Jasmyn (Alex Bell)

Rowohlt Polaris (Februar 2010)
gebundenes Buch, 397 Seiten
ISBN: 978-3-86252-005-3
€ 14,95 [D]

Genre: Mystery / Dark Fantasy


Klappentext

Als ihr Ehemann Liam stirbt, zerbricht für Jasmyn eine Welt. Doch für Trauer bleibt wenig Zeit. Unheimliche Dinge geschehen: Bei der Beerdigung fallen aus den Wolken fünf schwarze Schwäne auf das Grab. Liams Eltern meiden Jasmyn plötzlich, ein Fremder bricht in ihr Haus ein, ohne etwas zu stehlen. Jasmyn beginnt, sich zu fragen, wie gut sie ihren Mann kennte. Und was er vor ihr verborgen hat. Die Suche nach Antworten führt sie in eine Welt der dunklen Magie, alter Legenden und mitten in einen erbitterten Kampf zweier Brüder.


Rezension

Alex Bell, geboren 1986, träumte schon als Kind davon Schriftstellerin zu werden. Neben ihrem Jurastudium schrieb sie an ihrem ersten Roman und lebt heute als Schriftstellerin zusammen mit ihren fünf Katzen und einem Hund in Hampshire. Jasmyn ist ihr erster, in deutscher Sprache publizierter Roman, dem hoffentlich noch viele folgen mögen und der das Potenzial besitzt, seine Leser wahrlich zu verzaubern.

>> Ein Buch wie dieses haben Sie noch nie gelesen. Ja, ich höre, dass Sie protestieren. Aber dennoch, ganz gleich wie alt Sie sind, wie viele Bücher Sie schon gelesen und was Sie alles erlebt haben mögen: Diese Geschichte wird für Sie etwas Neues sein. Vielleicht verfolgt Sie sie später sogar noch eine Weile ... <<

Jasmyn ist am Ende ihres Lebens angekommen. Sie fühlt sich, als wäre ihr ganzes Selbst mit ihrem verstorbenen Ehemann unter die Erde gewandert. Direkt in das Vergessen hinein, in das auch sie folgen möchte. Doch anstatt sich ihrer Trauer ganz hingeben zu können, um irgendwie ein bisschen Erlösung zu finden, muss sie erfahren, dass ihr Mann ein anderer war, als er vorgegeben hat. Ein Mann mit Geheimnissen. Dunklen, tiefschwarzen, die Jasmyn dazu zwingen, sich auf eine lange Suche zu begeben, an deren Ende sie schreckliche Wahrheiten und wundersamste Märchen erwarten.

“Ein Buch wie dieses haben Sie noch nie gelesen.“ So und nicht anders eröffnet Alex Bell ihren Prolog und zwingt den Leser dazu, die Stirn zu runzeln. Denn es scheint nicht nur abwegig, sondern sogar überheblich zu behaupten, etwas vollkommen Neues zu präsentieren. Mit einem Satz zu werben, der schlussendlich doch – wie viele andere Versprechungen mancher Autoren – einmal mehr nur ernüchtern kann. Trotzdem lässt man sich auf weitere Worte ein und bekommt prompt eine wunderbare Warnung oben drauf: „Fangen Sie nicht mit dem Buch an, außer Sie haben auch wirklich vor, es bis zum Ende durchzulesen.“ „Alles klar“, mag vielleicht der abfällige Gedanke mancher Leser sein, die dieses Buch in den Händen halten. Dennoch aber muss man der Autorin zugestehen, dass sie nicht nur eine hohe Erwartung, sondern auch eine große Portion Neugierde berauschend gefährlich zu schüren versteht. Und ebenso berauschend wie spannend ist der Beginn des Romans. Alex Bell schildert voller Emotion die sich langsam entwickelnden Ungereimtheiten, die den Leser rätseln und die Protagonisten verzweifeln lassen. Sie spart hierbei keine Gelegenheit aus, mysteriöses zu präsentieren und zeigt durch Jasmyns Augen wie schnell sich eine mühsam zusammengehaltene Realität verändern kann. Der geliebte Mann wird zum Lügner. Die Schwiegereltern zum Feind und der bis dahin unheimliche Schwager zum Freund wider seines Willens. Die Charaktere sind vielfältig. Die Möglichkeiten so unbegrenzt, dass sie nur wenig vorausahnen lassen.

