Tanya Carpenter (10.11.2010)

Interview mit Tanya Carpenter

Literatopia: Hallo Tanya! Schön, mal wieder mit Dir zu sprechen. Deine Ruf des Blutes-Serie hat inzwischen vier Teile und erscheint derzeit im Diana Verlag neu. Hast Du feststellen können, dass die Romane nun, da sie in einem größeren Verlag erscheinen, mehr Beachtung bekommen? Oder bekommst Du von der Resonanz auf die Neuveröffentlichung eher wenig mit?

Tanya Carpenter: Hallo Judith. Es freut mich, ein weiteres Interview für Literatopia geben zu dürfen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass durch Großverlage ein größeres Interesse auf einen Autor gelenkt wird. Allein dadurch, dass meine Romane nun in wesentlich mehr Buchhandlungen liegen. Da sind bei den Kleinverlagen einfach die Mittel deutlich eingeschränkter.

Von der Resonanz bekomme ich erfreulich viel mit. Durch Leserunden, die ich begleite, aber auch durch Fan-Mails. Darüber freue ich mich immer sehr. Und nicht zuletzt wird man auch in der Branche als Autor noch mal mehr wahrgenommen. Was natürlich sehr von Vorteil für weitere Projekte sein kann.

Literatopia: Was war bisher Dein schönstes Leserundenerlebnis? Und was haben Dir diese intensiven Besprechungen Deiner Bücher für das zukünftige Schreiben gebracht?

Tanya Carpenter: Ich kann gar nicht sagen, welche die schönste Leserunde war. Sie sind alle toll, die Leser setzen sich sehr intensiv mit dem Stoff auseinander, hinterfragen viel, wollen auch Background-Infos haben. Das macht sehr viel Spaß.

Für mich als Autor bringt es viele Anregungen. Was interessiert die Leser, was wünschen sie sich, welche Charaktere sind ihnen ans Herz gewachsen, wo sind noch Dinge, die sie nicht verstehen, oder die sie gerne näher erklärt hatten. Bei einer Serie ist das sehr nützlich, aber auch, um bei künftigen Projekten direkt von Anfang an auf so was zu achten.

Literatopia: Kannst Du für die Leser, die Deine Romane noch nicht kennen, vielleicht kurz umreißen, worum es geht? Was unterscheidet sie von anderen Werken des Genres?

Tanya Carpenter: Ruf des Blutes ist eine Mischung aus Dark Romance und Dark Fantasy. Im Zentrum steht Melissa Ravenwood, die ihrem Geliebten Armand in die Dunkelheit folgt, für den PSI-Orden ihres Vaters arbeitet und dabei Stück für Stück auf ein Schicksal zusteuert, das ihr lange vorbestimmt ist.
Was meine Serie unterscheidet ist vielleicht ein stückweit die Kompromisslosigkeit. Meine Vampire sind keine Kuschelwesen, sind nicht weichgespült, haben Ecken und Kanten. Es geht zum Teil auch sehr blutig zu. Ich habe sanftere Charaktere und sehr düstere, welche die versuchen sich in die Menschenwelt einzugliedern und welche für die sie ein übervolles Schlaraffenland ist.

Die Grenzen zwischen Gut und Böse verwischen immer wieder. So hat auch Franklin, Mels Vater und Leiter des Ashera-Ordens, den man auf den ersten Blick für einen Mann ohne Tadel halten mag, seine dunklen Geheimnisse. Hingegen entpuppt sich ein Charakter wie Dracon, den die Leser im ersten Band einfach nur hassen können, im weiteren Verlauf als sehr vielschichtiger Charakter mit einer äußerst verletzlichen Seele.

Dann tauchen bei mir sehr viele PSI-Wesen auf. Teils von mir neu kreierte Arten, aber genauso bereits bekannte mystische und mythologische Wesen.
Ein weiterer Punkt ist die Erotik in den Romanen, die sich nicht vor Tabus scheut und meist recht deutlich geschildert wird. Ich mag erotische Szenen, es knistern zu lassen und das Kind beim Namen zu nennen. Aber ich lege dabei viel wert auf Stil und dass es nicht plump rüberkommt. Da gerade diese Szenen von den meisten Lesern als eine meiner Stärken bewertet werden, scheint mir das gut zu gelingen.

