Die verborgene Stadt (Vadim Panov)

Heyne (Juni 2010)
Taschenbuch, Klappenbroschur, Seiten 576
ISBN: 978-3-453-52714-0
€ 9,95 [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Seit ewigen Zeiten existiert neben unserer Welt, in die sich die magischen Geschöpfe nach Jahrhunderten der Verfolgung durch die Menschen zurückgezogen haben.
Dieser geheime Ort nennt sich "Die verborgene Stadt".

Doch nun ist er nicht mehr geheim ...


Rezension

Mitten in Moskau, verborgen vor dem menschlichen Auge, existiert die Verborgene Stadt. Die Bewohner sind die letzten Überlebenden vergangener Zivilisation, vereint unter zwei verschiedenen Königshäusern – dem Grünen Hof, in dem die Luden leben, und dem Dunklen Hof, den die Tschuden ihr Heim nennen. Die Luden erwarten die Erfüllung einer Prophezeiung, die einen Boten ankündigt. Dieser würde ein mächtiger Zauberer sein und zum Gebieter der Welt aufsteigen. Der Königin des Grünen Hofes gefällt es nicht im Geringsten, ihre Macht abzugeben und so lässt sie einen Anschlag auf den 13-jährigen Lubomir verüben, als dieser als der Auserwählte identifiziert wird. Schwer verwundet überlebt der Junge und versperrt dem Grünen Hof den Zugang zum Regenbogenbrunnen, der einzigen magischen Quelle, aus der sie ihre Macht schöpfen. Während die Luden sich bemühen, ihre Niederlage geheim zu halten, macht sich Lubomir daran, den Dunklen Hof um sein magisches Artefakt zu bringen. Besäße er beide Artefakte, stünde seinem Sieg nichts mehr im Wege, doch Sandiago, Kommissar des Dunklen Hofes, zieht alle nötigen Fäden, um den Raub zu sabotieren. Dafür muss er sogar einige Menschen in seine Pläne hineinziehen, unabhängig davon, ob sie wollen oder nicht.

Sehr groß auf dem Buchrücken prangen zwei Namen von Autoren, die es bei uns weit gebracht haben. Sergej Lukjanenko, der in erster Linie für seine „Wächter“-Reihe bekannt ist, und Dmitry Glukhovsky, der ein überragendes Debüt mit „Metro 2033“ abgeliefert hat. „Die Verborgene Stadt“ wird als würdiger Vertreter der eigenwilligen russischen Fantasy angepriesen, der sich mit jenen Bestsellerromanen messen kann.
Tatsächlich schlägt der Roman in die gleiche Kerbe, erreicht aber nicht das gleiche Niveau. Gleich zu Beginn wird der Leser mit einer enormen Anzahl von Namen bombardiert, die den Westeuropäer überfordern kann. Wie in einem Guy Ritchie Film gibt es diverse Fronten, die alle auf einen Gegenstand scharf sind. Den Überblick zu behalten, wer nun was plant, um an sein Ziel zu gelangen, ist sehr schwer. Zusätzlich werden einige Personen fast gleichklingend benannt, so sind z.B eine Lana und eine Jana unterwegs – irritiertes zurückblättern ist da vorprogrammiert.
Sobald die verstrickten Geschichtsstränge ein wenig auseinander geknotet wurden, erkennt man eine Lukjanenko würdige Story. Die Grundidee ist zwar bei weitem nicht neu, doch das russische Kleidchen verleiht ihr neues Leben. Leider kann sich Panov offenbar nicht entscheiden, welcher Geschichtsstrang der wichtige ist. Immer wieder werden Neue angefangen, auf Kosten der Interessanten. Auch die Zuordnung eines Genres erweist sich als schwer, zu viele Elemente von Thriller über Humor bis Fantasy fließen in den Roman ein.

Es ist kaum möglich, zwischen all den Figuren einen Hauptcharakter zu finden. Zunächst scheint es Lubomir selbst zu sein, aus dessen Sicht erzählt wird. Der Leser lernt ihn kennen, seinen Groll gegenüber allen und seine Pläne. Nach seinem Angriff auf den dunklen Hof, schwenkt der Autor plötzlich auf ein Mensch namens Cortes, der Lubomirs Plan, an das Artefakt zu gelangen, durchkreuzt. Kurz darauf – inzwischen im zweiten Drittel angelangt – kreuzt Artjom seinen Weg und ist er es, der im Zentrum steht. Besser wäre es gewesen, wenn der Autor sich dafür entschieden hätte, ihn früher einzuführen und hauptsächlich ihn in den Mittelpunkt zu stellen. Immerhin ist er als Außenstehender in einem Krieg, der ihn nicht betrifft, die beste Identifikationsfigur für den Leser. Stattdessen konzentriert sich der Autor im weiteren Verlauf dann auch noch immer mehr auf Santiago.
Trotz der hohen Zahl an Charakteren bleiben diese nicht oberflächlich oder platt. Jeder hat etwas Wichtiges zum Verlauf der Geschichte beizutragen. Die Charakterzeichnung stimmt bei allen. Ebenso wenig gibt es eine strenge Aufteilung zwischen Gut und Böse. Die Grenze existiert wie im echten Leben fast gar nicht. Jeden treibt der Wunsch nach dem eigenen Wohlergehen an.

Wie seine Landsmänner springt Panov nicht von einer Actionsequenz zur nächsten, sondern lässt sich viel Zeit für Informationen, Dialoge und Story. Er bedient sich einer komplexeren Sprach unter Verwendung vieler Adjektive und verhältnismäßig langer Sätze. Trotzdem hat „Die Verborgene Stadt“ keine nennenswerten Längen. Die sparsam verteilten Portionen Humor frischen die dialoglastigen Passagen weiterhin auf.


Fazit

„Die Verborgene Stadt“ ist ein Fantasyroman, wie ihn offenbar nur die Russen verfassen können. Mystische Figuren und die Realität, wie wir sie heute kennen, sind nah beieinander und gekonnt zusammen verflochten. Der Vergleich zur „Wächter“-Reihe ist angebracht, im direkten Vergleich muss sich Panov aber geschlagen geben.


Pro und Kontra

+ russische Fantasyelemente
+ Charaktere sind stimmig

- keine richtige Hauptperson
- unnötige Geschichtsstränge

Beurteilung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 4/5


Rezension zu Metro 2033