Unberechenbar bleibt allem voran Ben, der als undurchschaubarer Schwager brilliert und Jasmyn fortwährend von sich weist. Er wirkt manchmal furchtbar verstört und ebenso verletzt wie zornig. Warum ist vorerst unklar, obwohl Alex Bell ein wenig durchblicken lässt. Allerdings lange nicht ausreichend genug um ahnen zu können, welch grausames Spiel mit Jasmyn tatsächlich getrieben wird. Sie ist als Protagonistin quasi zu jeder Zeit im Ausnahmezustand, was es schwer macht ihren Reaktionen zu vertrauen. Trotzdem jedoch fühlt man mit ihr und ist in der Lage sich an ihrem Charakter zu erfreuen, der zu keiner Zeit künstlich wirkt. Stattdessen schlägt einem pure Ehrlichkeit entgegen. Eine, die es nicht unbedingt immer leicht macht, Jasmyn zu mögen, dennoch aber reizvoll anzusehen und menschlich ist. Mit ihr, Ben und den anderen Charakteren ist dieser Roman bis in die kleinsten Nebenrollen wirklich großartig und authentisch besetzt.

Authentizität, die für Jasmyn nicht selbstverständlich ist. Denn abgesehen von den Charakteren, deren Motiven und der Handlung wird es zum späteren Zeitpunkt wirklich sehr märchenhaft. So märchenhaft, dass es vielleicht für manche Leser lächerlich sein könnte, die mystischen Elemente zu verfolgen und deren Sinn zu verstehen. Man liest von schwarzen Schwänen, umherschwirrenden Federn, Feen, magischen Pferden, Rittern und nicht zuletzt von einem Gesang, dem es möglich ist verschiedenste Gestalten anzunehmen. (Ja, Gesang.) Darüber hinaus weiß Alex Bell jedoch mit Sicherheit genug andere Leser zu überzeugen, denn ihre Idee, Schloss Neuschwanstein einzubringen und dessen Legende (die zuletzt mit Black Swan im Kino Erwähnung fand), ist wirklich grandios. Ein altes Märchen voller Deutungsmöglichkeiten, voller Romantik und voller Reize, die es für schlimmböse Antagonisten auszubeuten gilt. Bezaubernd. Fesselnd. Schlicht: gewaltig gut. Ein Buch wie dieses (obwohl die Grundelemente durchaus vertraut sein müssten) hat man tatsächlich in dieser Form noch nicht gelesen, denn es vermengt sehr vieles, ohne darüber hinaus überladen zu sein und sticht damit aus der Masse düsterer Dark Fantasy- und Mystery-Romane wohltuend hervor. Leser die jedoch einen weiteren Roman mit einem gut gestalteten Vampir-Ersatz erwarten, sollten die Finger davon lassen. Denn Jasmyn stellt eher Märchen und Legenden in den Vordergrund.

Haben Sie schon einmal ein düsteres Märchen gelesen, das Sie noch eine ganze Zeit danach gefesselt hat? Eine Geschichte, die ohne jeden Zweifel nur ein Gespinst der Phantasie war, die ber dennoch ein Körnchen Wahrheit enthielt, dass Sie so quälte wie die Erbse unter der Matratze der Prinzessin? Märchen sind nicht in Stein gemeißelt, sie verwandeln sich ständig und wechseln ihre Gestalt. Gleichzeitig liegt ihnen immer eine wahre Begebenheit zugrunde, die sich irgendwann wirklich zugetragen hat.

(Seite 7)


Fazit

Ein sprichwörtlicher Volltreffer der leichten Unterhaltungsliteratur bei dem das einzige Manko darin besteht, dass auch dieser Roman ein Ende hat. Ein gut gelungenes, das leider eine Frage zurück lässt, die Alex Bell hoffentlich nicht weiter in einer Fortsetzung behandeln wird. Denn so wie sich dieses Buch alleine und ohne Erweiterung präsentiert, ist es einfach nicht durch irgendeinen (konsumorientierten) Auswuchs zu schlagen. An alle Mystery- und Märchen-Fans: Lesen!


Pro und Kontra

+ authentische, ehrliche Protagonisten
+ packend von Anfang bis Ende
+ nachvollziehbare Charaktere
+ märchenhafte Elemente
+ gut recherchiert

o einfacher, flüssiger Stil

- eine Zukunftsfrage bleibt ungelöst

Bewertung:

Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 4,5 / 5
Lesespaß: 5 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5