Wunderlich (Dezember 2009)
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag
ISBN: 978-3-8052-0883-3
€ 14,90 [D] / 220 Seiten
auch als Taschenbuch erhältlich
Genre: Krimi / Belletristik
Klappentext
Fröhliche Weihnacht überall? Weit gefehlt! In den schottischen Highlands findet man im Schnee zwei Leichen, in den USA wagt sich eine traumatisierte Polizistin zurück in das Haus, in dem sie fast bestialisch ermordet worden wäre. In Finnland wird an Heiligabend ein kleines Mädchen entführt, im Grunewald bekommt ein allein lebender älterer Herr unheimlichen Besucht.
Inhalt
„Schneefall“ von Simon Beckett; „Die Rückkehr des Mörders“ von Oliver Bottini; „Verfluchte Liebe“ von Chris Mooney; „Wo es dem Verbrecher schmeckt“ von Friedrich Ani; „Wichteltod“ von Lindwood Barclay; „Die Weihnachtssterne“ von Leena Lehtolainen; „Euer Wille geschehe“ von Felicitas Mayall; „Der wahre Grund der Great Depression“ von Jay Bonansinga; „Der Baum“ von Veit Heinichen; „Mit einem Schlag“ von Kate Pepper; „Allein“ von Sebastian Fitzek
Rezension
„Draußen rieselt leise der Schnee – drinnen sorgen die beliebtesten internationalen Krimi-Autoren für Hochspannung unterm Weihnachtsbaum.“ Das und nicht weniger verspricht der Klappentext dieser Kurzgeschichtensammlung von Silke Jellinghaus, der es gelang eine ganze Reihe bekannter und namhafter Autoren für dieses Büchlein zu verpflichten. Man liest Namen wie Simon Beckett, der sich monatelang von der Spitze der Taschenbuch-Bestsellerliste nicht vertreiben ließ. Sebastian Fitzek, der neue deutsche Psychothriller-Star. Kate Pepper, Oliver Bottini und einige mehr. So vielseitig diese Autoren sind, so unterschiedlich wirken ihre Geschichten. Zumindest zum größten Teil. Von Seite zu Seite blätternd liest der geneigte Leser über bereits vermoderte Leichen, gestohlene Weihnachtsbäume, ausblutende Wichtel, gefährliche Überfälle, aber auch verstörte Geistliche oder psychopatisch veranlagte Protagonisten finden einen wohl verdienen Platz. Dennoch aber weiß Tödliche Gabe nicht gänzlich zu begeistern. Denn mögen manche Geschichten einzigartig, oder originell gestaltet sein, so schaffen es andere sich jedem Charme zu entziehen. Immer wieder beschleicht den Leser hierbei das unschöne Gefühl, dass die Herausgeberin ihr Augenmerk zu sehr darauf gerichtet hatte, besonders wohlklingende Namen zu präsentieren, ohne im Einzelfall zu hinterfragen.
Und so kommt es, dass das Thema Weihnachten (vor allem zu Beginn) im Hintergrund bleibt. Weder Simon Beckett, noch Chris Mooney oder Friedrich Ani gehen unter anderem direkt auf die besinnlichste Zeit des Jahres ein. Sie erzählen zwar zumeist gute Geschichten, schaffen es jedoch nicht mit den Beiträgen anderer Autoren mitzuhalten, die entweder die Erwartungen des Lesers an weihnachtliche Krimis erfüllen, oder zumindest mit frischen Ideen begeistern können. Als rettend kann hingegen Oliver Bottini, Linwood Barclay, Felicitas Mayall, Jay Bonansinga, Kate Pepper und Sebastian Fitzek bezeichnet werden. Diese Autoren haben es auf ihre Art sehr treffend geschafft den Leser durch und durch zu unterhalten und schmücken vorwiegend die zweiten Hälfte dieser Sammlung, die schlussendlich durch die geballte, abschließende Ladung Spannung und Niveau noch überzeugen kann. Da es den Rahmen sprengen würde auf alle Werke einzeln einzugehen, hier nun ein paar ausgewählte Einblicke:
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„Er wusste, dass er kein besonders guter Schachspieler war, es ärgerte ihn längst nicht mehr. Kein besonders guter Vater, kein besonders guter Ehemann, kein besonders guter Polizist. Es hatte eine Weile gedauert, inzwischen war er mit sich im Reinen. Er war ja nicht schlecht. Er war nur einfach nicht besonders ...“
Einmal Mörder, immer Mörder? Mit dieser Frage beschäftigt sich Oliver Bottini in seiner Kurzgeschichte Die Rückkehr des Mörders, die so gar nicht weihnachtlich sein will: Hans Martensen steht für Recht und Ordnung ein. Zumindest so gut er kann. Denn der gar nicht besondere Polizist müht sich dabei, sich wenigstens selbst zu genügen. Als nach vierzehn Jahren der Mörder Janisch aus der Haft entlassen wird, muss der Polizist die Prozessbeteiligten warnen. Ein vermeidlicher Wettlauf mit der Zeit beginnt, der den Leser nachdenklich zurückblicken lässt. Actionlos, berührend und einfach durchweg gut gelungen.
