Das Lied der Sonnenfänger (Julie Peters)

Verlag Wunderlich, Januar 2011
Klappbroschur, 524 Seiten, € 14,95
ISBN 978-3805208963

Genre: Historik / Neuseeland


Klappentext

Man schreibt das Jahr 1894: Massenhaft wandern Familien aus dem von Hunger und Not geplagten Irland in die Fremde aus. Auch die O’Briens wollen sich in Neuseeland eine neue Existenz als Schafzüchter aufbauen. Doch das ferne Land hat seine eigenen Gesetze, die alles außer Kraft setzen, was die Auswanderer aus der Heimat kennen. Besonders die Frauen bekommen das zu spüren: Emily O’Brien, die Tochter der Familie, die eigentlich viel zu klug ist, um nur Hausfrau und Mutter zu sein. Aus Verzweiflung lässt sie sich auf eine Ehe ein, die sie ins Unglück stürzt.

Siobhan ist ihre zarte und empfindliche Schwägerin. Sie leidet ebenfalls in einer unglücklichen Ehe und gibt dem Werben eines „Wilden“, eines Maori, nach. Doch Liebe kann auch zerstören. Über allem steht der Überlebenskampf in der Fremde, die Gründung einer Existenz. Missernten, Unwetter und dann auch noch der Erste Weltkrieg erschüttern die drei Generationen der O’Briens. Es ist der Kraft der Frauen zu verdanken, dass die Familie nicht zerstört wird. Und schließlich bricht eine neue Zeit an in der Wildnis Neuseelands – eine Zeit der Frauen...


Die Autorin

Julie Peters, Jahrgang 1979, war Buchhändlerin und studierte Geschichte, ehe sie sich ganz dem Schreiben widmete. Heute arbeitet sie als Schriftstellerin und Übersetzerin und lebt mit ihrem Mann in Westfalen-Lippe.


Rezension

Edward O’Brien hat einen Traum, den Traum einer Schaffarm in Neuseeland. Zuhause in Irland ist er mit den Verhältnissen nicht mehr zufrieden, so kommt ihm die Mitgift von Siobhan, der Frau seines ältesten Sohnes Walter zur rechten Zeit. Mit einem Teil des Geldes kauft er eine Farm und Schafe, seine Familie folgt ihm in eine ungewisse, aber wohl ertragreichere Zukunft. Mit Walter, Siobhan und seiner Frau Helen kommen noch Edwards weitere Kinder Finn und Emily mit. Beide sind Freigeister, wobei Emily durch ihre Erziehung in starke Konventionen eingebunden ist. Sie ist ein Bücherwurm und viel zu intelligent für eine Frau zu ihrer Zeit. Ihre Mutter hat Angst, sie dadurch nicht standesgemäß verheiraten zu können und engt ihren Geist beständig ein. Finn dagegen ist ein Abenteurer, ihm kann es nicht aufregend genug sein, so ist er ständig auf der Suche nach neuen Abenteuern. Schnell wird ihm das Farmleben langweilig und er sucht neue Herausforderungen beim Goldgraben und im Burenkrieg.

Über mehrere Jahre hinweg begleitet man die Familie auf ihrem Lebensweg. Der Leser erlebt Glück und Leid, Missernten, Hochzeiten und unglückliche Liebschaften. Mit Amiri fügt die Autorin einen weiteren Hauptcharakter hinzu, der Maori begleitet die Familie als Verwalter über viele Jahre hinweg. Besonders Siobhan hat es ihm angetan, die in ihrer Ehe ihre ganz eigenen Probleme bewältigen muss und sich der enormen Anziehungskraft des Maori nicht lange entziehen kann. Leider kommt der Charakter und die Besonderheiten der Maori viel zu kurz, sie bleiben Nebencharaktere, die allerdings für die Geschichte von besonderer Bedeutung sind. Gefangen in ihren Konventionen können Emily und Siobhan nicht mit ihren Gefühlen umgehen, Männer hatten damals noch freie Hand und konnten ungehindert über ihre Frauen entscheiden. Wäre Emily lieber eine Schriftstellerin geworden, so unterdrückt sie aus Angst ihrer Mutter gegenüber diese Leidenschaft. Einzig Aaron, ein Freund ihres Bruders Finn, versteht sie, allerdings zaudert er zu lange und vermag es einfach nicht, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. So stürzt sich Emily aus Unsicherheit ins Unglück, ein Beinbruch wird ihr zum Verhängnis und treibt sie in eine Abhängigkeit, aus der sie sich nur mit viel Willensstärke wieder befreien kann.

