Empfehlungen und Enttäuschungen: Der Jahresrückblick 2010

Liebe LeserInnen,

das aktuelle Jahr hat nur noch wenige Stunden zu überstehen, dann darf es das Zepter an das neugeborene, ganz frische Jahr 2011 abgeben. Wir möchten uns abschließend mit einer Übersicht von einem erfolgreichen Jahr mit insgesamt 472 Rezensionen verabschieden, in der wir zur Abwechslung nicht nur unsere Top-Empfehlungen des Jahres vorstellen, sondern auch noch mal die ganz persönlichen Enttäuschungen aus der Redaktion benennen möchten.



Jessica

TOP:
Eines der für mich wichtigsten Bücher 2010 ist etwas unkonventionell und gehört gerade deshalb auf die Liste der Bücher des Jahres. In “Vogelstimmen“ beschäftigt sich Dirk Bernemann einmal mehr mit dem großen Thema der Vergänglichkeit. Der namenlose Protagonist ist ein Mensch wie du und ich, was es leicht macht, sich mit ihm zu identifizieren. Besonders beeindruckend fand ich die trotz des schwierigen und teilweise unschönen Themas sehr poetische Sprache, die Wellen in den Gedanken des Lesers schlägt und einfach fesselnd ist. Bernemann hat ein Händchen für schwierige Themen, was er mit diesem Buch wieder einmal unter Beweis stellt. Ein Buch, das in jedes gut sortierte Regal gehört und mit dem man sich länger als nur die beschriebenen Seiten befassen sollte.

FLOP:
Enttäuschungen gab es in diesem Jahr ebenfalls einige, doch am wenigsten mich konnte das Debüt “Flüsterndes Gold“ von Carrie Jones überzeugen. Selbst für einen Fantasy-Roman ist das Buch voller haarsträubender Absurditäten, deren Vielzahl und Artenreichtum den wenigen Spaß am Lesen mit jeder Seite mehr verderben. Obwohl die Grundidee überzeugend ist, schafft es die Autorin nicht, diese gut umzusetzen. Die Last des Hoffnungsträgers auf Besserung liegt nun auf den Schultern der Folgebände, die das Ruder der geplanten Trilogie vielleicht doch noch herumreißen können.



Markus

TOP:
In der Fülle der diesjährigen guten und sehr guten Comics, wie Siegfried, Rocketeer, Bone und vor allem der Jeff Jordan Gesamtausgabe, fällt es mir schwer, einen als wirklich besonders herauszugreifen. Aber “Dracula“ von Pascal Croci und Francoise-Sylvie Pauly ist für mich einer der besten dieses Jahr. Sein Dracula ist einzigartig in Gestaltung und Aufbau. Seine Bilder sind düster und bedrohlich und doch faszinierend anzusehen. Vor allem sein Mut, den Grafen selbst nicht darzustellen, hebt Crocis Version aus der Masse der Umsetzungen hervor. Denn trotz allem ist er immer allgegenwärtig in den Bildern. Eine mehr als eine würdige Umsetzung des Romans von Bram Stoker.

FLOP:
Mittlerweile gibt es unzählige Fantasy-Bücher und -Reihen und damit fällt es den einzelnen Autoren schwer sich voneinander abzuheben. Jo Zybell gelingt dies mühelos, leider im negativen Sinn. Seine “Tochter der Goldzeit“ dürfte den Tiefpunkt der diesjährigen Fantasy-Neuerscheinungen markieren. Mit platten Standardcharakteren, einer einfallslosen Geschichte und einem ebenso einfallslosen und platten Schreibstil, weiß er in keiner Weise zu überzeugen. Große, fesselnde Fantasy-Epen sehen anders aus. Der Roman ist ein reisengroßes Ärgernis für Fantasy-Fans.



Lukas

TOP:
Schon im Februar zeichnete sich für mich ab, dass “Der Kinderdieb“ von Brom das beste Buch des Jahres werden könnte. Die nie enden wollende Anziehungskraft von Peter Pan und sein Kampf gegen das Erwachsenwerden entfaltet sich besser denn je. Packend und bis zum Ende durchdacht hat mich die Geschichte in den Bann gezogen und nicht mehr losgelassen. Das Geschehen ist unerwartet brutal und erbarmungslos, was ein ganz neues Licht auf die Originalgeschichte von James Metthew Barrie wirft. Das Sahnehäubchen ist die Aufmachung. Die Illustrationen von Brom selbst sind schlichtweg genial und bereichern den Roman ungemein.

