Die Legende von Sigurd und Gudrún (J.R.R. Tolkien)

Verlag: Klett-Cotta
Gebundene Ausgabe: 560 Seiten; 24,90 €
Sprache: Deutsch, Englisch
ISBN-13: 978-3608937954

Genre: Sage/ Legenden


Klappentext

Ein neu entdeckter Tolkien!

Hervor kam Fáfnir
Feuer schnaubend,
den Berg hinunter
blies er giftigen Dunst.


J.R.R. Tolkiens Version der großen Sage der nordischen Welt ist eine Sensation für die Nibelungendichtung und ein wunderbares Geschenk für alle Tolkienfans


Rezension

Es ist ein offenes Geheimnis, dass sich J.R.R. Tolkien für seine Mittelerde und seinen „Herrn der Ringe“ von der Edda, den Sagen des Nordens, inspirieren ließ.Als Sprachwissenschaftler widmete er sich schon früh der nordischen Dichtung, sei es der Beowulf der englischen Dichtung oder die Edda des Nordens, alles weckte sein Interesse und in mehr als nur einer Weise beeinflussten diese Geschichten sein eigenes literarisches Werk. In den zwanziger Jahren des vorherigen Jahrhunderts hielt er sogar Vorlesungen und Vorträge über die Götter- und Heldenlieder des Nordens. Somit scheint es nur natürlich, dass er sich ihnen auch selbst in literarischer Form widmete. Mehr als er es selbst mit der Entlehnung von Namen für seinen „Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ schon ohnehin tat. Und so ist die Existenz einer Neudichtung des Sigurdliedes von Tolkien nicht verwunderlich, eher die späte Entdeckung und Veröffentlichung seiner Fassung durch Christopher Tolkien, seinem Sohn.

Dabei widmet sich Tolkien dem Wölsungenlied und damit der Geschichte Sigurds, oder wie er in Deutschland genannt wird: Siegfried. Diese Sage scheint zwar germanischen Ursprungs zu sein, fand ihre Schriftform, aber in der Edda und somit stützt sich Tolkien auf die nordische Fassung der Siegfriedsage und es gibt für den deutschen Leser so manche Überraschung und Neues zu entdecken, z.B. weicht die Edda in der Darstellung von Siegfrieds/Sigurds Tod von der bekannten Sage stark ab. Nicht Hagen ist es, der Siegfrieds Tod herbeiführt und genauso wenig hat Sigurd im Drachenblut gebadet. Zwei von vielen Unterschieden, die das Lesen allein schon interessant gestalten.

Viel faszinierender ist aber J.R.R.R. Tolkiens Stil in diesem speziellen Fall. Als jemand, der sich sein ganzes Leben mit Literatur beschäftigte, war er mit den Verfassern von Teilen des Wölsungenliedes nicht zufrieden. Im Gegenteil er hielt sie für Stümper. Deswegen machte er sich daran, „Die Legende von Sigrud und Gudrún“ neu zu verfassen. Er editierte, wählte aus und ergänzte, wo es nötig war, z.B. fehlen in der „Älteren Edda“ acht Pergamentblätter, die große Teile des „Langen Sigurdliedes“ beinhalten. Diese Lücken vervollständigte Tolkien mit seinem umfangreichen Wissen um die nordische Mythologie. 
Allerdings tat er dies nicht in einem Prosatext. Er stellte sich der ungeheuren Aufgabe, seine Version der Sage im althergebrachten Versmaß des Stabreims zu verfassen. Jenem Versmaß indem schon die alten Dichter schrieben. Mit Sicherheit nicht leicht, klingt der Stabreim für heutige Leser und Zuhörer doch sehr ungewöhnlich. Sich reimende Enden existieren nicht und damit allein ist schon ein großer Unterschied zu gewohnter Dichtkunst gegeben. Aber Tolkiens Entscheidung und Begründung für den Stabreim kann man nur zustimmen. Durch diese Art des Abfassens entwickelt der Text eine Wucht und Wortgewalt, die eine solch alte und große Sage einfach braucht. Die Ereignisse überrollen Leser wie Personen, wenn man es denn schafft sich darauf einzulassen. Denn mit Sicherheit ist Tolkiens Art nicht für jeden geeignet und manch einer mag sich sogar langweilen. Hat man aber Interesse an Sigurd/Siegfried und kann mit Experimenten literarischer Art etwas anfangen, wartet auf den Leser ein wahrlich beeindruckendes Werk. Und das auch in der deutschen Version. Hans- Ulrich Möhring hat sich, ebenso wie einst Tolkien, intensiv mit dem Versmaß des Stabreims auseinandergesetzt und hat eine dem Originaltext ebenbürtige Übersetzung geschaffen, wie man leicht bei einem Vergleich feststellen kann. Denn Klett-Cotta hat sich entschieden, sowohl Übersetzung, als auch Tolkiens englischen Text abzudrucken. Auf der linken Seite drei Strophen Tolkiens, auf der rechten drei von Möhring.

Ergänzt wird das Wölsungenlied von einer Vielzahl von Anmerkungen aus der Feder von Tolkiens Sohn Christopher, die höchst informativ sind und so manche Begrifflichkeiten klären, unter anderem woher der Name Edda stammt. Aber auch ein Vortrag, den Tolkien einst hielt, ist abgedruckt. Alles in allem ein wirklich gelungener Einblick in die nordische und germanische Sagenwelt.


Fazit

Wortgewaltig und überwältigend. Besser kann man wohl nicht umschreiben, was den Leser erwartet, wenn er sich auf Tolkiens Version „Der Legende von Sigurd und Gudrún“ einlässt. Die Kraft der alten Sage ist spürbar und zeigt, dass die alten Legenden immer noch die besten Geschichten sind.


Pro & Contra

+ Original und Übersetzung sind nahezu gleichwertig
+ Abdruck in Gegenüberstellung von deutschen und englischen Strophen
+ wortgewaltig und bildreich

Bewertung:


Informationsgehalt: 5/5
Handlung: 5/5
Lesespaß: 4,5/5
Preis/Leistung: 4/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von J.R.R. Tolkien:

Rezension zu Das große Hobbit Buch mit Anmerkungen von Douglas A. Anderson
Rezension zu Der Herr der Ringe mit Illustrationen von Alan Lee
Rezension zu Der Hobbit mit Illustrationen von Alan Lee
Rezension zu Der Untergang von Númenor

Tags: J.R.R. Tolkien