Markus Förster (16.09.2010)

Interview mit Markus Förster

Literatopia: Hallo Markus! Dieses Jahr ist Deine Gedichtsammlung „Ich suchte Glück und fand nicht mal Liebe“ erschienen. Wieso hast Du gerade diesen Titel ausgewählt? Was bedeuten er und das zugehörige Gedicht für Dich?

Markus Förster: Ich habe wohl diesen Titel gewählt, weil er all jene Elemente „benennt“ die maßgeblich für das Gesamtkonzept des Buches sind: Suchen, Finden und Scheitern. Jene Handlungen scheinen mir essentiell für das menschliche Leben zu sein. Nur leider ist in unserer heutigen Gesellschaft das Scheitern nicht mehr erlaubt, was gravierende Negativfolgen für unser Zusammenleben mit sich bringt. Scheitern sollte wieder gesellschaftsfähig gemacht werden und erlaubt sein. Denn nur wer wagt, kann auch wirklich gewinnen.

Im Vergleich zu meinem ersten Buch „Bildbetrachtungen“ ist „Ich suchte Glück …“ wohl wesentlich persönlicher ausgefallen. Schlussendlich entstand das Buch auch über einen Zeitraum von fünf Jahren, in denen ich viel Gefunden, aber oft auch Gescheitert bin. All dies ist mehr oder minder offen im Buch nachzulesen. Sozusagen eine literarische Prostitution meines Seelenlebens.

Literatopia: Deine Lyrik lebt von einem Spiel mit bildgewaltigen Metaphern und teilweise sehr harten Ausdrücken. Wie hat sich dieser Stil bei Dir entwickelt? Setzt Du bewusst auf provozierende Worte?

Markus Förster: Wie sich dieser Stil entwickelt hat ist schwer zu sagen. Ich denke, dass ich so am ehesten das Menschsein abbilden kann. Es gibt nicht nur Schwarz und auch nicht nur Weiß. Und so sind meine Gedichte auch unterschiedlich gehalten: Texte zwischen „wunderweltenküssend“ und „Nachttraumwelten“, aber auch bewusster Provokation und Aphorismen wie: „98 % der Deutschen werden von mir verachtet, die restlichen 2 % sind mir egal.“ Provokation ist wohl ein mir innewohnendes Bedürfnis. Schlussendlich gibt es viele Dinge die mich auch gegenwärtig (literarisch) wütend machen.

Literatopia: Auch viele Deiner Gedichte kann man getrost als provokativ bezeichnen. Sei es im politischen, gesellschaftlichen oder auch persönlichen Sinne. Schwingt bei der Entstehung Deiner Werke ein klein wenig die Hoffnung mit, andere Menschen mit Deinen Worten zum Nachdenken zu bewegen?

Markus Förster: Sicherlich mag dies ein Ziel sein, was man sich als Verfasser von Texten setzt. Nichts desto trotz muss ein jeder selbst entscheiden, wie viel er sich von jenen Inhalten annimmt. Nicht jeder muss zum Beispiel mit mir übereinstimmen, dass die Körperwelten-Ausstellung aus ethischem Geschichtspunkt zutiefst fragwürdig ist. Müssen plastinierte Menschen beim Ausführen einer sexuellen Handlung ausgestellt werden? Diese Frage stelle ich in meinen Texten, die Antwort soll jedoch ein jeder Leser selbst für sich finden.

Literatopia: Die meisten Deiner lyrischen Ergüsse lassen sich in kein metrisches Korsett zwängen, auch Reime findet man vergleichsweise selten. Hast Du schon immer so frei geschrieben? Und was hältst Du von Gedichten mit strengem Reimschema und fester Metrik?

Markus Förster: Meiner Meinung nach sucht sich ein jeder Text seine dazugehörige Form. Doch, ja ich schreibe gern reimfrei. Solche stilistischen „Vorgaben“ würden mich wohl auch zu sehr im Prozess des Schaffens einschränken.
Es ist aber sehr interessant zu beobachten, wie dogmatisch der Begriff Gedicht in manchen Literaturforen gefasst wird. Alles was nicht Gereimt und Form gebracht ist, wird aus dem Forum verbannt. Na ja, vielleicht eine moderne Form der Selbstzensur?

