Teufelszeug (Joe Hill)

Heyne (Oktober 2010)
Hardcover, 544 Seiten
ISBN: 978-3453265615
€ 19,99 [D]

Genre: Horror


Klappentext

Völlig verkatert schaut Ig Perrish morgens in den Spiegel: Ihm wachsen Teufelshörner aus der Stirn! Was hat er in der Nacht zuvor getrieben? Dabei hat er schon sein Fegefeuer durchlebt, weil ihm niemand glaubt, dass er nichts mit der grausamen Ermordung seiner Freundin zu tun hat. Als Ig sich auf die Suche nach dem wahren Übeltäter macht, ist auf einmal die Hölle los ...


Rezension

Als Ig Perrish eines Morgens in den Spiegel schaut, läuft es ihm warm und nass das Bein herunter. Auf seinem Kopf prangen zwei Hörner. Sie sind mit seinem Schädelknochen verwachsen und somit ein Teil seines Körpers. Verwirrt geht er zum Arzt, auf seinem Weg dorthin erzählen ihm plötzlich völlig fremde Menschen, was für furchtbare Sachen sie am liebsten tun würden. Gedanken aus den tiefsten Abgründen ihrer Seele. Da wird Ig klar, dass er ein Teufel ist. Eine Interessante Wendung in seinem Leben. Mit seinen neuen Fähigkeiten gelingt es ihm vielleicht endlich zu beweisen, dass er nicht derjenige war, der seine Freundin umgebracht hat. Zwar konnte ihm das keiner nachweisen, aber ihn ebenso wenig von der Schuld freisprechen. Bald schon soll er die Wahrheit erfahren und diese wird ihm nicht gefallen.

In Familien mit mindestens einem erfolgreichen Musiker, Schauspieler und/oder Autor versuchen die Kinder häufig, es ihren Eltern gleichzutun. Sei es aufgrund guter Gene oder der Unlust sich mit Ottonormalverbraucherarbeit herumzuschlagen. Am Namen schwer erkennbar fällt auch Joe Hill in diese Kategorie. Er versucht, in die unendlich großen Fußstapfen seines Vaters Stephen King zu treten. Ein hohes Ziel, das er mit seinem zweiten Roman "Teufelszeug" (engl. etwas besser "Horns") zumindest noch nicht schafft.

Der Roman beginnt sehr interessant und vielversprechend. Die Grundidee einen sterblichen mit Hörnern und teuflischen Fähigkeiten auszustatten, bietet eine Fantastilliarde an Möglichkeiten, eine gute Geschichte zu kreieren. Leider nutzt Hill etwa drei davon. Am schwersten wiegt aber seine Unfähigkeiten, sich auf ein Genre festzulegen. Dem deutschen Titel gerecht wird der Anfang. Mit einer Prise Humor und einem ironischen Augenzwinkern im Schreibstil schickt er einen Loser los, seiner Verwandlung nachzugehen. Nachdem aber die zehnte Person Ig seine perversen Wünsche und Taten preisgibt, ist Schluss mit guter Laune. Die Wortwahl ist dermaßen ordinär, dass selbst Hartgesottene die Schamesröte ins gesicht steigt. Es entwickelt sich eine unangenehme Stimmung wie in einem Dorf von zurückgebliebenen Hinterwäldlern aus einem Torture-Horror-Streifen. Dennoch möchte man weiterlesen, denn neben der Frage, wie Ig zu seinen Hörnern kommt, ist vor allem interessant, wer hinter dem Mord an seiner Freundin, Merrin, steckt. Überraschenderweise offenbart Hill den Täter innerhalb des ersten Fünftels, treibt damit den Spannungsbogen in die Höhe, um - dramaturgisch absolut daneben - eine hundertseitige Rückblende einzubauen. Keine Hörner, kein Mord. Plötzlich ist die Hauptgeschichte nebensächlich und Igs langweilige Kindheit steht im Vordergrund. Wie er Merrin kennenlernt, wie toll sein Bruder ist. Belanglose Kapitel dämpfen den Lesespaß und hätten zu einem großen Teil schlichtweg ausgelassen werden können, weil sie mit den zu klärenden Fragen nur wenig zusammenhängen. Kleine Brocken, die cineastisch immer wieder eingefügt werden, wären die bessere Wahl gewesen. Natürlich findet Hill auch wieder zurück in die Gegenwart, aber wieder bekommt Ig keine Gelegenheit, sich am Mörder zu Rächen, denn weitere Rückblenden werden eingeschoben. Dieses Mal aus der Sicht des Mörders. Spätestens jetzt hat Hill den Leser verloren. All die Rückblenden, um zum Schluss eine hanebüchene Auflösung aufgetischt zu bekommen.

"Teufelszeug" scheitert aber nicht nur an der Umsetzung der Story, denn Hill spendiert nicht einen sympathischen Charakter. Alle haben sie bizarrsten Gedanken und Geheimnisse, als wäre Ig in einer Irrenanstalt unterwegs. Damit wird die These, der Mensch sei schlimmer als der Teufel, zwar unterstrichen, aber Identifikationsfiguren entstehen so nicht. Nach eigenen Aussagen des Autors (siehe Interview bei Amazon) entsteht Horror aus Mitleid und Sympathie gegenüber dem Protagonisten. Aber Ig, als vom Schicksal gebeutelter Loser, gewinnt auch keinen Preis für die bemitleidenswerte Buchfigur. Alles was er macht - als Mensch und Teufel - ist halbherzig und wenig herzerwärmend. Statt seine Rache zu bekommen, lässt er sich verprügeln und sitzt im Rock in einer verlassenen Fabrik. Lediglich gegenüber Merrin könnte man Mitleid empfinden, wenn es einem zum Ende des Buches nicht schon gleichgültig wäre.
Natürlich sind die Figuren nicht flach, dazu hat Hill so viele Seiten in sie investiert, als schreibe er ein Familiendrama. Alle Beweggründe sind klar, logisch und ergeben Sinn. Dennoch wäre das alles subtiler gegangen.


Fazit

Vermutlich hat Hill, um sich mit seiner Individualität auszuzeichnen, versucht, etwas Neues zu erschaffen. Eine Unterart des Horrors, die mit seinem Namen in Verbindung gebracht wird. Das Resultat ist in diesem Fall ein Roman mit kaum vorhandener Spannung, da alles zu früh erklärt wird und Ig lieber rumsitzt und abwartet.


Pro und Kontra

+ Grundidee
+ anfangs vielversprechend
+ Charaktere sind nicht flach ...

- ... dafür unsympathisch
- ordinärer Schreibstil
- ellenlange Rückblenden mit wenig Sinn
- lahme Auflösung
- Potential bleibt ungenutzt

Beurteilung:

Handlung: 2,5/5
Charaktere: 2,5/5
Lesespaß: 2/5
Preis/Leistung: 2,5/5


Literatopia-Links zu weiteren Titeln von Joe Hill:

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Tags: Joe Hill, Horror