Ich wollte keine reine Love-Story zwischen Held und Heldin. Ich wollte bewusst beide mit Schwächen ausstatten (genauso wie auch die anderen Chars), den Leser auch mal den Kopf schütteln lassen, sie damit aber auch „menschlicher“ machen. Und ich wollte Action dabei haben. Es sollte etwas passieren, sollte auch mal grausam werden oder traurig. Keine rosa Wattewelt mit Happy End auf ganzer Linie. Das wäre mir zu unrealistisch. Und auch wenn es Fantasy ist, lege ich Wert auf Glaubwürdigkeit.

Der erste Band ist wirklich mehr eine Einleitung und hat noch sehr viel Love-Story-Anteil. Die Hauptfiguren werden vorgestellt und Melissas Herkunft Stück für Stück aufgedeckt. Es ist ein Werben Armands um seine große Liebe und ein Ringen zwischen mehreren Vampiren und den begehrten Happen. Gerade der Vampirlord Lucien weiß von Anfang an, was wirklich in Melissa steckt, denn sie ist Teil eines Plans, den er schon lange verfolgt und vorbereitet hat. Er ist der Intrigenspinner, den viele aber wegen seines Charisma sehr schätzen. Im ersten Band bleibt er noch eine Randfigur, webt sich dann aber immer stärker in die Story ein. Mal mehr mal weniger im Vordergrund.

Ab dem zweiten Teil wird es von Band zu Band gruseliger und düsterer. Was natürlich zum Teil auch an meiner Entwicklung als Autor liegt, aber eben auch daran, dass ich ja ein konkretes Zeil zum Ende der Story habe, das eben nicht die Liebe als großen Kernpunkt hat. Die ganzen vielen Abenteuer verbinden sich mehr und mehr zu einem großen logischen Bild. Einzelne Puzzlestücke, die erst am Ende die ganze Wahrheit offenbaren.

Literatopia: Mel wirkt in „Unschuldsblut“ viel reifer als noch in „Tochter der Dunkelheit“ – und dunkler. Hattest Du sie von Anfang an so konzipiert oder warst Du als Autorin selbst überrascht, wie sie sich als Vampir entwickelt?

Tanya Carpenter: Dass Mel immer mehr von ihrer menschlichen Seite verliert, der Dämon in ihr immer stärker wird, war geplant. Allerdings hat sie sich doch auch anders entwickelt, als ich erwartet hätte. Sie ist souveräner gewordenen. Geht mit vielem gelassener um und nicht mehr so Hals über Kopf und naiv wie am Anfang. Sie wächst mit ihren Abenteuern. Was am Ende auch sehr wichtig sein wird. Würde sie diese Entwicklung nicht nehmen, hätte sie keine Chance, ihr Schicksal zu meistern.

Sie hat durchaus einen Weg beschritten, der angedacht war, aber sie ist nicht die Person geworden, als die ich sie gern gesehen hätte. Ich hatte gedacht, dass sie zerrissener bleiben würde, angreifbarer. Dass sie noch häufiger von Verzweiflung und Zweifeln befallen wird. Das ist alles nicht der Fall. Ihre Stärke hat auch mich überrascht, manchmal sogar erschreckt, weil sie schneller über Dinge hinweggeht, als es ihre Menschlichkeit zu Anfang vermuten ließ. Offenbar hat Lucien da doch ganze Arbeit geleistet. Oder steckt doch noch mehr dahinter, als nur der Einfluss des Lords? Ich weiß es selbst nicht genau. Auch mir gegenüber geben meine Figuren nicht all ihre Geheimnisse preis.

Ich lasse allen Charakteren viel Spielraum, sie entwickeln sich selbständig und ganz natürlich. Damit beraube ich mich zwar ein bisschen meiner Macht als Autor, dafür fühlen sich die Charaktere aber echter an. Sie dürfen sie selbst sein. Das ist für mich persönlich beim Schreiben auch immer ein Erlebnis und manchmal auch eine Überraschung. Es ist spannend, einen Charakter Stück für Stück besser kennenzulernen, zu erleben, wie er sich offenbart. Im Moment ist z.B. Blue, einer völlig neuer Char im 5. Band, noch etwas verschlossen. Ich werde nicht schlau aus ihm und hab oft das Gefühl, dass er bewusst ein falsches Gesicht zeigt. Mal schauen, wo das mit ihm noch hinführt und ob man ihm letztlich vertrauen kann oder doch besser nicht.

