeln musstest? Wie kamst Du anfangs dazu Rollenspielbücher zu schreiben?

R.A. Salvatore: Ich fing bei TSR, heute Wizards, an, weil sie mein Manuskript gelesen hatten und mir daraufhin einen Vertrag anboten (obwohl dieser für einen anderen Roman war, den ich dann schreiben musste). Wie bereits gesagt, denke ich nicht, dass es zwischen den verschiedenen Büchern viele Unterschiede gibt, außer dass die Parameter in einer gemeinsamen Welt meistens fest sind, wohingegen man sie in einem originalen Werk selbst kreieren muss.

Literatopia: Was ist die Geschichte hinter den „Vergessenen Welten“? Bist du selbst noch regelmäßiger Rollenspieler?

R.A. Salvatore: Ed Greenwood begann mit der Erschaffung der „Vergessenen Welten“ in den 60er Jahren, als er acht Jahre alt war. Das ist kein Scherz. Später hat er dann die ganze Arbeit genommen und eine Serie von Artikeln für das Dragon Magazine geschrieben. Als TSR neben Dragonlance und Greyhawk nach einer größeren, neuen Welt Ausschau hielten, klopften sie bei Ed an und die „Vergessenen Welten“ waren offiziell geboren. Und ja, ich spiele immer noch D&D, jedoch nicht so regelmäßig wie ich es früher tat.

Literatopia: Unzweifelhaft ist Drizzt Do’Urden Deine bekannteste Kreation. Betrachtest Du ihn als eine Bereicherung oder als einen Fluch?

R.A. Salvatore: Natürlich ist er beides, aber ich wäre wohl ein ziemlich mieser Typ wenn ich ihn nicht hauptsächlich als Segen sehen würde. Drizzt hat meiner Karriere den Weg geebnet, wegen ihm war ich in der Lage Vollzeit als Schriftsteller zu arbeiten und meine Rechnungen zu zahlen und zuzuschauen, wie meine Kinder aufwuchsen. Glaub mir, ich bin diesem abtrünnigen Drow nicht undankbar. Verdammt, mein Nummernschild lautet „DRKELF“ (Darkelf/Dunkelelf) - obwohl mich immer wieder Leute fragen, wer Dr. Kelf ist.

Literatopia: Die Analogien zwischen „Luskan“ und der aktuellen Situation in Afghanistan sind offensichtlich. In beiden Fällen ist ein ungewolltes Regierungssystem den dort lebenden Menschen auferlegt worden. Deudermont scheitert in „Luskan“ und in der Realität verstricken sich die USA in ihren Geschichten und Entschuldigungen. Ist diese Parallele eher zufällig und unterbewusst entstanden oder war es ihre Absicht?

R.A. Salvatore: Ich lasse die Leser entscheiden wie viel Irak oder Afghanistan in meinen Entscheidungen in „Der Piratenkönig“ enthalten ist. Ich kann nur darauf hinweisen, dass ich nicht von der realen Welt abgeschottet bin, wenn ich schreibe und dass ich menschliche Erfahrungen in der Form von vorhersehbaren traurigen Zyklen sehe.

Literatopia: Im Moment gibt es viele Veränderungen im Leben Drizzt Do’Urdens. Werden wir im Laufe der kommenden Ereignisse wieder auf Jarlaxle und/oder Artemis Entreri treffen? Besteht die Möglichkeit, dass diese beiden Feinde Seite an Seite kämpfen werden?

R.A. Salvatore: Wenn ich dir das erzählen sollte, müsste ich dich tö... dich freundlich bitten es keinem weiter zu erzählen.

Literatopia: Hattest Du freie Hand bei der Gestaltung der Drow und ihrer Welt oder hattest Du strikte Vorgaben von „Wizards of the Coast“, den Machern von „Dungeons und Dragons“?