Literatopia: Wer hat die Innengestaltung des Lyrikbands übernommen? Und wie viele eigene Ideen von Dir stecken in der Optik mit drin?

Markus Förster: Die grafische Gestaltung hat erneut Tino Kreßner von der medien-wg übernommen. Ich hatte mit ihm bereits bei meinem ersten Buch zusammengearbeitet. Wir haben uns also wieder für 24 Stunden in seinem Büro eingeschlossen, das gesamte Layout entwickelt und gesetzt. Ein Großteil der Ideen entsteht somit gemeinsam während der Arbeit, wobei ich natürlich die letzte Entscheidungsgewalt besitze. Schlussendlich zahle ich seine Rechung. Dennoch gefällt mir diese Arbeitsweise, da ich so relativ unabhängig von anderen Personen und Ideen bleiben kann.

Literatopia: Welchen Stellenwert hat Lyrik Deiner Meinung nach in unserer modernen Zeit? Viele Teenager versuchen sich an Gedichten, einen Lyrikband im Regal haben nur noch wenige. Täuscht der Eindruck oder werden Gedichte auch etwas „belächelt“?

Markus Förster: Die Frage ist doch, ob Lyrik jemals in hohem Maße populär war? Wohl eher weniger! Nimmt man einmal die heute so populären, expressionistischen Lyriker. Sie konnten zumeist nicht von ihrem literarischen Schaffen leben, geschweige denn, das sie damals immens hohe Auflagen ihrer Werke verkauft hätten.

Natürlich fällt es heutzutage schwer sich mit lyrischen Texten auf dem Literaturmarkt durchzusetzen. Doch liegt dies weniger daran, dass es sich um Gedicht handelt, sondern vielmehr das es ein Überangebot an Büchern gibt. Wobei ein Großteil nicht gerade gehaltvoll ist, sondern einfach nur schlecht. Books on demand sei dank das heute eine jeder seinen geistigen Abfall veröffentlichen kann!

Literatopia: Für Deine Lyrik hast Du bereits verschiedene Preise erhalten. Bedeuten Dir solche Auszeichnungen etwas? Oder sind sie mehr oder weniger „belanglos“?

Markus Förster: Es wäre wohl verlogen, wenn ich sagen würde, dass man sich überhaupt nicht über einen solchen Preis freut. Im Gegenteil, ich bin natürlich stolz auf jedwede fremdseitige Anerkennung. Sei es ein Literaturpreis, sei es eine positive Buchrezension.

Literatopia: 2008 entstand in Zusammenarbeit mit Oswald Henke das Theaterstück „ZeitenWände“. Worum dreht es sich?

Markus Förster: Ich glaube, dass ich dies nicht in Kurzform beantworten kann. Ich erinnere mich jedoch an einen Satz aus dem Stück der versuchte alles Gezeigte zusammen zu fassen: „Es geht nur um die alltäglichen Boshaftigkeiten im Leben geht: Mord, Folter, Totschlag, Schönheitsoperationen, Lügen, Verbrechen, Diskussionen, Politik und…?“ Mh, klingt sehr düster. War es wohl auch. Jenes Theaterstück wird dennoch immer ein wichtiger Teil meiner Vergangenheit sein. Schlussendlich habe ich währenddessen und im Nachgang eine Vielzahl von Menschen kennen lernen dürfen, die wiederum mein Leben nachhaltig beeinflussten bzw. beeinflussen.

Noch dazu war es natürlich eine der größten künstlerischen Herausforderung der ich mich gestellt habe. Oswald Henke und ich haben das Theaterstück ja nicht nur geschrieben, sondern auch selbst finanziert, inszeniert, haben mitgespielt sowie sämtliche logistischen Planungen übernommen. Bei einem Stück dieser Größenordnung, war dies keine leichte Aufgabe.

Literatopia: Die Uraufführung fand im Leipziger Schauspielhaus statt. Warst Du sehr nervös vor der ersten Vorstellung? Und wird das Stück heute noch aufgeführt?

