Dirk Zöllner (28.12.2008)

Interview mit Dirk Zöllner

 

Literatopia: Hallo Dirk – wir dürfen davon ausgehen, dass Dein Name dem Großteil unserer überwiegend jungen und teilweise auch österreichischen User ein großes Fragezeichen ins Gesicht schreibt. Stell Dich doch bitte kurz vor. 

Dirk Zöllner: Ich bin Jahrgang 62, geboren im Ostteil Berlins. Die ersten beiden Jahre meines Lebens wurde ich von der Großmutter aufgezogen, da meine Eltern noch sehr jung waren und mitten im Studium steckten. Habe die DDR-typische 10-Klassen-Oberschule besucht, eine Lehre als Betonwerker absolviert und kam 19jährig für anderthalb Jahre zur Armee. Dort habe ich angefangen, eigene Lieder zu schreiben. 2 Jahre habe ich noch in einem Labor als Gütekontrolleur gearbeitet und seit 1986 bin ich hauptberuflich als Musiker unterwegs. 

Literatopia: Du bist seit über zwanzig Jahren im Musikgeschäft tätig – verliert man da zwischenzeitlich mal die Lust oder warst Du immer mit Feuereifer bei der Sache? In welchen Genres hast Du Dich ausprobiert, und welche stehen noch auf Deiner ToDo-Liste? 

Dirk Zöllner: Es gibt seelische Höhen und Tiefen im Musikerleben, wie in jedem anderen Beruf auch. Das ist nicht unbedingt an den Erfolg gekoppelt. Mir steht immer mal der Sinn nach einer Pause, oder aber nach einer Veränderung. Für eine Weltreise habe ich nie gespart. Wenn ich finanzielle Erfolge hatte, habe ich stets in die Verwirklichung neuer Projekte investiert. Ich habe sehr viele unterschiedliche Herangehensweisen an die Musik ausprobiert, bin aber letztendlich eigentlich immer derselbe geblieben. Einen Plan habe ich nicht. 

Literatopia: Wusstest Du schon von Kindesbeinen an, dass Du Dein Leben der Musik verschreiben würdest? Wer hat Dich in Deiner Kindheit am meisten fasziniert und inspiriert? Welchen Einfluss hatte der Musikgeschmack Deiner Eltern auf Deine eigene Entwicklung? 

Dirk Zöllner: Nein. Ich wusste erst sehr spät, was ich wollte. Mein Vater hat mir die deutschsprachige Rockmusik nahe gebracht, meine Mutter hörte fast ausschließlich schwarzen Soul a la Otis Redding, James Brown, Steve Wonder, Temtations. Also die 3 Platten, an die sie über irgendwelche Kanäle rangekommen war. Der Geschmack der beiden hat mich letztendlich sehr geprägt. Aber erstmal hörte ich am liebsten den 70er Jahre Glamrock von SWEET, SLADE, GARRY GLITTER, SUZI QUATRO.  Meine Oma mochte alles, was ich mochte! 

Literatopia: Im Laufe der Jahre hast Du mehrere Musikprojekte ins Leben gerufen oder warst Teil von ihnen, darunter natürlich die Band „Die Zöllner“, das „Café Größenwahn“, der Heine-Gedichte vertonende „Club der toten Dichter“ und ganz aktuell „7 Sünden“. Welche Projekte lagen Dir besonders am Herzen oder haben Dir besonders viel Spaß gemacht – und warum? 

Dirk Zöllner: Mir lag jedes meiner Projekte am Herzen, sonst hätte ich es nicht gemacht. Besonders gerne spiele ich mit meinem langjährigen Partner André Gensicke alleine. Wenn er mich am Klavier begleitet, bin ich am nächsten bei mir selbst. Doch wie schon gesagt, in der Veränderung liegt das seelische Glück. Der Weg ist das Ziel, oder meinetwegen auch der Umweg! 

Literatopia: Wo ich gerade das Projekt „Club der toten Dichter“ erwähnte – wie kamst Du dazu, gemeinsam mit Reinhardt Repke die Gedichte Heinrich Heines zu vertonen, aufzunehmen und ein Live-Programm daraus zu machen? Welchen persönlichen Hintergrund verbindest Du mit dem „Buch der Lieder“?

Dirk Zöllner: Reinhardt sprach mich an und über ihn bin ich auf die Liebesgedichte von Heinrich Heine gestoßen. Die Selbstironie im Liebesleid, die Romantik. Ich empfinde Seelenverwandtschaft in der Sprache und im Leben des großen deutschen Dichters. Ich hoffe, dass du das jetzt nicht als Vermessenheit aufnimmst. 

Literatopia: Gibt es neben Heine auch andere Schriftsteller, die Dich begeistern können? Was liest Du am liebsten, wenn Du neben der vielen Musik überhaupt zum Lesen kommst? 

Dirk Zöllner: Ich lese kreuz und quer. Nicht so gerne utopische Romane. Sehr gern ernste Biografien, von Menschen die etwas zu erzählen haben und Bücher mit philosophischen Betrachtungen. Reinen Philosophen steh ich skeptisch gegenüber. 

Literatopia: Unsere literaturbegeisterten User interessieren sich natürlich vor allem für die schriftliche Sprache. Wie passen Deiner Meinung nach Musik und Literatur zusammen? Und was ist zuerst da: Die Musik oder der jeweilige Text eines Liedes? 

