Luna Park (Olivia Monti)

Verlag: Abentheuer, Juli 2010
Hardcover, 180 Seiten, € 17,80
ISBN: 978-3940650122

Genre: Phantastik / Jugendbuch


Klappentext

Es sollten tolle Ferien werden im Haus am See. Doch es ist die Hölle. Flure schrubben, Prügelstrafe, wässrige Erbsensuppe, verriegelte Türschlösser, Rede- und Handyverbot. Dugo, Brauni, Zaza und dem Kamel gelingt mitten in der Nacht eine abenteuerliche Flucht. Im nahegelegenen Luna Park suchen sie verzweifelt nach Hilfe. Doch in diesem Vergnügungspark wollen alle nur ihren Spaß haben, spielen und schlemmen, sich verlieren und amüsieren. Wer am Dauervergnügen keinen Spaß mehr hat, den bestraft der König des Luna Parks: Er verwandelt ihn in eine starre Figur in einem Ölgemälde. Ist man einmal im Park, kommt man nicht so leicht wieder hinaus. Entrinnt dem Terror nur, wer sich anpasst und mitspielt, oder, wer anderen hilft und auch sie zu retten versucht?

Blog zu Luna Park


Die Autorin

Olivia Monti wurde am 14. Juli 1968 als Findelkind in einem bayerischen Kloster erstmals registriert. Mit ihren Adoptiveltern begann ein unruhiges Reisen durch die Welt, von Ort zu Ort, von Hippiekommune zu Hippiekommune. Längere Aufenthalte gab es nur in Südfrankreich und der Toskana. 1984 verschwanden Olivias Eltern spurlos auf einer Amazonasreise. Die sechzehnjährige Monti kämpfte sich von Manaus in Brasilien alleine nach München durch, wo sie zum ersten Mal regelmäßig eine öffentliche Schule besuchen durfte. Sie studierte Soziologie, Philosophie und Biophysik und erforscht heute die vor 135 Millionen Jahren beginnende Entwicklung von Schmetterlingen. Zudem veröffentlichte sie Krimis und Romane und präsentiert hier ihren ersten phantastischen Roman, der 3D verfilmt werden soll.


Rezension

Es sollte ein schöner Sommer werden. Mal wieder über die Ferien abgeschoben von seinen Eltern macht Dugo sich mit einer Busladung voller Gleichgesinnter auf in ein Feriencamp am Starnberger See. Schon auf der Hinfahrt kommt ihm einiges seltsam vor. Sie dürfen im Bus nicht lachen und scherzen, selbst das Reden ist untersagt. Heimliche Blicke bestätigen ihm, dass auch die anderen Kinder irritiert sind. Noch macht sich aber keiner Sorgen, man ist höchstens unglücklich über die ausnahmslos unsympathischen Betreuer. Am Ferienort angekommen schlägt das Entsetzen dann mit aller Macht zu. Heruntergekommene Bauten, kahl, abgerissen, dreckig und höchst renovierungsbedürftig, dazu miserables Essen, zu wenig, zu eintönig und sehr dürftig - soll das wirklich ein Feriencamp sein? Wenn ja, was hat Dugo nur verbrochen, um dort zu landen? Eingepfercht auf engstem Raum mit zwei weiteren Jungen, Brauni und dem Kamel, zur Nacht sogar eingesperrt, ist Dugo wirklich ratlos. Im Nebenzimmer ist Zaza eingesperrt, alleine und verzweifelt. Glücklicherweise können sie sich durch eine Klappe in der Verbindungswand unterhalten, allerdings nur sehr leise, denn die Aufpasser sind hellhörig und überall, ihre Bestrafungen grausam.