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„Fröhliche Weihnachten“, sagte ich. Dann machte ich mich auf den
langen Weg über das Hochmoor zurück zu meinem Wagen.
Schneefall von Simon Beckett erzählt die äußerst kurze und eher inhaltslose Geschichte Dr. Hunters, der – wie sich herausstellt zu Weihnachten – das warme Haus verlässt, um einen vermeintlichen Doppelmord aufzuklären. Es ist eine sehr kurze, wenig einnehmende Story, die dieser Autor seinen Lesern präsentiert. Sie bleibt nicht nur hinter den gemachten Erwartungen hinweg sondern enttäuscht auf ganzer Linie.
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Wichteltod von Linwood Barclay ist mitunter einer der gelungensten Kurzgeschichten dieser Sammlung. Sie weiß mit unterschwelligen Humor ebenso zu überzeugen wie mit Spannung und besticht zusätzlich mit einem sympathischen Protagonisten, der zwar stellenweise zu nervenstark präsentiert wird, dennoch aber im Rahmen der Handlung bestechen kann. Durchweg packend schildert der Autor den Verlauf eines Überfalls mit Geiselnahme, der einen unglücklichen Ausgang für alle beteiligten Wichteln nimmt. Weihnachtsmann und Linwood Barclay sei Dank!
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Euer Wille geschehe beweist, wie originell man einen im Kloster lebenden Priester in die Wirrungen des Lebens verwickeln kann, die er schon nicht mehr zu kennen glaubt. Früher von innerem Frieden geleitet, muss sich der in die Jahre gekommene Mann eingestehen, dass er sich selbst, sowie sein Alltag längst nicht mehr genügt. Felicitas Mayall beschreibt seinen Zwiespalt und sich anbahnenden Wahn sehr nachvollziehbar und schafft es, den Leser zum Ende hin nachdenklich schmunzeln zu lassen.
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„Von schleichendem Entsetzen befallen, floh der Gedächtnislose in jener Nacht in die Dunkelheit eines brachliegenden Bohnenfeldes, und er floh weiter und weiter, so schnell seine ausgemergelten Beine ihn trugen, als könne er damit der grauenhaften Erkenntnis entkommen, die ihm durch Mark und Bein fuhr: Das war seine Schuld! Er hatte das alles über die Welt gebracht!“
Mit vierzig Seiten ist Der wahre Grund der Great Depression die längste Geschichte dieser Sammlung, die Jay Bonansinga dadurch auch gut in Szenen zu setzen weiß. Im Vergleich zu anderen Kurzgeschichten bemerkt man, wie viel besser es ist, sich Zeit zu lassen und geruhsam zu erzählen. Alles andere als geruhsam ist hingegen die Handlung, in der sich ein Mann ohne Gedächtnis auf der Flucht befindet und mehrere Male nur knapp dem Tod entkommt. Warum tatsächlich wird erst am Ende klar und ebenso wie die Auflösung gefällt die Andeutung, dass Kinder – oder zumindest unbeschwerte, sich der Welt öffnende Menschen – oft mehr sehen können, als Erwachsene in ihrer emotionalen Starre und ihrer Auffassung von Wirklichkeit.
Fazit
Auf über zweihundert Seiten präsentiert Silke Jellinghaus mit Tödliche Gaben eine Auswahl an mehr oder weniger weihnachtlichen Kriminalgeschichten, die es leider nur zum Teil wirklich in sich haben. Weihnachten hätte vermehrt im Vordergrund stehen und einzelne Geschichten ausführlicher sein können, um tatsächlich mitzureißen. So bleibt eine nett zu lesende Kurzgeschichten-Sammlung, die sich im Grunde zu jeder Jahreszeit genießen lässt und deren Anschaffung sich als Taschenbuch durchaus lohnen kann!
Pro & Contra
+ abwechslungsreiche Geschichtenauswahl
+ namhafte Autoren, die punkten können
+ schnell zu lesende Unterhaltungsliteratur
+ spannend, fesselnd …
- … doch leider auch manchmal platt
- es mangelt oftmals an Länge und emotionaler Tiefe
- zu wenig weihnachtlich
Wertung:
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