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Nachruf auf Albert Uderzo

Nachdem Asterix mit René Goscinny bereits 1977 einen seiner Väter verloren hat, ist nun Albert Uderzo am Dienstagmorgen im Alter von 92 Jahren in Paris verstorben und damit hat die Welt einen der besten und einflussreichsten Comiczeichner verloren.

Geboren am 25. April 1927 in Fismes zeigte er früh Talent fürs Zeichnen und brachte sich autodidaktisch alles bei, was er für seinen späteren Beruf als Comiczeichner benötigen würde. Seine Karriere begann mit der Zusammenarbeit mit einer anderen Comicgröße. Nicht mit René Goscinny, den er erst später treffen sollte, sondern mit Jean-Michel Charlier, der unter anderem gemeinsam mit Jean Giraud alias Moebius die wohl bekannteste Westernserie, Leutnant Blueberry, geschaffen hat. Uderzo und Charlier arbeiteten gemeinsam an Belloy, eine Ritterserie, die zumindest in Deutschland in Vergessenheit geraten ist und später dann an Tanguy und Laverdure einem Fliegercomic, der in Frankreich sehr populär ist und beweist, dass Albert Uderzo auch realistisch zeichnen konnte.

Bald darauf sollte er aber denjenigen treffen, mit dem er ein so geniales Team bildete, das einen Comicklassiker schuf, der weltweit und vor allem in Deutschland alles übertrifft. René Goscinny und Albert Uderzo begegneten sich 1951 und gemeinsam kreierten sie mehrere Comicreihen bis sie letztendlich ihre Figur fanden: Asterix! Der gallische Krieger hat eine Reihe von Brüdern, die immer in seinem Schatten stehen, wenn es um das Werk von Uderzo und Goscinny geht. Umpah-Pah und Pitt Pistol sind dabei die beiden bekannteren und gerade Umpah-Pah gilt als Vorläufer von Asterix, mit dem er sich inhaltliche Parallelen teilt.

Die Arbeitsteilung bei den Schöpfern von Asterix war klar. René Goscinny schrieb die Geschichten und Albert Uderzo zeichnete sie. Was sich so anhört, als habe Albert Uderzo wenig Mitspracherecht gehabt, war in Wirklichkeit aber eine Arbeit unter Freunden. Uderzo gestaltete seine Figuren und Seiten, so wie er sie sich vorstellte und versteckte in seinen detailreichen Bildern, im Hintergrund so manchen Gag. Genau wie Goscinny ist es ihm zu verdanken, dass Asterix ein solch großer Erfolg werden konnte. Sein Strich ist schwer nachzuahmen. Seine Figuren atmen eine ungeheure Lebendigkeit und selbst wenn er ihre Gestalt für den Humor nutzt, so gibt er sie nie vollkommen der Lächerlichkeit preist. Ihre Würde dürfen sie immer behalten.

Albert Uderzos Zeichnungen haben eine wunderbare Dynamik, die schwer zu kopieren ist und ihn so einzigartig machte. Wenn die Gallier unterwegs zur nächsten Prügelei sind, so geht man als Leser sehr gerne mit und lacht über den Witz in den Zeichnungen. Ebenso verstand er es emotionale Szene zu schaffen. Ein verliebter Obelix oder Asterix sind mit Sicherheit auch witzig, aber Albert Uderzo hat auch nie die Tragik in solchen Momenten vergessen und das ist die Stärke von Asterix.

Sowohl Autor als auch Zeichner haben sich nie rein auf den Humor verlassen, sondern lebendige Charaktere geschaffen, die wohl jeder gerne als Freunde hätte. Sie lachen und weinen und dürfen verletzlich sein. All dies in einem Funnycomic, dem Genre, dem Asterix immer zugeschrieben wird, einzufangen, ist ein wahres Kunststück und zeugt davon, welch großer Künstler mit Albert Uderzo gegangen ist.

Albert Uderzo hatte das große Talent, genau zu wissen, welchen Strich er setzen musste und welchen nicht. Er legte Wert darauf, seine Welt mit Leben zu füllen und dem Leser vieles anzubieten. Wer nicht nur den Fokus auf die Figuren im Vordergrund legt, hat unglaublich viel zu entdecken. Das beste Beispiel ist hierbei Idefix, der die Handlung teilweise kommentierend begleitet; allein durch seine Körperhaltung oder einen Blick.

All das macht Asterix aus und macht ihn so unvergesslich. Und damit wird auch Uderzo nie wirklich sterben, er lebt weiter in Asterix und seinen anderen Schöpfungen, im Lachen der Leser und in ihrer Erinnerung. In Miraculix Kopfschütteln, wenn Obelix versucht sich Zaubertrank zu erschleichen, wenn ein Römer elegant durch die Luft fliegt oder wenn Obelix sich an den Kopf tippt und sagt: „Die spinnen die Römer!“

Selbst wenn seine Leser nicht wissen, wer Asterix gezeichnet hat, so wissen sie doch immer, dass sie etwas ganz besonderes in den Händen halten, etwas das Generationen verbindet und weiterhin verbinden wird. Und das ist etwas, das nur wenigen gelingt. So bleibt nur übrig sich vor diesem großartigen Zeichner zu verbeugen und Danke für die vielen Stunden zu sagen, in denen sich jeder in seine Welten fallen lassen konnte und kann.