R.A. Salvatore: Ich habe die Drow nicht erschaffen, ich habe sie lediglich in die Welten integriert und aufgearbeitet. Ich hatte die alten Gygax Module „Descent to the Depths of the Earth“, „Vault of the Drow“ und „Queen of the Demonweb Pits“, neben dem einseitigen Drow-Eintrag in dem alten “Fiend- Folio” Quellenbuch, aber das war es. Als ich also anfing „Homeland“ zu schreiben, rief ich TSR an und fragte, was sie sonst noch anzubieten hätten. Sie hatten nichts, aber gaben mir eine Freikarte um die Drow-Gesellschaft in den „Vergessenen Welten“ herauszuarbeiten. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, hat mich Mario Puzos „Der Pate“ am meisten bei diesem Prozess beeinflusst.

Literatopia: Ist es für Dich leicht Drizzt Do´Urdens Essays für Deine Bücher zu schreiben?

R.A. Salvatore: Normalerweise sind sie für mich am einfachsten zu schreiben. Ich versuche einfach die Welt durch seine Augen zu sehen, an dem Punkt seines Lebens an dem er sich befindet und lasse mein Herz sprechen. Ich stimme nicht mit allem was er sagt überein, aber ich kenne sein Herz, so gut wie meins, deshalb ist es sehr einfach für mich.

Literatopia: Wulfgar, sollte angeblich zuerst die Hauptrolle in Deinen Romanen spielen, bevor Drizzt Do ´Urden diesen Part übernahm. Sah der ursprüngliche Verlauf der Handlung anders aus? Wie reizvoll wäre es für Dich, alles nochmal neu aufzurollen, nur dieses Mal mit dem Fokus auf eben den Barbaren Wulfgar? Ähnlich wie bei den Elseworldgeschichten von Marvel und DC. Was würde sich ändern?

R.A. Salvatore: Wohl wahr! - Drizzt war noch nicht einmal in dem Beispielkapitel oder im Expose von „The Crystal Shard/ Der gesprungene Kristall“ (welches übrigens eigentlich „The Tyrant of Icewind Dale“ hieß). Ursprünglich war es Wulfgars Buch, oder sollte es zumindest sein, bis ich diesen ungewöhnlichen Nebencharakter hineinpackte und über ihn zu schreiben begann. Danach wusste ich, es war Drizzts Geschichte.

Bezüglich des anderen Teils der Frage: ich mag es nicht zurückzugehen und schon erzählte Geschichten neu aufzulegen, aber in diesem Fall könnte es Spaß machen.

Literatopia: Eins Deiner Markenzeichen sind die rasanten Kampfszenen. Hast Du da eigene Erfahrungen sammeln können oder hast Du dir alles angelesen und durch Zusehen gelernt?

R.A. Salvatore: Ich habe Hockey gespielt, war in der High School Boxer und lebte auf dem College von dem Geld, das ich als Türsteher in Nachtclubs verdiente.

Literatopia: Vor ein paar Jahren hast Du für „War of the Spiderqueen“ die Geschichte festgelegt, die Ausführung aber jungen Autoren überlassen. Wie hast du die Auswahl getroffen? Bist Du mit der Reihe zufrieden?

R.A. Salvatore: Nachdem Phil Athans mich überredet hatte, habe ich geholfen die Geschichte zu entwerfen. Sicher bin ich mit dem Ergebnis zufrieden, aber es ist, ehrlich gesagt, ein Testament an Phil’s Energie und Sturköpfigkeit.

Literatopia: Nachdem es mittlerweile auch eine Graphic Novel Umsetzung für die Reihe um Drizzt Do`Urden gibt, was wartet noch auf uns? Wird es einen, von den Fans lang ersehnten, Film geben?

R.A. Salvatore: Ich kann nur genauso raten, wie du. Ich habe keine Kontrolle darüber, denn Hasbro gehören die „Vergessenen Welten“.

Literatopia: Vielen Dank für das Interview, Bob!



Homepage des Autors: www.rasalvatore.com

Dieses Interview wurde von Markus Drevermann für Literatopia geführt und mit freundlicher Unterstützung von Ina Scheiff übersetzt. Alle Rechte vorbehalten.