Literatopia: Ein klein wenig hat sich Mel von ihrer Menschlichkeit dennoch bewahrt. Wird ihr das auch in Zukunft gelingen?

Tanya Carpenter: Da sich meine Charaktere wie zuvor gesagt sehr selbständig entwickeln, kann ich das gar nicht so genau sagen. Ich hoffe es für sie und auch für Armand, weiß aber auch, dass es sehr schwierig für sie werden könnte. Das, was ihr bevorsteht, wird sie sehr verändern, wird einen tiefen Einschnitt verursachen. Ob sie ihre Menschlichkeit darüber hinaus bewahren kann, muss sich zeigen.

Literatopia: Wie viele Bände soll die Ruf des Blutes-Serie einmal umfassen? Und planst Du vielleicht schon eine neue Serie? Auch wieder Dark Fantasy?

Tanya Carpenter: Ruf des Blutes ist mit sechs Bänden abgeschlossen. Wobei die Hauptstory eigentlich schon mit dem kommenden, fünften, in sich rund wäre. Im sechsten Band geht es um die Lycaner und es werden einige Fäden, die auch nach Band fünf noch offen bleiben, endlich zum gesamten Bild hinzugewebt.
Danach besteht die Möglichkeit, einzelne Charakterbände zu Armand, Lucien oder Franklin zu veröffentlichen. Das hängt aber von vielen Faktoren ab.

Natürlich gibt es auch schon neue Projekte, die ich plane, vorbereite und an denen ich auch schon schreibe. Einige Trilogien, ein paar Serien, etliche Einzelromane. Was davon wann zum Tragen kommt, wird vom Verlagsinteresse abhängen. Die Genre sind sehr unterschiedlich. Dark Fantasy, Romantic Suspence, Historisches, Krimi, Sci-Fi und sogar Kinder- bzw. Jugendromane. Ich mag zwar derzeit hauptsächlich Dark Fantasy schreiben, bin aber sehr vielseitig als Autor und würde auch gerne mal was anderes veröffentlichen.

Literatopia: Im Gegensatz zu vielen „Dark Fantasy“-Romanen der Gegenwart sind Deine Bücher noch richtig düster. Die Vampire sind gleichermaßen gefährliche wie sinnliche Jäger und dementsprechend fließt reichlich Blut. Hast Du schon einmal die Kritik bekommen, dass die Romane zu brutal oder auch gewaltverherrlichend seien?

Tanya Carpenter: Gewaltverherrlichend wurde noch nicht gesagt. Das tun sie ja auch nicht. Aber sie sind halt nicht weichgespült. Ein Vampir ist ein Killer, da gibt es nichts schönzureden. Ich selbst stehe auch immer eher auf die bösen Jungs, weil sie authentischer sind. Damon Salvatore ist da z.B. ein Paradebeispiel. Ihn würde ich mit meinem Dracon gleichsetzen. Diese netten, gewissenhaften und abstinenten Blutsauger sind nichts für mich.

Es gibt einige, denen die Romane zu düster sind oder die als LiRo-Leserinnen eben zahmere Vampire gewohnt sind. Die tun sich dann auch schwerer mit meinen Charakteren. Aber der Grundtenor ist bislang, dass gerade das an meinen Romanen so geliebt wird. Dass meine Vampire keine Schoßhündchen oder Püppchen sind, sondern ihre Natur bedingungslos leben und lieben, nicht immer eitel Sonnenschein herrscht und durchaus auch mal Gefahr für Leib und Leben besteht.

Literatopia: Zu Deinen literarischen Vorbildern gehört unter anderem Anne Rice. Stammt daher Dein eher düsteres, gefährliches Vampirbild? Und hast Du vampirische Lieblingscharaktere?