Markus Förster: Natürlich ist man nervös, wenn das eigene geistige Kind nach über anderthalb Jahren Entstehungszeit erstmalig das Licht der Welt erblickt. Schlussendlich weiß man ja auch, dass Geburten nicht immer schmerz- bzw. komplikationsfrei ablaufen. Wir hatten jedoch Glück, es lief (fast) jede Vorstellung ohne größere Probleme ab. Nichts desto trotz war uns von Beginn an klar, dass wir es bei den vier Aufführungen im Schauspielhaus belassen werden. Nicht nur aus organisatorischen und finanziellen Gründen. Oswald Henke und ich vertreten in dem Punkt eine sehr ähnliche Auffassung: Künstlerische Produkte müssen nicht zu jedem Zeitpunkt und zum möglichst geringsten Preis vorhanden sein. Jeder hatte die Chance das Theaterstück „ZeitenWände“ zu sehen. Wer diese nicht genutzt hat, hat jetzt halt einfach Pech.

Literatopia: 2005 startete deine Kolumne „politischbedenklich“. Ist sie dies tatsächlich? In welchen Webzines kann man sie lesen? Und welche Themen behandelst Du darin? Hauptsächlich Politik oder doch „alles Mögliche“?

Markus Förster: Anfangs wollte ich die Kolumnenserie streng auf politische Themen ausrichten. Doch habe ich davon sehr schnell wieder Abstand genommen und begonnen über alles Mögliche zu schreiben: Angefangen von Alkopops bis hin zu sozialterroristischem Verhalten von Menschen. Seit zwei Jahren habe ich die Kolumnenserie jedoch auf Eis gelegt. Mittlerweile verstehe ich „politisch bedenklich“ eher als eine Art Literaturprojekt, an dem sich zukünftig auch gern mehrere Schreiber beteiligen können.

So habe ich zum Beispiel vor im kommenden Jahr eine Gothic-Lyrikanthologie im Eigenverlag herauszugeben. Hierfür suche ich gerade talentierte TexterInnen/SängerInnen aus dieser Szene, die Lust haben sich an diesem Projekt zu beteiligen. Anstoß hierfür war, dass ich zuletzt ein Buch gelesen habe, in dem neben Liedtexten von Bands wie Lacrimosa Gedichte von Gottfried Benn, William Blake und so weiter abgedruckt wurden. Ich frage mich was das eigentlich soll. Was hat bitteschön Benn mit Gothic-Liedtexten zu tun. Hier werden Dinge zusammengedacht, die für mich keinen Sinn ergeben. Viel interessanter scheint mir da eine Gothic-Lyrikanthologie zu sein, die eigens von ihren Machern und Köpfen verfasst wird. Man braucht dazu keine Fülltexte aus der literarischen Vergangenheit, sondern sollte vielmehr das kreative Potential der Gegenwart nutzen.

Literatopia: “Markus Förster liest seine Texte nicht, er lebt sie auf der Bühne. Was als Lesung angekündig wird, ist alles andere als eine solchige. Dennoch, es lohnt sich!” schrieb die AZ 2008. Wie genau sehen Deine Lesungen aus? Was tust Du, um Dein Publikum zu fesseln?

Markus Förster: Es fällt mir schwer meine eigenen Lesungen zu beschreiben. Ich versuche jeden Text irgendwie auch auf der Bühne visuell umzusetzen. Deshalb gehe ich auch immer mir zwei großen Koffern auf Lesetour, indem sich Süßigkeiten, Spielzeug, Alkopops, Handpuppen, ein Megaphon und vieles mehr befinden. Auch ist das Publikum natürlich nie gefeit selbst eine kleine Rolle spielen zu müssen. Das ganze ist wohl eher eine improvisierte Lese-Performance, anstatt Lesung. So gehe ich nie mit einem vorgefertigten Konzept auf die Bühne. Man muss vielmehr auf der Bühne erfühlen, was für ein Publikum vor einem sitzt und danach entscheiden, was man liest. Noch dazu, wenn nicht ein jeder Text schon für die Ohren zum Beispiel eines 11jährigen gemacht ist. Hier hat man als Auftretender eine nicht zu unterschätzende Verantwortung gegenüber seinen Zuhörern.

