Die linke Hand Gottes (Paul Hoffman)



Goldmann (Mai 2010)
Paperback, Klappenbroschur, 480 Seiten
ISBN: 978-3442312320
€ 17,95 [D]

Genre: Fantasy


Klappentext

Sie nennen ihn Cale. Er ist der Engel des Todes. Seine Geschichte beginnt in einer Festung der Angst und Unterdrückung. Wo sie endet, weiß nur er ...

Das heilige Kloster des Erlöserordens ist ein trostloser Ort, an dem Hoffnung und Freude unbekannt sind. Wer hierhergebracht wird, für den hat das Leben ein Ende. Die jungen Novizen, die diesen höllischen Ort betreten, müssen das schreckenerregende Regime der Mönche ertragen. Gewalt und Grausamkeit stehen an erster Stelle.
Thomas Cale ist einer dieser unglückseligen Klosterschüler. Schon lange hat er seinen richtigen Namen vergessen. Jetzt nennen sie ihn Cale. Er kann sich an sein früheres Leben nicht wirklich erinnern, und er weiß nicht, was ihn noch alles erwarten wird. Aber eines weiß er: Niemals werden sie ihn unterkriegen. Seine Zeit wird kommen, und dann wird er sich rächen ...


Rezension

Jedes Kind, das hinter die Mauern der Erlösermönche gebracht wird, hat seine Kindheit an der Pforte abgegeben. Schlechtes Essen, irrsinnige Disziplin und brutale Strafen, die nicht selten mit dem Tode enden, erwarten sie stattdessen. Die Mönche dulden keine Fragen, keine Widerworte und keine Gefühle. Thomas Cale hat es sogar noch schlimmer erwischt als die anderen. Unter der Aufsicht Boscos, dem Kriegsmeister, wird er für alles geschlagen: für seinen Stolz, seine Überheblichkeit oder nur einen vermeintlich falschen Gesichtsausdruck. Doch Cale lässt alles über sich ergehen, er kennt es nicht anders. Erst als er den bestialischen Mord an einem Mädchen beobachtet, den einer der Ordensbrüder begeht, wallen in ihm ungeahnte Gefühle auf. Kurzerhand tötet er den Mönch, rettet ein weiteres Mädchen und ist gezwungen, zusammen mit zwei weiteren Jungen und dem geretteten Mädchen zu fliehen. Schließlich landen sie in Memphis, einer pompösen Stadt, in der Ungeahntes die Gruppe erwartet.

Die Geschichte spielt in einer Welt, die der unseren mittelalterlichen sehr ähnelt. Zumindest bedient sich Hoffman existierender Länder wie z.B. Ungarn. Er verzichtet auch auf Fabelwesen oder Völker, die aus Tolkiens Universum stammen. Lediglich Thomas Cale umgibt eine mystische Aura, die erst im Laufe des Buches erklärt wird.
"Die linke Hand Gottes" fängt sehr brutal an. Als Cale den Mord an dem Mädchen mit eigenen Augen sehen muss, erreicht das Buch den Höhepunkt der Grausamkeit. Nach seiner Flucht flacht die Story leider ein wenig ab. Auf große Action wird vorerst verzichtet, dafür werden die Charaktere vertieft. Im letzten Drittel wird das Tempo aber stark angezogen und der Roman rast auf ein gelungenes Ende zu.

Thomas Cale ist nur schwerlich eine Identifikationsfigur. Durch die furchtbaren Strafen Boscos ist er ein fast emotionsloser Charakter. Er hat nie gelernt, sich besonders sozial zu verhalten. Zudem ist er erst dreizehn Jahre alt. Ein besonders schwieriges Alter für einen Jungen. Dennoch gelingt es ihm, sich etwas anzupassen, was es leichter macht, ihn zu mögen. Im nächsten Moment verhält er sich aber so blutrünstig, dass sich das Mitgefühl wieder relativiert. Aber Cale ist ein Resultat von Misshandlungen. Zu jeder Zeit verhält er sich nachvollziehbar und so wie man es vermuten würde, aber eben nicht eines "Helden" würdig.
Dafür sind die anderen Charaktere sympathisch. Allen voran Cales Freunde Vague Henri und Kleist. Henri ist der Einzige, der Cale zumindest annähernd verstehen kann, und somit sein einziger Freund. Über ihn erfährt der Leser, warum man Cale mögen sollte. Während Kleist mit Cale nicht wirklich etwas zu tun haben will. Er sieht nur die Oberfläche seines Wesens und das, was ihn auch dem Leser schwer zugänglich macht.
Für einen Fantasyroman haben alle Charaktere eine beeindruckende Tiefe, keiner nimmt eine stereotype Stellung ein. Jeder hat Ecken und Kanten und seine eigenen Beweggründe für seine Handlungen.

Paul Hoffman ist kein Neuling in Sachen Schreiben. In erster Linie zeichnet er sich für die Kurzgeschichte "Die Weisheit der Krokodile" verantwortlich, die mit Jude Law in der Hauptrolle verfilmt wurde. Entsprechend routiniert und gekonnt ist seine Sprache. Selbst bei den Passagen, in denen Spannung gänzlich in den Hintergrund geschoben wird, gibt es keine Längen. Teilweise bedient er sich eines ungewöhnlichen Erzählstils. Er nimmt die Rolle des allwissenden Erzählers ein, was ihm ermöglicht auch die Gefühle der Figuren wiederzugeben, obwohl er genau genommen aus Cales Sicht schreibt. Ebenso ungewöhnlich ist, dass ganze Ereignisse in nur wenigen Seiten zusammengefasst werden und stark die indirekte Rede verwendet wird. Solche Stilmittel passen sehr gut zu den einzelnen Situationen und verhindern eine wiederkehrende Monotonie.

"Die linke Hand Gottes" ist der Auftakt in eine dreiteilige Reihe. Paul Hoffman nimmt sich viel Zeit für seine Charaktere und die Schilderung des Warum. Warum ist Thomas Cale so, wie er ist? Spendiert dabei aber bereits einen guten Vorgeschmack darauf, was den Leser der Schlusswendung nach zu urteilen in den voraussichtlich grandiosen Folgebänden erwartet.


Fazit

"Die linke Hand Gottes" eröffnet grandios die Trilogie mit einer spannenden und durchdachten Story und mit sehr gut gezeichneten Charakteren. Für jeden Fantasyfan eine Pflichtlektüre.


Pro und Kontra

+ sehr gelungene Charaktere
+ interessante Story, die gerade erst begonnen hat
+ stilistische Erzählmethoden
+ abgeschlossene Geschichte mit genialem Potential für den weiteren Verlauf
+ schönes Cover

o erster Teil einer Reihe
o Erwachsenenkost wegen hoher Brutalität

- Mittelteil flacht etwas ab
- erhöhter Preis (lohnt aber dennoch)

Bewertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 3,5/5


Rezension zu Die letzten Gerechten (2)