Tanya Carpenter: Anne Rice hat mit ihrer Vampir- und Hexenchronik etwa wundervolles geschaffen. Aber von Lestat abgesehen, sind auch ihre Bluttrinker ja eher harmlos. Mich haben auch Autoren wie Poppy Z. Brite und Kim Newman begeistert. Ich hab den Werwolfroman von S.P. Somtow verschlungen. Also durchaus die düsteren Vertreter ihrer Art, die dennoch nicht in den Horror-Bereich einzuordnen sind. Da gibt es für mich eine ganz feine Grenze, an der ich selbst eben auch gerne wandle.

Wirklich Vorbild als Autorin ist Anne Rice nicht für mich. Lediglich ein stückweit, was die Vampire betrifft. Wenn ich eine Autorin als Vorbild nennen sollte, dann wäre es Diana Gabaldon, weil sie genauso chaotisch schreibt und hinterher zusammenfügt, wie ich das tue. Aber ich habe schon mehrfach gesagt, dass ich keine echten Vorbilder habe. Ich bewundere manche Menschen – ob Autor oder nicht – für das, was sie erreicht haben. Vorbilder sind in meinen Augen aber etwas anderes und viel tiefer gehendes.

Lieblingscharaktere aus der Vampirwelt sind Damon Salvatore oder Spike von den moderneren. Wes Cravens Dracula, weil mir die Mythologie dahinter so gut gefällt. Auch die Underworld-Chars haben mich beeindruckt. Stuart Townsend hat einen herrlichen Lestat gespielt. Und nicht zuletzt fand ich den Bösewicht aus Blade I toll. Ich sag ja, ich steh auf die bösen Jungs. *lach*

Literatopia: Religion und Mythologie spielen in der Ruf des Blutes-Serie eine sehr große Rolle. Woher stammt Dein Interesse daran? Und wie gehst Du bei der Recherche vor?

Tanya Carpenter: Magie, Mystik, Mythen, Legenden und Spiritualität nehmen einen festen Platz in meinem Leben ein. Ich bin ja bekennende Wicca, setze mich also von daher schon stark mit so was auseinander. Es fasziniert mich, ich suche immer nach dem Funken Wahrheit in den Überlieferungen und den Widersprüchen in so manchem heiligen Buch. Ich versuche, eigene Schlüsse zu ziehen, die Fäden weiterzuspinnen, die andere halbfertig irgendwo fallen ließen. Das hat etwas Unbeschreibliches an sich, das man schwer in Worte fassen kann.

Bei meinen Recherchen hilft mir natürlich viel das Internet, aber auch Bücher zu diesen Themen. Ich hab inzwischen eine eigene kleine Bibliothek zuhause, auf die ich sehr stolz bin und die beständig wächst. Wenn es nach mir ginge, könnte ich vermutlich in null Komma nichts ein ganzes Stockwerk mit Büchern füllen, die ich unbedingt noch zu diesen vielschichtigen Themen lesen möchte.

Mir ist die Mischung aus eigener Fantasy und guter Recherche wichtig, weil das die Grenzen verwischt, wo das eine aufhört und das andere anfängt. Und somit die Leser eben auch anregt, sich eigene Gedanken über die unzähligen Möglichkeiten, Welten und Dimensionen zu machen.

Literatopia: Natürlich könnten jetzt alle Leser, die nicht wissen, was eine Wicca ist, Google zu Rate ziehen. Könntest Du uns trotzdem mit Deinen Worten erklären, was es bedeutet, eine Wicca zu sein?

Tanya Carpenter: Die Google-Antworten werden so vielfältig und unterschiedlich ausfallen, dass man am Ende auch nicht schlauer ist. Außerdem gibt es inzwischen so viele neumodische Wicca-Strömungen, die sich immer weiter von der Basis weg entfernen, dass schnell ein falsches Bild entsteht.