Literatopia: Kommen nach den Lesungen öfter mal Leute zu Dir und wollen noch mit Dir sprechen? Dich loben oder vielleicht die ein oder andere kritische Anmerkungen anbringen? Und wie sieht es allgemein mit Feedback seitens Deiner Leser aus?

Markus Förster: Ja, das kommt häufig vor und ich muss sagen, egal ob lobende oder kritische Anmerkung, dass ich solche Gespräche immer sehr genieße. Es ist wirklich spannend zu erfahren, wie nahe oder entfernt voneinander die Interpretationen mancher Texte sind.

Literatopia: Letztes Jahr warst Du auf einer mehrtätigen Lesetour in Russland. Wie können wir uns das vorstellen? Hast Du Deine Werke auf Deutsch vorgetragen? Oder hattest Du einen Übersetzer dabei?

Markus Förster: Russland war ein einziges Abenteuer. Ich wurde im Rahmen der Deutschen Tage in Kazan von der dortigen Universität und dem Moskauer Goethe Institut eingeladen, meine Texte an Schulen und Orten wie die tatarische Nationalbibliothek vorzutragen. Schlussendlich blieb ich über eine Woche in Kazan und jene Tage gehören zu den schönsten Erinnerungen, die ich mit meinem literarischen Schaffen verbinde. Sicherlich wird dies auch nicht der letzte literarische Abstecher nach Russland gewesen sein. Zumindest gibt es schon Pläne für eine Neuauflage einer solchen Lesetour.

Literatopia: „Ich suchte Glück und fand nicht mal Liebe“ wie auch andere Lyrikbände von Dir sind im Eigenverlag erschienen. Wieso hast Du Dich entschieden, Deine Werke selbst herauszugeben? Welche Vorteile ergeben sich daraus für Dich als Autor? Und würdest Du grundsätzlich jedem dazu raten?

Markus Förster: Mittlerweile würde ich wohl eher davon abraten, da gerade die Frage des Vertriebes eine sehr schwer ist. Man sollte jedoch nicht den Fehler machen sich irgendwelchen books-on-demand Verlagen anzuschließen. Dort zählt zumeist weniger die literarische Qualität, als eher die Möglichkeit des Geldverdienens.

Ich selbst werde wohl ausschließlich meine Bücher im Eigenverlag herausgeben. So bleibe ich in höchstem Maße unabhängig, was ich sehr genieße. Hätte ich zum Beispiel „Ich suchte Glück…“ in jenem Verlag publiziert, mit dem ich lange Gespräche geführt habe, wären einige Texte nicht abgedruckt worden. Des Weiteren hätte man aus Kostengründen auf eine grafische Gestaltung des Innenteils verzichtet. Irgendwann blieb mir dann nur zu sagen: „Entschuldigen sie, dies ist unter den Umständen dann nicht mehr mein Buch, ich danke für den Kaffee und nehme von einer Veröffentlichung in ihrem Verlag Abstand.“

Literatopia: Wie wird es 2011 mit Dir weitergehen? Sind weitere Theater-Projekte geplant oder bereits in der Entstehung? Und wirst Du der Lyrik treu bleiben?

Markus Förster: Vielleicht werde ich mit Oswald Henke wieder ein gemeinsames Projekt angehen. Dies steckt jedoch noch in den Kinderschuhen, sodass es noch nicht lohnt viel darüber zu erzählen.

Neben dem suche ich derzeit nach Mitstreitern für die geplante Gothic-Lyrikanthologie. Am konkretesten sind jedoch die Pläne für mein neues Buch das den Arbeitstitel „Gewaltbereit“ trägt. Dieses soll im Frühjahr 2011 erscheinen und wie der Titel wohl schon erahnen lässt, wird dieses Buch äußerst provokativ ausgelegt sein. Schlussendlich werden sämtlich Prosa- und Lyriktexte des Buches einzig und allein das menschliche bzw. gesellschaftliche Scheitern thematisieren. Diesmal werde ich also meiner ganzen (literarischen) Wut freien Lauf lassen.

Literatopia: Herzlichen Dank für das Interview, Markus!

 

 


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Rezension zu "Ich suchte Glück und fand nicht mal Liebe"

Interview mit Oswald Henke (Oktober 2008)


Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.