Siobhan beweist ihre Stärke jeden Tag bei der Bewältigung der Arbeit auf der Farm. Sie bemüht sich, Walter eine gute Ehefrau zu sein, wobei sein zwiespältiger Charakter es ihr wahrlich nicht leicht macht. Tagsüber ist er liebevoll und zärtlich, nachts kann er seine Gefühle nur gewaltsam ausdrücken. Sein Verhalten passt einfach nicht zusammen, man zweifelt im ganzen weiteren Verlauf, ob man ihn nun mag oder nicht. Einerseits bemitleidet man ihn ob seiner Unfähigkeit, sich mitzuteilen, andererseits ist es unverständlich, dass er sich nicht bemüht, sich zu ändern und durch eigene Erfahrung sein Verhalten genauer unter die Lupe nimmt. Ein typischer Fall von nicht miteinander reden können. Ihre Beziehung ist ein ständiges Auf und Ab, gepaart mit Fehlern, in die sie durch ihre Charaktereigenschaften getrieben werden.

Der unglaublich mitreißende Schreibstil von Julie Peters katapultiert den Leser in eine Geschichte voller Gefühle, zwiespältiger Charakter und typischer Fehlentscheidungen von Männern, die von falschem Stolz und Ehrgeiz getrieben werden. Man bangt mit den Protagonisten um ihr Leben und erlebt fassungslos mit, wie unüberlegte Handlungen und Unwissenheit, sowie das damalige Korsett der Konventionen und die Stellung der Frau einschneidend die Entscheidungsfreiheit einengen und das Leben bestimmen. Die Seiten fliegen regelrecht vorbei, man ist versunken in einer gut recherchierten, fremden Welt, in der Männer sich durch ihre Taten identifizierten und Frauen listig und gewitzt sein mussten, um ein angenehmes Leben führen zu können. Die Charaktere sind wandelbar und lernfähig, so manches Mal überraschen sie uns mit unvorhersehbaren Handlungen, anderes wiederum erahnt man fast sofort, dass es eigentlich nur schief gehen kann. Das Cover ist wundervoll stimmig und hervorragend gewählt, es zeigt einen Teil des Sees, der überquert werden musste, da es zu dieser Zeit noch keine Straße gab, die in den Teil Neuseelands führt, wo die Geschichte spielt.


Fazit

Julie Peters hat einen eindrucksvollen Debütroman hingelegt, man folgt ihr gerne in fremde Welten und zurückliegende Zeiten. Ihr Erzähltalent tröstet über einige Unebenheiten hinweg und mit ihrem Versprechen, einen Fortsetzung mit der Familie O’Brien zu schreiben, kann man das Buch beruhigt zuklappen und sich auf ein Wiedersehen mit lieb gewonnen Charakteren freuen und voll Spannung sich das Gehirn zermatern, welche Ereignisse sich wohl noch in den Lebensweg der Protagonisten stellen werden.


Pro und Contra

+ mitreißender Erzählstil
+ Spannung durchgehend
+ interessante und wandelbare Charaktere
+ stimmige Lokalitäten
+ gut recherchiert
+ ungezähmte Landschaft

o von der Kultur der Maoris wird zuwenig erzählt
o Charaktere nicht eindeutig einzuordnen

- teilweise vorhersehbar
- Walters Handlungen passen nicht zusammen

Wertung:

Handlung: 4/5
Charaktere: 4/5
Lesespaß: 4/5
Preis/Leistung: 4/5