Wenn ich von Wicca spreche, dann meine ich damit die alten Pfade der Göttin. Die heidnische Religion, die sich am Jahresrad orientiert, bemüht ist, im Einklang mit der Natur zu leben, das alte Wissen um ihre Kräfte zu bewahren. Die Elemente, die Jahreszeiten, Pflanzen, heilige Plätze. Ich meine damit aber auch Traumreisen, Meditation, das Feiern der Jahresfeste, den natürlichen Umgang mit Leben und Tod. Es ist weniger ein Glaube in der abgegrenzten Form wie viele andere, sondern eine Lebenseinstellung, die mich grundlegend prägt und durch mein ganzes Leben begleitet. Die mich viel gelehrt hat, mich geöffnet hat, mich Toleranz gelehrt hat und mir Kraft und Trost spendet. In die Tiefe zu gehen, würde hier vermutlich den Rahmen sprengen, denn es ist sehr vielschichtig, basiert auf vielen Erfahrungen, die ich gemacht habe und ist auch sehr individuell. Die Basis war der „feministic way of wiccan“ von Z. Budapest und Starhawk. Dann die keltischen Traditionen, indianische Schamenen und schließlich die Mythologie der Ägypter, Griechen und Römer. Inzwischen befasse ich mich auch mit der germanischen und nordischen Mythologie. Im Grunde gibt es zwischen all denen sehr viele Parallelen. Die Naturreligionen haben alle eins gemein. Sie ehren das Leben und das Weibliche, da hieraus erst Leben entsteht. Außerdem gehört ein großer Respekt vor der Natur – unser aller Mutter – dazu. Der Rest ist dann sehr individuell von den Legenden und dem Lebensumfeld der verschiedenen Kulturen geprägt.
Ich könnte wohl ein ganzes Buch darüber schreiben. *lach* Vielleicht mach ich das ja irgendwann mal.

Jedenfalls hat Wicca-Sein für mich nichts mit Geld- oder Liebeszauber zu tun und ich bastel auch keine Voodoo-Puppen. ;-) Für mich ist das eine sehr ernsthafte Sache, die meinen Horizont täglich erweitert, mich immer wieder auffängt und mit durch mein Leben begleitet.

Literatopia: In Deinen Romane gibt es auch die ein oder andere homoerotische Szene zwischen Männern, die Du ebenso anregend beschreibst wie die anderen erotischen Szenen. Hast Du schon einmal negative Reaktionen darauf bekommen?

Tanya Carpenter: *lach* Und wie! Ein Blick in Amazon genügt da schon. Es hat auch schon mal jemand geschrieben, dass die Bücher seiner Meinung nach verboten gehören oder zumindest zensiert. Ich glaube, so tolerant wie viele tun, sind sie gar nicht unbedingt immer. Zu wissen, dass es so etwas gibt, ist eine Sache, es detailliert geschildert bekommen und dann wie einen Film vorm geistigen Auge zu sehen, ist dann aber noch mal was anderes.

Dennoch ist auch hier die überwiegende Meinung sehr positiv. Gerade weil ich mich nicht davor scheue, finden es meine Leser gut. Und viele Frauen finden zwei ästhetische Männerkörper im sinnlichen Spiel eben genauso anregend, wie Männer seit jeher zwei ästhetische Frauenkörper. Über letzteres regt sich komischerweise kaum noch jemand auf. Männliche Homosexualität weckt hingegen nach wie vor auch Ablehnung, manchmal sogar Ekel, was ich sehr schade finde. Denn aus meiner Sicht sagt die Neigung, ob jemand auf Männlein, Weiblein oder beides steht, nichts über den Charakter einer Person aus. Ich bin da schon immer sehr tolerant mit umgegangen und hatte keine Berührungsängste.

Literatopia: Dein Name taucht immer wieder in verschiedenen Anthologien auf. Deine Kurzgeschichten siedeln sich dabei auch eher in düsteren Gefilden an. Was fällt Dir persönlich leichter? Romane oder doch eher Kurzgeschichten? Wo liegen die Tücken beider Formen?

Tanya Carpenter: Es hat beides seinen Reiz, beides seine Vor- und Nachteile. Kurzgeschichten sind für einen Autor auch immer eine gute Übung. Man ist gezwungen, die Sache auf den Punkt zu bringen, die Spannungsbögen korrekt aufzubauen und sich nicht zu verstricken. Aufgrund der begrenzten Zeichenzahl lernt man auch, überflüssige Füllwörter zu meiden. Das nutzt auch den Romanen ungemein. Ich denke, bei Unschuldsblut merkt man das meinem Text auch deutlich an, dass ich zuvor viele Kurzgeschichten geschrieben hatte.

