Michel Houellebecq erhält Prix Goncourt

Das in die Jahre gekommene Enfant terrible der französischen Literaturszene triumphiert: Bestsellerautor Michel Houellebecq hat die Jury überzeugt. Für seinen Roman "La carte et le territoire" nimmt er den begehrten Prix Goncourt entgegen.

Hamburg/Paris - Der französische Literaturpreis Prix Goncourt geht in diesem Jahr an Michel Houellebecq für seinen Roman "La carte et le territoire" (etwa: Die Landkarte und der Landstrich). Mit deutlicher Mehrheit entschied sich die Jury für den noch vor Jahren vieldiskutierten Skandalautor. Dessen Wahl war allerdings keine Überraschung: Bereits seit Wochen wurde er als Favorit für die Auszeichnung gehandelt.

Im Mittelpunkt des im Jahr 2035 spielenden Romans steht ein misanthropischer Maler namens Jed Martin, der einen Text für seinen Ausstellungskatalog von einem weltweit berühmten Schriftsteller verfassen lassen möchte - von Michel Houellebecq selbst (der in dem Buch ermordet wird). Die Geschichte ist ebenso ein Krimi wie eine kritische Betrachtung des postindustriellen Frankreich, das als eine Art Disneyland für chinesische und russische Touristen dargestellt wird.

Dem 52-jährigen Bestsellerautor war kurz vor der Veröffentlichung von "La carte et le territoire" vorgeworfen worden, Passagen aus der Internet-Enzyklopädie Wikipedia abgeschrieben zu haben. Houellebecq und sein Verlag dementierten, ein großer Skandal blieb aus. Spuren haben die Vorwürfe dennoch hinterlassen. So titelte etwa die französische Online-Zeitung LePost.fr anlässlich der Ehrung am vergangenen Montag: "Prix Goncourt 2010 für Wikipedia, pardon, Michel Houellebecq".

Houellebecq gehört in Frankreich zu den bedeutendsten Schriftstellern der Gegenwart. Schon sein Debütroman "Ausweitung der Kampfzone" wurde in den Neunzigern zum gefeierten Bestseller. Mit dem später durch Bernd Eichinger verfilmten Zweitwerk "Elementarteilchen", das sich mit Themen wie Gentechnik und Pädophilie auseinandersetzt, versetzte er das Land in Aufruhr.

Obwohl nur mit zehn symbolischen Euro dotiert, ist der erstmals 1903 vergebene Prix Goncourt der begehrteste Literaturpreis Frankreichs. Wer die Auszeichnung mit nach Hause nimmt, darf sich meist im Anschluss über deutlich erhöhte Verkaufszahlen freuen.

Im vergangenen Jahr hatte die in Berlin lebende Französin Marie NDiaye als erste schwarze Frau den Preis erhalten. Ausgezeichnet wurde ihr Roman "Trois femmes puissantes" (etwa: Drei starke Frauen) um drei Frauenschicksale im Spannungsfeld zwischen Afrika und Frankreich. Davor war der Prix Goncourt zuletzt 1998 an eine Frau gegangen.


Quelle: spiegel.de