FLOP:
Am meisten enttäuscht hat mich “Judassohn“ von Markus Heitz. Das Buch verfehlt sein Ziel originell, spannend und gut zu sein um 180°. Anders als gewohnt dümpelt die Geschichte um die drei Protagonisten vor sich hin und wird ständig von grundloser Gewalt und schlechten Sexszenen unterbrochen. Das unvorhersehbare Ende und zahlreiche Andeutungen auf andere Werke können gerade noch das Schlimmste verhindern.



Dennis

TOP:
Mein Überraschungshighlight 2010 war der ungemein fesselnde Cyber-Thriller “DAEMON“ von Daniel Suarez. Nicht viele Bücher vereinen derart geschickt ein wahnsinnig hohes Erzähltempo mit einer cleveren Handlung. Die Brisanz des Themas wird in Zukunft sogar noch steigen und die aufgeworfenen Fragen noch mehr Menschen berühren. Für Leser „am Puls der Zeit“ ist mein Buch des Jahres 2010 daher ein Pflichtkauf.

FLOP:
Ebenfalls topaktuell versprach “Der Mensch von Morgen“ von Norbert Bachl und Erich Vogl zu werden. Jedoch war die Umsetzung dieses an sich spannenden Themas für mich eine Enttäuschung und wirkte wie der angestrengte Versuch zweier Fachleute, ihr Spezialgebiet in Buchform zu pressen. Die Tatsache, dass die Umsetzung so uninspiriert war wie eine Krawatte unterm Christbaum war dabei fast so schlimm wie die, dass weite Teile für Laien schlichtweg unverständlich bleiben dürften.



Patricia

TOP:
Hier konnte es dieses Jahr nur ein Buch, bzw. eine Reihe werden - die Edelsteintrilogie von Kerstin Gier fand mit “Smaragdgrün“ zu aller Bedauern ihr Ende. Kerstin Gier hat eine unwahrscheinlich komplexe Geschichte ersonnen, die bis in die kleinsten Nebenrollen hervorragend besetzt war. Liebevolle Details, Situationskomik, Ironie, Sarkasmus und ein guter Schuss Romantik wurden zu einem exzellenten Menü vermischt, bei dem man gerne die Hauptdarsteller an die Seite schob um sich ganz all den guten Geistern und sympathischen Nebendarstellern zu widmen. Selbst die Bücher sind dermaßen exquisit gestaltet, dass sie eine wirkliche Bereicherung für das Bücherregal sind. Eine gute Portion Magie gemischt mit viel Romantik und der unendlichen Phantasie der Autorin machten jede einzelne Seite zu einem wahren Highlight.

FLOP:
Ein Held wird vom Podest gestoßen, wie war Robin Hood eigentlich wirklich? Brutale, grausame Schilderungen machten das Buch “Der Barde“ von Angus Donals nicht gerade zu einem Lesevergnügen. Mag sein, dass die Zeit damals wirklich so war, aber man muss es ja nicht bis ins kleinste Detail wiedergeben. Für mich einfach zu viel der Grausamkeiten, die Charaktere konnten sich auch nicht in mein Herz schleichen.



Eva

TOP:
Mein persönliches Highlight des Jahres ist “Engel der Nacht“ von Becca Fitzpatrick. Dieses Buch ist derartig fesselnd, dass man es einfach nicht mehr aus der Hand legen kann. Dabei war mir anfangs nicht ganz klar weshalb, denn die Grundidee ist nicht unbedingt neu und überragend. Trotzdem hat es die Autorin mit ihrer Art zu schreiben geschafft, eine absolut düstere und zugleich aufregende Atmosphäre zu schaffen, die mich nicht mehr losgelassen hat. Und seien wir mal ehrlich: Wenn mir Patch Cipriano über den Weg laufen würde, könnte ich auch nicht meine Finger von ihm lassen.