Einen Roman hingegen muss man mit vielem anfüllen, wofür in der Kurzgeschichte gar kein Platz wäre. Und auch das darf nicht gekünstelt in die Länge gezogen wirken.
Viele Ideen, die ich habe, lassen sich leichter in eine Kurzgeschichte fassen, weil sie nur ein konkretes Erlebnis umfassen. Andere Ideen wiederum brauchen viel Raum, um sich zu entfalten. Durch die Mischung von beidem, kann ich alle Ideen verarbeiten, je nachdem, wofür sie geeignet sind.
Bei den Kurzgeschichten kommt noch hinzu, dass ich dabei oftmals nach grafischer Vorlage arbeite, was einen zusätzlichen Reiz ausmacht und die Inspiration immer wieder auffrischt.

Dennoch muss ich zugeben, dass mir der Roman mehr liegt. Ganz einfach, weil ich ein Vielschreiber bin. Kurzfassen fällt mir schwer. Umso wertvoller sind für mich die Kurzgeschichten als Training.

Literatopia: Auf Deiner Homepage finden sich einige Gedichte mit traurigen, kritischen und mythologischem Hintergrund. Hast Du auch welche in Printform veröffentlicht oder gibt es sie nur als Zugabe auf Deiner Homepage?

Tanya Carpenter: Meine allererste Veröffentlichung ist der Lyrik-Band „Zwischen Licht und Schatten“ im Amicus-Verlag. Wobei ich diesem Werk heute – gereift und weiterentwickelt wie ich als Autor bin – durchaus kritisch gegenüberstehe. Ich würde heute teilweise andere Texte wählen, so einen Band anders zusammenstellen.
Gedichte sind für mich Möglichkeiten, zu verarbeiten, was mich bewegt, was innerlich an mir nagt, worüber ich mir Gedanken mache. Sind eine Art Channel. Und manchmal machen sie mir auch einfach den Kopf frei.

Zu meiner Homepage möchte ich hier noch erwähnen, dass die in Kürze in völlig neuem Kleid daherkommt. Ich plane, sie völlig neu aufzubauen. Da darf man schon jetzt gespannt sein.

Literatopia: Seit wann schreibst Du Lyrik? Was gefällt Dir persönlich an Gedichten? Und welche Form der Lyrik bevorzugst Du?

Tanya Carpenter: Gedichte schreibe ich – wie so viele – schon seit meiner Jugendzeit. Gedichte geben sehr gebündelt Gedanken, Gefühle, Ansichten und auch Kritik wider. Ich mag sie sehr und finde es schade, dass sie heutzutage kaum noch Beachtung finden.
Es gibt keine Form, die ich mehr bevorzuge oder gar eine, die ich ablehnen würde. Es ist wie mit allem im Leben: Die Vielfalt ist wichtig und bereichernd. Jede Form hat ihren Platz, ihre ganz spezielle Aussage und Wirkung.

Literatopia: Hattest Du schon Momente, an denen Du das Schreiben am liebsten aufgegeben hättest? Beispielsweise bei frustrierenden Schreibblockaden? Was machst Du, wenn die Kreativität streikt? Oder kannst Du Dich vor Ideen quasi kaum retten und sie gar nicht alle unterbringen?

Tanya Carpenter: Jeder Autor kommt sicher mal an den Punkt, wo er sich selbst in Frage stellt. Wo man sich fragt wofür man das überhaupt tut. Denn Schreiben ist a) eine sehr einsame Angelegenheit und b) wesentlich mehr Arbeit als viele denken.

Aber ich liebe das Schreiben, brauche es wie die Luft zum Atmen. Ich könnte nicht ohne. Natürlich habe ich auch Phasen, wo es mal nicht so fließt. Weniger aufgrund mangelnder Ideen, als vielmehr, weil sich die Ideen nicht in Worte fassen lassen wollen. Jede Formulierung scheint dann falsch, unrund, zu flach, zu leblos.
In solchen Momenten kann ich entweder an einem anderen Projekt weiterschreiben, was meist gut funktioniert. Das ist der Vorteil, wenn man stets an mehreren Dingen arbeitet. Oder, wenn es wirklich mal gar nicht geht, lasse ich den Rechner aus und mache es mir mit einem Buch bequem. Oder puste mir ganz den Kopf frei, indem ich mit meinem Hund spazieren gehe oder mit einem meiner Pferde ausreite.

Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass man nie verbissen an etwas arbeiten sollte. Damit blockiert man sich. Da ich mich daran halte, habe ich keine echten Schreibblockaden. Manchmal muss man einfach nur ein wenig Abstand nehmen, um dann wieder einen besseren Blick auf das Projekt zu erlangen.

Literatopia: In punkto Lesungen hast Du schon Erfahrung. Bist Du trotzdem jedes Mal nervös? Und wie erlebst Du Dein Publikum dabei?

Tanya Carpenter: Ich bin kein bisschen mehr nervös. Aufgeregt, ja. Die ersten paar Minuten zittern mir auch die Hände. Aber nicht vor Nervosität, sondern mehr vor Freude und Erwartung. Ich liebe Lesungen. Und ich bin immer ganz gespannt, wie das Publikum darauf reagiert. Bislang war es immer sehr positiv.

Lesungen sind die wenigen Momente, wo ich meinen Lesern wirklich nah bin. So etwas ist wichtig, denn es beflügelt mich als Autor, wenn ich sehe, dass meine Geschichten etwas auslösen, die Menschen berühren. Da ich für gewöhnlich ja eher ein zurückhaltender Mensch bin, der die Einsamkeit sucht, nicht gerne unter vielen Menschen ist und eher introvertiert, schätze ich diese Begegnungen auf den Lesungen sehr, ein Mehr davon wäre allerdings wider meiner Natur. Da fallen mir die Kontakte übers Internet leichter, wo ich meine Privatsphäre wahren kann. Ich hab immer gesagt, ich bin kein Mensch für Menschen und das stimmt auch. Das geht aber vielen Autoren so und ich denke heute, dass es einem den Beruf als Autor leichter macht, wenn man so gepolt ist. Denn Schreiben ist nun mal eine einsame Sache, verlangt auch einen hohen Preis. Jemand, der viele Menschen um sich braucht und nicht gern allein ist, wird sich als Autor nicht so wohl fühlen, wie jemand, dessen Naturell diese Art zu arbeiten eben von Grund auf entspricht.
Das heißt aber nicht, dass ich meine Leser nicht schätze und den Austausch mit ihnen genieße. Ohne seine Leser ist ein Autor nur ein Schreiberling. Ich finde, das sollten die Autoren nie vergessen.

Literatopia: Welche Szenen wählst Du für Lesungen vornehmlich aus? Gerne auch erotische? Oder eher actiongeladene?

Tanya Carpenter: Die Mischung macht’s. Ich schaue, dass Spannung aufgebaut wird, damit die Leute mehr davon lesen wollen. Aber auch, dass die Szenen, die ich lese, mit ein paar Erklärungen schlüssig sind. Viele haben ja ein Problem, Erotik zu lesen. Das macht mir wenig aus. Ich will zwar nicht von mir weisen, dass ich vielleicht rote Ohren bekommen, wenn es heißer her geht, aber es ist mir nicht peinlich. Ich stehe zu dem, was ich schreibe. Allerdings habe ich bislang keine homoerotischen Szenen gelesen, was aber nur daran liegt, dass ich im Vorfeld ja nicht weiß, welches Lesepublikum da ist. Würde ich z.B. in einem erotischen Buchladen oder auf der Rosa Couch lesen, wäre auch das kein Problem.

Was mit besonders Spaß macht, sind humorige Episoden. Damit schließe ich eine Lesung gerne ab, weil es für die Zuhörer angenehmer ist, mit etwas Fröhlichem nach Hause zu gehen, als mit Düsterstimmung. Z.B. einen Auszug aus „Tot aber Feurig“ oder „Höllischer Alltag“, den beiden Online-Serien, die wir als TriAdeM auf LITERRA bzw. auf der TriAdeM-Homepage präsentieren. Das kommt immer super an als Abschluss.

Literatopia: Wie viele Bücher besitzt Du schätzungsweise? Und welche Genres tummeln sich in Deinem Bücherregal?

Tanya Carpenter: Oh je, was für eine schwierige Frage. Es werden sicher mehrere hundert Bücher sein. Über tausend wohl auf jeden Fall. Wie viel genau kann ich aber echt nicht sagen.