Dirk Zöllner: Bei mir steht zuerst die inhaltliche Idee, doch der eigentliche Text entsteht parallel mit der Musik. Es passiert eher selten, dass ich den Text auf eine fertige Musik schreibe. Texte müssen nicht Literatur sein. Das Wort bekommt mit dem Klang eine tiefere Kraft. Wahrscheinlich kommt die Musik vom Beten. Das nicht Aussprechbare gewinnt mit einer entsprechenden Melodie eine größere Individualität und damit Intensität. 

Literatopia: Sind die Texte der von Dir interpretierten Titel wichtig für Dich oder singst Du auch von Dingen, die Du nicht verstehst oder erlebt hast? Wie viel von Dir selbst fließt in Deine Songlyrik? 

Dirk Zöllner: Ich singe von vielen Dingen, die ich nicht richtig begreife. Aber ich empfinde immer etwas. Es kommt vor, dass ich meine eigenen Texte erst später richtig verstehe. Manchmal verändert sich eine Interpretation, so wie sich eben auch die Wahrheit dreht. Texte und Musik zu schreiben, hat für mich etwas von Selbsttherapie. 

Literatopia: Was inspiriert Dich zu neuen Titeln und welche Empfehlung kannst Du unseren Usern geben, die gerne mal von sogenannten Schreibblockaden heimgesucht werden? Kennst Du diese Art des KreaTiefs auch selbst? 

Dirk Zöllner: Es passiert durchaus, dass ich über ein Jahr überhaupt nicht schreibe. Es gibt Zeiten, in denen man zuhören sollte. Anderen und sich selbst. Ich bin nicht der fleißige Arbeiter, der ununterbrochen etwas schaffen kann. Schmerz ist die beste Quelle, weil durch ihn in ungeahnte Tiefen vordringen muss. Auch Glück ist eine Inspirationsquelle, doch sie ist naiv. Naivität empfinde ich als etwas sehr Wertvolles. 

Literatopia: Als „Jesus Christ Superstar“ standest Du für ein Rockmusical aus der Feder Andrew Lloyd Webbers auf der Bühne der Staatsoperette Dresden – wie viel Lust macht eine solche Rolle auf ein eigenes Theater- oder Musicalstück? 

Dirk Zöllner: Ich habe auf jeden Fall Blut geleckt. Einen Hang zum Theatralischen hatte ich sowieso schon immer. Vielleicht schreibe ich mal ein Musical! 

Literatopia: Hast Du vor Annahme der Rolle oder während der Zeit als Akteur jemals persönlich Bekanntschaft mit A. L. Webber gemacht? Wenn ja, wie war Dein Eindruck von ihm? Ist er ein „völlig normaler“ Mensch oder typisch kreativ-verrückt? 

Dirk Zöllner: Ich habe ihn nicht kennen gelernt. Bin auch mit seinem Gesamtwerk nicht sonderlich vertraut. Die Qualität vieler Musicals steht und fällt mit den deutschen Texten. Gute Arbeit hat hier Heinz Rudolf Kunze geleistet, beispielsweise bei „Les Miserables“. Die Neutextierung solch alter Schinken würde mich auch interessieren. 

Literatopia: Zum aktuellen Projekt „7 Sünden“ gibt es auch ein Buch. Wie gehören Buch und CD zusammen, kann man auch beides einzeln erwerben und genießen oder zeichnet erst die Einheit ein wirkliches Bild der Geschichte? Was hat Dich zu diesem Projekt inspiriert und wie viel Wahrheit steckt darin? 

Dirk Zöllner: Eigentlich ist das Buch eine Zugabe zur CD. Es hat keinen tieferen literarischen Anspruch. Es ist ein Roadmovie, ein Ausschnitt aus unserem Leben während der Zeit der Entstehung unseres Albums „7 Sünden“. Die Platte bzw. das ganze Projekt ist außerdem inspiriert von meiner Lektüre des neuen Testaments und vor allem von der Liebe zu meiner Muse Zoe Denise Naumann, die das mit mir auch alles aufgeschrieben hat. Vielleicht eine naive Nabelschau unserer Liebe und der Liebe zum Leben, die uns im Jahre 2007 verwöhnte. 

Literatopia: Mit diesem Projekt bist Du aktuell und auch im kommenden Jahr unterwegs und wirst Musiklesungen geben. Was kann man sich darunter vorstellen, womit muss man rechnen, was erwartet einen beim Besuch einer solchen Vorstellung? 

Dirk Zöllner: Wir schaffen Stimmungen. Es wird gelesen und wir machen Musik. Zur selben Zeit und nacheinander. Denise, André und ich sind uns sehr nahe und ich hoffe, wir können diese tiefe Harmonie vermitteln und weitergeben. 

Literatopia: Erlaube mir zum Abschluss die Frage, welche zukünftigen Projekte Du bereits ins Auge gefasst und geplant hast. 

Dirk Zöllner: Es gibt eine Neuinszenierung von Jesus Christ Superstar in Pforzheim, ab Juni 2009 und zum Jahresende eine Neuauflage meines Projektes „Ostende“ mit dem Sänger IC Falkenberg. Ansonsten lasse ich mich überraschen und warte darauf, dass ein paar neue Lieder vorbei kommen. 

Literatopia: Vielen Dank für die Zeit, die Du Dir für unser Interview genommen hast! 

Dirk Zöllner: Ich danke für das Interesse!

 


 

Dieses Interview wurde von Jessica Idczak für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.