FLOP:
Mein Lowlight des Jahres war “Die erste Wahrheit“ von Dawn Cook, dabei hätte die Story wirklich viel Potential für ein spannendes Fantasy-Epos gehabt. Diese Chance hat die Autorin aber nicht ergriffen. Und so musste ich mich das ein oder andere Mal zwingen, das Buch nicht aus den Händen zu legen. Die Charaktere fand ich absolut gut gelungen, allerdings kommt schnell Langeweile auf, wenn die ganze Zeit nur genäht, gekocht und Flöte gespielt wird. Jegliche Spannung wurde sofort im Keim erstickt, als könnte der Leser nichts Aufregenderes als Hausarbeit ertragen.



Angelika

TOP:
Zu den Höhepunkten des vergangen Jahres kann und muss man Brandon Sandersons Mistborn-Trilogie zählen, die mit dem zweiten Band im Mai 2010 fortgesetzt wurde und mit “Herrscher des Lichts“ unlängst ein würdiges Ende fand. Selten verzaubert Fantasy so über die Maßen. Selten lässt einen der Inhalt so vieler Seiten so wenig los. Leser, die erleben wollen, was Religion bedeutet und welche Wirkung ein unerschütterlicher Glaube haben kann, sind hier richtig und werden darüber hinaus eine einzigartige Magie-Form genießen, die für lange Zeit wohl nicht zu übertreffen sein wird.

FLOP:
Enttäuscht hat hingegen die Dark Fantasy Autorin Jeaniene Frost und das in diesem Jahr sogar zwei Mal mit ihren Fortsetzungen von “Blutrote Küsse“ und “Kuss der Nacht“. Beide sind Bücher, die sich kein Fan dunkler Liebesgeschichten entgehen lassen sollte, die aber mit ihren Nachfolgern “Gefährtin der Dämmerung“ und “Der sanfte Hauch der Finsternis“ unwürdig fortgesetzt wurden. Lieblos möchte man fast sagen und in diesem Sinn bleibt dem Leser nur zu hoffen, dass sich Jeaniene Frost besinnt und wieder so fabelhafte Romane schreibt wie zu Beginn. Ihre Fans werden es danken, besonders dann, wenn sie das Gefühl haben, dass es im nächsten Jahr vielleicht nicht mehr nur darum geht, eine Fortsetzung nach der anderen veröffentlicht zu sehen.



Judith

TOP:
Mit “Grim - Das Siegel des Feuers“ hat Gesa Schwartz dieses Jahr ein Wahnsinnsdebüt hingelegt. Besonders beeindruckt war ich von ihrem ausgereiften Stil, der die Geschichte zu einem wahren Lesegenuss macht. Es gibt viele Szenen, die einen beim Lesen einfach packen - der Roman ist ein phantastisches Kunstwerk aus verschiedensten Fantasyelementen und Gesa Schwartz gehört für mich zu den vielversprechendsten Talenten des Jahres. Ein spannendes Abenteuer, gespickt mit facettenreichen Charakteren, untermalt von einem traumhaften Stil und umrahmt von faszinierenden Welten - was will man als Leser mehr?

FLOP:
Sehr enttäuschend war für mich dieses Jahr der dritte Evermore Band. “Das Schattenland“ knüpft leider an die Entwicklungen aus “Der blaue Mond“ an und lässt die Protagonistin Ever zu einer ständig fehlermachenden Heulsuse verkommen. Dabei begann die Reihe mit “Die Unsterblichen“ relativ vielversprechend. Es waren Schwächen zu erkennen, aber die Geschichte hatte eigentlich viel Potential und die Liebe zwischen Ever und Damen war schlichtweg total süß. Aber eine Reihe von den Fehlern der Protagonistin leben zu lassen? Das funktioniert einfach nicht. Und bei “Das Schattenland“ hörte ich sogar von Fans der Serie enttäuschte Worte ...



Auch im nächsten Jahr werden wir euch wieder mit zahlreichen Rezensionen aus allen Genres der Literaturwelt versorgen. Wir hoffen, euch mit der einen oder anderen Buchvorstellung von einem Kauf überzeugt zu haben, und wünschen euch schon jetzt ein großartiges und lesereiches Jahr 2011.

Einen guten Rutsch,
euer Literatopia-Team


Das Best Of des Jahres 2009