Rabenmond (Jenny-Mai Nuyen)

cbt (April 2010)
Taschenbuch, Broschur
Seiten: 512, 14,95 EUR [D]
ISBN: 978-3-5703-0670-3

Genre: Fantasy


Klappentext

Seit sich die Tyrannen von Wynter der dunklen Magie des Rabenmonds bedienen, können sie die Gestalt von Tieren annehmen und sind unsterblich. Ihre grausame Herrschaft scheint für die Ewigkeit – bis Lyrian, der Thronfolger, sein Herz an das Ruinenmädchen Mion verliert. Denn Mion ist gekommen, das Schicksal der Welt zu verändern…


Rezension

Drachen regieren das Land von Wynter. Sie sind rätselhafte Wesen, die sowohl menschliche Gestalt als auch die von Tieren annehmen können. Das macht sie unsterblich. Doch nicht nur diese Tatsache macht sie zu den Königen: Drachen habe keine Gefühle. Diese Fähigkeit gibt ihnen die Möglichkeit, gerecht zu herrschen, nur logische Konsequenzen zu ziehen und am Wichtigsten, die Menschen vor sich selbst zu schützen. Um dieses Ziel zu erreichen, gehen sie wenn nötig über Leichen. Lyrian, der Prinz der Drachen, möchte dieser kalten Welt, die bald von ihm regiert werden soll, entfliehen. Doch als er sich zur Flucht entschließt, wird diese jäh durch das Ruinenmädchen Mion unterbrochen, welches ihn in einer seiner Tiergestalten erschießt und ihm so eines seiner kostbaren Leben raubt. Auf dieses Verbrechen steht die Todesstrafe. Mion weiß, dass sie verloren ist, doch kurz vor ihrer Hinrichtung wird sie von einem fremden Mann gerettet, der Großes mit der Drachentöterin vor hat.

Rabenmond ist auf seine Weise ein Roman, dessen Grundidee weniger mit Fantasy als viel mehr mit einem allgemeinen gesellschaftskritischem Drama gemein hat. Nuyen beleuchtet einerseits die verschiedenen Blickwinkel einer Diktatur, in der die Menschen absichtlich dumm gehalten werden, um Aufstände gegen das Regime zu verhindern. Zudem stellt sie die interessante Theorie auf, dass Menschen, die lieben, nicht fähig sind, gerechte und logisch nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen. Diese Aussage ist der Kerngedanke des Buches und wird sehr eindrucksvoll von allen Seiten beleuchtet. Andererseits geht sie stark auf zwischenmenschliche Beziehungen ein und scheut sich nicht, deren Abgründe zu zeigen. So stellt sich oft die Frage: Was bedeutet Freundschaft und Vertrauen und wo sind die Grenzen?

Die zwischenmenschlichen Belange werden gut durch die verschiedenen Charaktere wiedergegeben. Da ist zum einen Lyrian, der Prinz der Drachen, der in seinem Leben nie etwas anderes gesehen hat als den Palast. Er möchte aus dieser steifen Umgebung ausbrechen. Schnell kristallisiert sich heraus, dass er einen absolut naiven Blick auf die Welt hat, der aber mit der Zeit immer abgeklärter wird, umso mehr er sich mit den Menschen beschäftigt. Lyrian verbringt viel Zeit mit Baltibb, einer Bediensteten, die unter der unerhörten Liebe zu ihm leidet.
Zum anderen gibt es Mion, die in äußerst ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und sich plötzlich in der reichen Welt der Gildenmeister wiederfindet. Mion ist dankbar, das Leben auch mal von seiner schönen Seite kennenzulernen, doch stellt sich bald Langeweile ein. Sie gerät in eine Dreiecksbeziehung mit Jagu, ihrem Meister, und Faunia, einem zweiten Lehrling, die geprägt ist von Drogensucht, Verzweiflung, Lügen, Wahnsinn und nicht zuletzt Hörigkeit. Jenny-Mai Nuyen hat es geschafft, die vielen Facetten der Protagonisten darzustellen, ohne Angst davor zu zeigen, auch ihre persönlichen Abgründe zu offenbaren. So sind deren Handlungen nicht immer positiv für den Leser, dies macht sie aber umso authentischer. Hervorgehoben wird das durch die unterschiedlichen Erzählperspektiven, die alle Geschichtsstränge beleuchten. Neben all dem vernichtenden Gefühlschaos entwickelt sich aber auch eine sehr schöne Liebesgeschichte zwischen Mion und Lyrian, die Licht ins Dunkel bringt, aber alles andere als einfach ist.

Wieder einmal überzeugt die Autorin durch einen sehr schönen metaphorischen Schreibstil, der den Leser sofort in seinen Bann zieht. Sehr detailreich werden die verschieden Schauplätze von der Ruinenstadt bis hin zum Palast dargestellt und auch die vielen unterschiedlichen Wesen erscheinen fantastisch. Die zeitliche Umsetzung, schätzungsweise 17. bis 18.Jahrhundert, gelingt ebenfalls einwandfrei und glaubhaft. Grundsätzlich ist Rabenmond auch sehr flüssig geschrieben, aber die starke Vertiefung der Charaktere im Mittelteil bringt den Lesefluss ins Stocken. Und obwohl das Buch in sich absolut schlüssig ist, sind doch manche Entscheidungen der Protagonisten nicht immer nachvollziehbar. Diese Kritikpunkte werden allerdings schnell durch ein spannendes und zum Teil grausames Ende vergessen. Wie auch schon bei anderen Romanen der Schriftstellerin wurde viel Wert auf die schöne Gestaltung des Covers gelegt, einzig eine Karte der erfundenen Welt wäre wünschenswert gewesen, um sich besser zurechtzufinden.


Fazit

Rabenmond von Jenny-Mai Nuyen ist ein gelungener Roman, der aber durch seine schwierige Thematik und die Vertiefung der Charaktere die Leichtigkeit eines Jungendfantasyromans verliert. Dies verleiht ihm aber eine ungeahnte Tiefe, die zum Nachdenken anregt.


Pro und Kontra

+ tiefgründige, authentische Charaktere
+ metaphorischer Schreibstil
+ spannungsgeladenes Ende
+ gesellschaftskritische Thematik
+ umfangreich beschriebene Welt

- teilweise Längen
- Fantasyaspekt geht unter
- teilweise unlogische Handlungen

Beurteilung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4,5/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5


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