Schon am nächsten Tag geht es dann zum Ferienvergnügen, Putzen auf höchstem Niveau. Gekleidet in große, abgerissene und hässliche Putzkittel darf jeder auf Knien mit einer Zahnbürste den Boden und die Wände schrubben, Aufmucken und Reden wird sofort gestraft, selbst Aufblicken ist höchst gefährlich. Zu trinken gibt es lediglich Leitungswasser und vom Essen nehmen sämtliche Nährstoffe Abstand. Beraubt aller persönlichen Dinge inklusive ihrer Würde werden die Kinder immer fügsamer und marionettenhafter, keiner redet mehr, keiner schaut den nächsten an. Nur Dugo und seine Freunde bilden eine kleine Oase, ihre nächtlichen Gespräche geben ihnen Energien zurück, um den nächsten Tag einigermassen heil überstehen zu können. Als Brauni eine Klappe in einer Wand entdeckt, ist die Aufregung groß. Möglicherweise eine Fluchtmöglichkeit? Tatsächlich entpuppt sich die Klappe zu einem Ausgang, alle vier können fliehen und landen in einem Park, völlig gegensätzlich zu ihrem vorherigen Gefängnis. Ein Rummelplatz der höchsten Qualität - und alles im Preis inbegriffen. Essen, Trinken und Vergnügen - ein wahres Schlaraffenland. Der Besitzer des Lunaparks, der sich selbst König nennt, begrüßt sie höchstpersönlich auf seinem Schloss. Er gibt ihnen zwei Tage Zeit, um die Schlupflöcher zu finden, durch die man den Park wieder verlassen kann. Will man das überhaupt? Was spricht dagegen, sich sein restliches Leben lang zu amüsieren und in Saus und Braus zu leben? Fehlende Erwachsene sind nicht wirklich schlimm, man muss nichts mehr lernen und keiner zwingt einen, Broccoli zu essen und früh ins Bett zu gehen. Warum schauen die Kinder auf den Comicbildern im Schloss aber alle so traurig aus? Ist es wirklich so ein Spaß, sich durchgehend zu amüsieren? Dugo kommen ernste Zweifel, mit denen er seine Freunde ansteckt. Das ist gar nicht so einfach, denn Verlockungen gibt es viel zu viele. Die Zeit verrinnt viel zu schnell und die vier Freunde müssen ihre ganze Energie darauf verwenden, einen Weg wieder hinaus zu finden. Nach und nach entdecken sie, was wirklich im Luna Park passiert.

Olivia Monti hat ein recht interessantes Buch geschrieben, in dem sie mit dem Verlangen von Kindern spielt, allen Zwängen zu entfliehen und ein Leben ohne Sorgen und Verpflichtungen zu leben. Ist es einem Kind bzw. Jugendlichen möglich, die Verlockungen zu erkennen, die hinter so einem Angebot stehen? Die Verantwortung wird zu gleichen Teilen auf die vier Freunde übertragen, jeder trägt seinen Teil dazu bei und alle helfen sich gegenseitig, den Verlockungen zu widerstehen. Es gibt keinen eindeutigen Anführer, dadurch wird die gegenseitige Freundschaft mehr gestärkt. Schon vorher verdeutlicht Monti, was Gruppenzwang ausmachen kann. Anstatt sich zusammenzurotten und sich gegen die Aufseher aufzulehnen, sind die Jugendlichen eingeschüchtert und ordnen sich fast kommentarlos der Terrorherrschaft unter. Zeit wird auf einmal völlig bedeutungslos, es zählt nur noch der Fluchtwille. In einer Phantasiewelt ist vieles möglich, zusammen mit den Comicfiguren entdecken die Kinder , worauf es wirklich ankommt, dass es manchmal besser ist, anderen einfach zu helfen, ohne selbst im gleichen Moment einen Nutzen daraus zu ziehen. Die Geschichte lässt einen nicht so schnell wieder los, man ist gefesselt und bangt mit den Vieren mit, ob ihnen die Flucht wohl wieder gelingt. Wollen überhaupt alle wieder fliehen? Für eine kurze Zeit können alle zwischen 11 und 111 in eine sorglose Welt abtauchen, in der die einzige Schwierigkeit darin besteht, sich zu entscheiden, welchen Spaß man als Nächstes begeht. Nicht abschrecken lassen sollte man sich von der angeblich geringen Seitenzahl, durch die Größe des Buches steht sehr viel auf den Seiten. Eschers Treppauf – Treppab ist eine hervorragende Wahl als Titelbild, spiegelt es doch die Vergeblichkeit und den unermüdlichen Einsatz der Jugendlichen wieder, die trotz aller Widrigkeiten nicht aufgeben und sich immer wieder gegenseitig ermuntern, nach Lösungen zu suchen.


Fazit

Einen fantastischen Roman für alle Altersklassen hat Olivia Monti geschrieben, ein jeder findet ein Stück von sich selber wieder. Die Schilderung der beiden Gegensätze – das Haus am See und Luna Park – ist gut gelungen, mit einfachen Worten bezaubert sie Jugendliche wie Erwachsene gleichermaßen. Das Spiel mit den Verlockungen lässt die Kindheit wieder vor dem geistigen Auge entstehen und insgeheim sollte sich jeder eingestehen, dass er im Luna Park im Ziel seiner geheimsten Wünsche angekommen ist. Ob das aber so erstrebenswert ist, sollte jeder nach der Lektüre wieder für sich selbst entscheiden.


Pro und Contra

+ stimmige Atmosphäre
+ tiefgründige Charaktere
+ fantastisches Setting
+ einfacher, aber packender Erzählstil
+ Entwicklung der Freundschaft

- stellenweise etwas langatmig
- über den König erfährt man zu wenig

Wertung:

Handlung: 3,5/5
Charaktere: 3,5/5
Lesespaß: 3,5/5
Preis/Leistung: 3,5/5