Todesreigen (Jeffery Deaver)

Wilhelm Goldmann Verlag, München 2005
480 Seiten
ISBN-10: 3442459427
ISBN-13: 978-3442459421
Preis: 8,95 € (D)
16 Kriminalkurzgeschichten

Von Gut und Böse und dem Kontrakt mit dem Leser

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„Schriftsteller haben einen Vertrag mit ihren Lesern, und ich würde es mir nicht erlauben, sie ihre Zeit, ihr Geld und ihre Gefühle in einen langen Roman investieren zu lassen, um sie am Ende mit einem trostlosen, zynischen Schluss zu enttäuschen.

Bei einer dreißigseitigen Kurzgeschichte dagegen gelten keine Regeln.

[...] Kurzgeschichten sind wie die Kugeln eines Heckenschützen. Schnell und vernichtend. In solch einer Geschichte kann man aus dem Guten Böses und aus dem Bösen noch Böseres machen, und was am meisten Spaß macht: aus wirklich Gutem wirklich Böses.“ – aus dem Vorwort

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Sechzehn Kurzgeschichten, in denen Jeffery Deaver die Täuschungskunst erforscht: Eine Frau, die ein neues Leben beginnen will – und deren Date sich als Mörder entpuppt. Ein Überfall, der aus dem Ruder läuft. Ein Psychiater, der es satt hat, die Problemchen der Oberschicht zu therapieren und dem prompt genau das unterkommt, wonach er gesucht hat. Ein Model, das von einem Stalker so lang zermürbt wird, bis es radikale Maßnahmen ergreift. Eine folgenreiche Begegnung an der Tankstelle. Zwei Polizisten, die es mit dem Zeugenschutz nicht so genau nehmen. Ein geplanter Eifersuchtsmord. Ein Sohn, der seinen Vater rächen will. Ein von Vorahnungen überschatteter Angelausflug. Eine geraubte Stradivari. Ein rechtlich perfekt abgesicherter Verbrecher. Ein paranoider Ehemann. Eine verschwundene Mutter. Transzendente Liebe. Eine Witwe, die Hilfe vom Himmel erfleht – und erhält. Und schlussendlich ein Vater, der seine Tochter vollkommen behütet aufwachsen lassen will und dem ein Strich durch die Rechnung gemacht wird.

Keine Sorge – ich verrate nicht zuviel. Nur, dass der Autor wie versprochen den Vertrag mit seinen Lesern immer wieder bricht ...

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„Twisted“

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Heckenschützenkugeln sind diese Geschichten nicht, eher Kameraeinstellungen, die den Leser subjektiv interpretieren lassen und damit konsequent in die Irre führen. Der Titel der Originalausgabe, „Twisted“, ist da wesentlich passender als „Todesreigen“ – mit Twists hat Jeffery Deaver ja Übung und auch hier spart er nicht daran. Während manche Geschichten nur eine Wendung aufzuweisen haben, sind es bei anderen bis zu vier, die den Leser an der Nase herumführen. Versteckte Schlingen oder auch konsequente Täuschung über die wahren Umstände: Beides beherrscht Deaver zweifellos, allerdings wird auch dies nach einer Weile zur Gewohnheit.

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Berechenbare Unberechenbarkeit

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Ob man Deavers Vorliebe für unerwartete Wendungen kennt oder nicht, einigen Geschichten gelingt es tatsächlich, absolut zu überraschen. Namentlich erwähnt seien hier „Das Ferienhaus“ und „Dreieck“, die ich persönlich als am gelungensten empfinde, aber auch „Der Fluch der Schönheit“, die mit einem unkonventionellen Entschluss aufwartet, sowie „Ein Leben ohne Jonathan“, mit der Deaver ebenfalls noch ein guter Twist gelingt, vielleicht auch, weil sie die erste Geschichte ist. Denn nach einer Weile tritt der Gewöhnungseffekt ein, die Unberechenbarkeit wird berechenbar; im Grunde ist hier auch das Überraschungsmuster wenig abwechslungsreich gestrickt. Seine Charaktere bleiben die meiste Zeit blass und gewissermaßen amerikanische Abziehbilder; die einzige Geschichte, die in England spielt, enttäuscht diesbezüglich ebenfalls – trotz des Auftrittes von William Shakespeare höchstpersönlich. Auch betreffend Stil und Sprache sind keine Besonderheiten zu erwarten. Deaver schreibt sicher, aber konventionell und leicht verdaulich, ein Umstand, der mich beim Lesen leicht zu langweilen begann.

 


 

Fazit

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Nichts Herausragendes, allerdings leichter und unterhaltsamer Lesestoff für zwischendurch, am besten nicht in einem Stück, um der Gewöhnung vorzubeugen und die Überraschung zu erhalten. Wer stilistisch und sprachlich keine hohen Ansprüche stellt, sondern sich ab und zu gern ein paar Lesehappen mit angenehmen Twists und manchmal einem kleinen Schauder genehmigen möchte, der ist hier gut bedient. Ideal als Sommerlektüre am Strand.


Pro und Contra:

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+ Teilweise wirklich überraschend

+ Gut durchdachte Geschichten

+ Gelungene „Kameraführung“, die den Leser in die Schlinge tappen lässt

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o Sprachlich und stilistisch ohne Besonderheiten

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- Gewöhnungseffekt

- Flache Charaktergestaltung

- Insgesamt wenig spektakulär

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Extras:

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~ Vorwort des Autors

~ Kurzgeschichte mit dem beliebten Ermittlerduo Lincoln Rhyme und Amelia Sachs

 

Bewertung:

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Handlung: 3/5

Charaktere: 2/5

Lesespaß: 2,5/5

Preis/Leistung: 3/5

 


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Jeffery Deaver:

Rezension zu Die Menschenleserin
Rezension zu Der Täuscher
Rezension zu Allwissend
Rezension zu Der Knochenjäger
Rezension zu James Bond – Carte Blanche
Rezension zu Wahllos