Sieben Doppelgänger (Rafik Schami)

 

 

 

Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2001

165 Seiten

ISBN-10: 3423129360

ISBN-13: 978-3423129367

Preis: 8,50 € (D)

Satire

 

 

Vom Lachen, das oft in einer Falte des Ernstes schlummert

 

„In Dankbarkeit allen Buchhändlerinnen und Buchhändlern, die jemals einen Erzählabend mit mir veranstaltet haben, sowie allen, die jemals einen solchen ins Auge gefasst haben, aber nicht realisieren konnten. Damit sie erfahren, warum ich zur Zeit nicht mehr reise – weil alles, wovon ich im Folgenden erzähle, passieren kann, wenn ein Autor nicht gelernt hat, rechtzeitig nein zu sagen.“

 

Diese Widmung eröffnet das Buch und schnell wird klar, welchen Bezug der Inhalt dazu hat. Denn Hauptperson ist Rafik Schami selbst, ein Schriftsteller, der das Erzählen vor Publikum liebt, so sehr, dass er nach eigenem Bekunden danach süchtig geworden ist. Diese Liebe beruht augenscheinlich auf Gegenseitigkeit, denn mit seiner orientalischen Art erzählt er sich in die Herzen der Zuhörer, bis die Nachfrage nach seinen Lesungen endgültig jedes vernünftige Maß sprengt – und Rafik Schami kann nicht nein sagen. 139 Lesungen in einem Jahr, das laugt aus, das entkräftet; und bei aller Begeisterung für das gesprochene Wort kommt er doch gar nicht mehr zum Schreiben selbst. Da unterbreitet ihm plötzlich ein alter Freund, halb im Scherz, halb im Ernst, eine Idee: Warum keine Doppelgänger nehmen? Rafik Schami ist Feuer und Flamme und innerhalb kürzester Zeit stellt er tatsächlich das Projekt Doppelgänger auf die Beine. Sieben bleiben als harter Kern, sieben Männer, die er sorgfältig ausbildet, bis sie schließlich an seiner Stelle durch Österreich, Deutschland und die Schweiz reisen, um Lesungen zu halten. Endlich den treuen Anhängern gerecht werden und dennoch Zeit zum Schreiben zu haben – ein Traum scheint sich zu erfüllen. Doch bald schon machen die verschiedenen Persönlichkeiten Schwierigkeiten und es bahnt sich eine Katastrophe an, deren Ausmaß Rafik Schami viel zu spät erkennt ...

 

Sieben Zerrspiegel

                                      

Eine interessante Idee kann man dem Roman nicht absprechen, denn man versteht das Dilemma des Erzählers, der seinen Lesern nah sein will und dennoch Zeit für sich und seine Worte braucht. Und wünschen wir uns nicht selbst manchmal Doppelgänger, die uns einen Teil der Arbeit abnehmen, ungeliebte Pflichtübungen erledigen? In diesem Buch bleibt es nicht beim Wunsch, der Protagonist setzt den Plan umgehend in die Tat um – und dass das nicht funktionieren kann, liegt auf der Hand. Denn Sprachgewohnheiten lassen sich imitieren und Erscheinungsbilder fälschen, doch ein Charakter lässt sich nicht kopieren. Und diese Tatsache treibt Rafik Schami in seiner Erzählung auf die Spitze. Sieben Spiegelbilder meint er zunächst vor sich zu haben, doch die entpuppen sich als sieben Zerrspiegel, vom Paranoiker über den Charmeur und Verführer bis hin zum verhinderten Schriftsteller, der dem Protagonisten seinen Erfolg neidet und klammheimlich die Lesungen mit eigenem Material aufzubessern versucht. Trotz aller Überzeichnung bleiben die Charaktere allerdings flach und inkonsequent, da Rafik Schami sich immer wieder bemüht, die Karikaturen mit Talenten und Kontrasten auszustatten, die es umso schwieriger machen, die Figuren tatsächlich zu fassen zu bekommen, genauso wie das Gewirr aus Namen und Kürzeln – alle Doppelgänger sind von R1 bis R7 durchnummeriert.

 

Geschichtenknüpfen

 

Wer orientalische Erzählweisen erwartet, wird jedenfalls enttäuscht werden. Nur zeitweise blitzen ein paar blumige Vergleiche und unterhaltsam trockene Witze durch, nur stellenweise wird das Buch lebendig – die meiste Zeit bleibt es blass und bar jeder Atmosphäre. Auch sprachlich hat der Roman wenig zu bieten. Der Humor verliert sich im farblosen Fadengewirr, das viel zu viele lose Enden aufweist, da Rafik Schami permanent kleine Geschichten anreißt, die jedoch nicht ausreichend mit der Haupterzählung verflochten sind und mehr um ihrer selbst willen dazustehen scheinen. Einen Spannungsbogen wird man hier vergeblich suchen; das Werk gleicht eher einem Flickenteppich als einem zusammenhängenden Gewebe. Selbst gegen Ende, als alles zu eskalieren beginnt, wird viel Potential verschenkt; der Schluss wirkt angestückelt und konstruiert, auch wenn er einer gewissen absurden Komik nicht entbehrt.

 

 

Fazit

 

Ein Buch mit interessanter Grundidee und humoristischem Potential, das leider vollkommen an der Umsetzung scheitert. Es aus der Hand zu legen fällt nicht schwer, viel eher muss man sich zum Weiterlesen aufraffen – gut, dass es wenigstens vergleichsweise dünn geraten ist.

 

 

Pro und Contra:

 

+ Interessante Idee

+ Anflüge von Humor

 

- Flache, unentschlossene Charaktergestaltung

- Weder Spannungsbogen noch inhaltliche Kohärenz

- Sprachlich und erzähltechnisch blass

- Konstruiertes, überzogenes Ende

 

 

Bewertung:

 

Handlung: 2/5

Charaktere: 1/5

Lesespaß: 1/5

Preis/Leistung: 2/5