Schafkopf (Andreas Föhr)

Verlag: Knaur, September 2010
Klappbroschur, 448 Seiten, € 14,95
ISBN: 978-3426663981

Genre: Krimi


Klappentext

Der Kleinkriminelle Stanislaus Kummeder geht an einem Oktobersonntag frühmorgens mit einem Bierfass auf den Riederstein. Dort auf dem Gipfel, hoch über dem Tegernsee, wird ihm aus heiterem Himmel der Kopf weggeschossen. Was der Mann, der nie auf Berge ging, auf dem Riederstein zu schaffen hatte, wozu er ein Bierfass auf den Gipfel schleppte und weshalb ihn jemand mit eine Präzisionsgewehr aus 500 Meter Entfernung erschoss – das können nur zwei Menschen beantworten: der ewig frierende Kommissar Wallner und sein bayerisch-anarchistischer Kollege Polizeiobermeister Kreuthner. Bei ihren Ermittlungen stoßen die beiden auf das geheimnisvolle Verschwinden einer jungen Frau, auf 200 000 Euro im Kofferraum eines dubiosen Anwalts, einen prügelnden Wirt mit abnormen Körperkräften und eine Neumondnacht vor zwei Jahren, in der die Geschehnisse durch eine Partie Schafkopf ihren tragischen Anfang nahmen...


Der Autor

Andreas Föhr, Jahrgang 1958, gelernter Jurist, arbeitet einige Jahre bei der Rundfunkaufsicht und als Anwalt. Seit 1991 verfasst er erfolgreich Drehbücher für das Fernsehen mit Schwerpunkt im Bereich Krimi. Unter anderem schrieb er für „Soko 5113“, „Ein Fall für zwei“ und „Der Bulle von Tölz“. Sein Debütroman „Der Prinzessinnenmörder“ wurde für den Freidrich-Glauser-Preis nominiert. Andreas Föhr lebt in Haar bei München.


Rezension

Joggen ist doch eine elende Schinderei, besonders dann, wenn man untrainiert ist und am Abend vorher den Bierkonsum nicht so richtig unter Kontrolle hatte. Wenn man allerdings voreilig Wetten abschließt, dann muss man schon mal zum trainieren am frühen Sonntagmorgen unterwegs sein. Wenigstens das Wetter ist herrlich, als sich Polizeiobermeister Kreuthner, nach oben zum Riederstein quält. Als Spaziergänger wäre er genauso schnell, eine Blamage, die er so nicht hinnehmen kann. Oben angekommen ist doch tatsächlich schon der Stanislaus Kummeder da, sogar mit einem Fass Bier. Bei dem Gedanken an das Bier und die vorausgegangene Strapaze kommt Kreuthner sein Frühstück wieder entgegen, während er würgend über dem Geländer hängt, wird seinem Nachbarn buchstäblich der Kopf weggeschossen. Ein Meisterschütze, darüber ist sich die alsbald versammelte Mordkommission einig, denn der Schütze stand auf der anderen Seite des Berges, was so einige hundert Meter Luftlinie entfernt ist. Wem war der Kummeder so sehr im Weg, dass er ihn mit einem osteuropäischen Präzisionsgewehr erschoss? Dabei hat er doch nur nach seiner verschwundenen Freundin Kathi gesucht, die in einer schicksalsträchtigen Nacht vor zwei Jahren spurlos verschwand. Waren es ihr doch ein paar Verletzungen zuviel, die Kummeder in seiner grenzenlosen Liebe ihr zugefügt hatte? Alle weiteren Ermittlungen weisen auf diese Nacht hin, in der ein legendäres Solo beim Schafkopf gespielt wurde und Kathi sich von ihrer Freundin Susi verabschiedete. Außerdem gibt es dann noch den dubiosen Rechtsanwalt Falcking, der sich von seinem Schwiegervater 200 000 Euro Schwarzgeld erbettelt und irgendwie in den Fall verwickelt scheint. Für Kommissar Wallner und sein Team beginnt eine regelrechte Suche im Heuhaufen, denn über das Motiv und den Täter lässt sich erst einmal so gut wie nichts herausfinden.

In seinem zweiten Buch verwickelt sich Andreas Föhr in viele Nebenschauplätze und Begebenheiten. Bis sich alles zu einem schlüssigen Ende verbinden lässt, wird die Geduld des Lesers zeitweise auf eine harte Probe gestellt. Alleine schon der immer wieder einfließende bayrische Dialekt bei Dialogen macht es dem Nichtbayern schwer, in dem Buch zu versinken. Dazu kommen noch eine Menge skurriler Gestalten, die das Buch bevölkern und alle ihre Geheimnisse haben. Das Privatleben der Ermittler bleibt diesmal etwas außen vor, es sei denn, es hat tatsächlich mit den Ermittlungen zu tun. Außer von Wallner, dem ewig frierenden Kommissar erfährt man nichts. Dafür erlebt Wallner aber so einiges, tatsächlich kündigt sich endlich eine neue Liebe an, mit einer Kollegin aus München. Was Wallners Großvater euphorisch stimmt, hatte er doch schon seine Bedenken, dass es bei seinem Enkel nicht mehr alles funktionieren könnte. Deshalb verbringt er auch seine Tage mit einer jungen Prostituierten, die in ihm ihren bereits verstorbenen Großvater sieht. Diese Liäson ist ein bisschen unrealistisch und die Geheimniskrämerei recht ermüdend und unverständlich. Das passt aber zu den Ermittlungen, auch sie ziehen sich wie Kaugummi und es dauert ewig, bis erste relevante Ergebnisse eintreffen. Was aber auch an äußerst verschwiegenen Zeugen liegt, die zwar einerseits reden möchten, sich dann aber nicht trauen oder sich derart zieren, dass sie vorher noch ermordet werden.