Dabei sind alle Genre vertreten. Ich hab noch Kinderbücher von früher, Historical Romance, Fantasy mit allen Subgenres, Sci-Fi, jede Menge Fachliteratur, Krimis, Thriller, Zeitreise … eigentlich alles außer Horror oder Pornografie. Diese beiden Genre schließe ich sowohl als Autor wie auch als Leser für mich aus. Ansonsten querbeet. Die Story muss mich ansprechen, da spielt das Genre keine Rolle. Und Sachbücher halt zu Historie, Mystik und Mythologie, Forensik, Hunden und Pferden, Religion, Magie uvm.

Literatopia: Bei so vielen Büchern – hast Du ein bestimmtes Ordnungssystem? Manche sortieren ja nach Autor, nach Verlag, sogar nach Farbe. Oder werden sie einfach dort untergebracht, wo noch Platz ist?

Tanya Carpenter: Ich sortiere nach Thema, innerhalb des Themas nach Autor und innerhalb des Autors nach Serien/Reihen. Ausgenommen sind die Fächer der Rezibücher. Die sind in der Reihenfolge sortiert, in der ich sie noch lesen muss. Sind sie dann gelesen, wandern sie an den korrekten Platz im System.

Ich bin ja im Grunde ein Chaot, aber bei meinen Büchern brauche ich (genau wie bei meinen Schreibprojekten auf dem PC) ein gut strukturiertes System, wo ich alles sofort finde, was ich brauche.

Literatopia: Wie wichtig ist Dir die Aufmachung eines Buches? Kaufst Du beispielsweise, sofern das Budget das zulässt, lieber schönere Hardcover als auf die Taschenbücher zu warten? Und was hältst Du von illustrierten Büchern? Sammlerstücke oder unnötiger Schnickschnack?

Tanya Carpenter: Ich finde es sehr bedauerlich, dass Illustrationen und Grafiken nicht genug gewürdigt werden. Sie bereichern meiner Meinung nach ein Buch. Ich würde mir mehr davon in Romanen wünschen.

Es kann passieren, dass ich ein Buch nur nach dem Cover kaufe. So war es bei Wolfsruf von S.P. Somtow seinerzeit. Ich liebe Wölfe und das schlichte Cover mit dem Wolf hat mich regelrecht angesprungen.

Beim Lesen bevorzuge ich Taschenbücher, aber weniger wegen dem Preis, sondern ausschließlich wegen der Handlichkeit. Aber ich habe auch viele Hardcover. Leider, leider gehen die Schutzumschläge der Hardcover schnell kaputt und die nackten Deckel sind dann meist einfarbig und nur mit Autor und Titel beschriftet. DAS finde ich jammerschade. Schöner wäre, den Buchumschlag auf dem festen Einband zu wiederholen. Das wäre ein echtes optisches Highlight.

Literatopia: Wie wird es 2011 bei Dir weitergehen? Sind weitere Anthologiebeiträge geplant? Und wie wird es Melissa im fünften Ruf des Blutes-Teil ergehen?

Tanya Carpenter: Fest stehen bislang diverse Anthologien unter der Herausgabe von Alisha Bionda und der 5. Band meiner Ruf des Blutes Serie. Was darüber hinaus noch dazu kommt, wird sich im Lauf der Zeit zeigen. Wie gesagt ist einiges in Planung und zum Teil auch schon bei Verlagen angeboten. Da muss man dann einfach abwarten und Daumen drücken.

Literatopia: Vielen Dank für das schöne Interview, Tanya!

Tanya Carpenter: Sehr gerne! Hat mich sehr gefreut und Spaß gemacht, die interessanten Fragen zu beantworten.


Autorenhomepage von Tanya Carpenter: http://www.tanyacarpenter.de/

Mehr über Tanya Carpenter: Interview mit TriAdeM (Juli 2010)

Schattenversuchungen-Special: Teil I (mit Christoph Marzi und Tanya Carpenter)

TriAdeM-Homepage: http://www.triadem.net/

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Dieses Interview wurde von Judith Gor für Literatopia geführt. Alle Rechte vorbehalten.