Warum bleiben verprügelte Frauen nur bei ihren Peinigern? Andreas Föhr schafft es tatsächlich, aufschlussreiche Antworten zu geben und die Situation der Frauen realistisch darzustellen. Viele werden verprügelt, weil sie es von Kindheit an kennen und ihr Selbstbewusstsein so gut wie gar nicht vorhanden ist. Andere rutschen in eine Beziehung, die sich erst hinterher als ein Martyrium entpuppt und schaffen den Absprung nicht. Sie glauben an die Liebe und geben sich selber die Schuld, warum der Mann nicht anders handeln konnte. Außerdem hat er ja geschworen, es nie wieder zu tun. Eindringlich und realistisch schildert der Autor dann auch die Angst, wenn sich die Opfer tatsächlich zu dem entscheidenden Schritt entschließen, den Atem des Verfolgers fast im Nacken. Wiederum andere sehen überhaupt keinen Ausweg und fügen sich in ihr Schicksal, mit dem Wissen, niemals entkommen zu können. In immer wiederkehrenden Zeitsprüngen werden die Ereignisse aufgerollt und die zähe Ermittlungsarbeit unterbrochen, man lernt die Personen besser kennen und verstehen, tatsächlich lassen sich so einige Handlungen nachvollziehen.

Eine Vielzahl der unterschiedlichsten Personen ergibt das besondere Flair dieses Lokalkrimis. Überwiegend männliche Protagonisten bestreiten die Geschichte, jedes Kolorit ist vertreten. Da gibt es die prügelnden Exemplare, die soviel Kraft haben, dass sie gar nicht mehr merken, was sie damit anrichten. Genauso die einfühlsamen, die Frauenversteher, die eine angenehme Abwechslung zu den doch recht herben Charakteren sind. Dazu kommen noch die Verschlagenen, denen für Geld nichts zu schade ist und die schon älteren, die sich manchmal auf recht ungewöhnlichen Wegen ein bisschen Freude ins Leben holen. Leider bleiben die Frauen in diesem Buch ein bisschen blass, aber es ist bestimmt auch nicht das letzte Buch mit Kommissar Wallner. Lediglich einige Handlungen zum Schluß sind unrealistisch und einfach nur dümmlich, man fragt sich willkürlich, wie die Personen mit ihrem Vorwissen noch so handeln können. Hier wird die Handlung viel zu durchschaubar, das Ende ist zwar ein bisschen übertrieben, offeriert aber noch einen sehr überraschenden Täter.

Wieder einmal ist es leider nicht möglich, das Buch ohne Leseknicke zu lesen. Es fällt einfach auseinander, selbst ein übervorsichtiges Handling kann nicht schützen. Dafür ist der Preis zu hoch, obwohl das Papier und das Cover eine gute Qualität bieten, sind die nicht zu vermeidenden Leseknicke ein gravierendes Manko. Hier muss der Verlag handeln und vernünftige Lösungen finden, denn diese großformatigen Taschenbücher liegen schwer in der Hand und sind ein Mittelding zwischen Taschenbuch und Hardcover, irgendwie nichts Halbes und nichts Ganzes. Die Qualität rechtfertigt den Preis allerdings nicht.


Fazit

Lokalkolorit, Dialekt und unverwechselbare Figuren machen diesen Lokalkrimi zu einem stellenweise zweifelhaften Lesevergnügen. Die immer wieder eingeschobenen Rückblenden überdecken die stockenden Ermittlungen, die sich doch arg zäh dahinziehen. Manche Handlungen der agierenden Personen sind an Dämlichkeit nicht zu übertreffen, sie hinterlassen bloßes Kopfschütteln und einen Hauch von Ungläubigkeit. Wer Skurriles in einer eigentlich ernsten Handlung mag, der sollte auf jeden Fall zugreifen, ein Kennenlernen der Personen ist es allemal wert.


Pro und Contra

+ gelungener Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit
+ interessantes Motiv
+ skurrile Charaktere
+ bekannte Orte
+ Situationskomik
+ gut recherchierte Themen

- Dialekt
- manchmal etwas derbe Sprache
- dumm-dämliche Polizisten
- einige Längen
- schlechte Verarbeitung

Wertung:

Handlung: 3/5
Charaktere: 3/5
Lesespaß: 3/5
Preis/Leistung: 2/5


Rezension zu "Der Prinzessinnenmörder"