- Markus

Tipps fürs #bücherhamstern

Liebe LeserInnen,

die Absage der Leipziger Buchmesse trifft insbesondere deutschsprachige Autor*innen und die Kleinverlagsszene hart, war doch Leipzig immer eine einzigartige Möglichkeit, mit vielen Lesern in Kontakt zu kommen und Aufmerksamkeit für die Bücher zu generieren. Kurz nach der Absage wurde daher der Hashtag #bücherhamstern ins Leben gerufen - mehr zu den Hintergründen könnt ihr zum Beispiel im Artikel von Henning Mützlitz auf TOR-online lesen. Grob zusammengefasst geht es beim #bücherhamstern darum, Verleger'innen und Autori*innen zu unterstützen und tolle Bücher vorzuschlagen (und zu kaufen), die in Leipzig in der Büchertasche gelandet wären. Auf den Social Media haben wir bereits ein paar Vorschläge gepostet, hier folgen nochmals ein paar ausführlichere, phantastische Buchtipps:

"Von Rache und Regen - Regentänzer" von Annette Juretzki

Dark Fantasy mit Zombies in einem eisenzeitlichen Setting, in einem Land, in dem es ständig regnet, dazu zwei gegensätzliche Protagonisten, die sich perfekt ergänzen - Annette Juretzkis "Regentänzer" gehört zu meinen Highlights von 2019 und hat mich beim Lesen seeehr begeistert. Großartiges Worldbuilding, mitreißend geschrieben und mit viel Bedeutung zwischen den Zeilen. 

"Die 13 Gezeichneten" von Judith und Christian Vogt

Kürzlich ist der finale Band der Trilogie erschienen und "Die 13 Gezeichneten" ist so gut, dass ich hier bedenkenlos zum gleichzeitigen Kauf aller drei Bücher raten würde. Spätestens nach dem Ende von Band 1 holt ihr euch sowieso die anderen beiden. Die Geschichte der Rebellen von Sygna ist ungemein spannend, die Protagonisten haben alle ihre Ecken und Kanten, machen fatale Fehler und haben rettende Ideen und begeistern schlicht mit ihrer Menschlichkeit. Dazu ist die Idee mit der Zeichenmagie verdammt spannend. 

"Shadowrun - Marlene lebt" von David Grade

Man muss sich mit "Shadowrun" nicht gut auskennen, um die Lektüre von "Marlene lebt" zu genießen, zumindest nicht, wenn man grundsätzlich einen Zugang zu Cyberpunk hat. Die Idee, Marlene Dietrich ins späte 21. Jahrhundert zu schicken, ist so skurril, wie sie sich anhört. Das Buch ist rasant und actionreich geschrieben, lässt sich jedoch auch Zeit für nachdenkliche Szenen und zeigt vor allem stets die viel beschworene harte Kante gegen Rechts. Gleichzeitig ist "Marlene lebt" eine gute Gelegenheit, um in das Universum von "Shadowrun" einzusteigen.

"Feuerschwingen" von Sabrina Železný 

Inkas im Weltraum, Killerlamas und die Suche nach dem legendären El Dorado - "Feuerschwingen" ist eine wilde, sehr charmante Space Opera, die sich auch für SF-Einsteiger gut eignet. Die Stärke des Romans sind die Charaktere und ihre Interaktion, insbesondere die widerwillige Zusammenarbeit der Protagonisten sorgt für jede Menge Unterhaltung. 

"Berlin  Rostiges Herz" von Sarah Stoffers

Einer meiner Lieblingsromane der letzten Jahre. "Berlin - Rostiges Herz" fesselt von der ersten Seite an mit seinem wahnsinnig atmosphärischen Steamfantasy-Setting in einem zukünftigen, vom Klimawandel veränderten Berlin. Auch hier gibt es zwei tolle Protagonisten, die Gegner sind und sich nichts schenken. Steampunkelemente und Magie harmonieren hier ganz wunderbar - ein Buch, um es in einer Nacht zu verschlingen!

"Die Aschestadt" von Christian Günther

"FAAR - Das versinkende Königreich" ist eine herrlich düstere Fantasyreihe mit Lovecraft-Horror. "Die Aschestadt" ist der Auftaktband und begeistert mit derben Charakteren und einer dreckigen Fantasywelt voll unheimlicher Wesen und Kulte. Sehr atmosphärisch und detailreich geschrieben. 

"Sand & Wind - Die Legende der roten Wüste 1" von Elea Brandt

Ich mag orientalisch inspirierte Fantasy unheimlich gerne (hier sei auch nochmals die "Flammenwüste"-Trilogie von Akram El-Bahay empfohlen!). "Sand & Wind" bietet ein atmosphärisches Setting in einer Wüstenstadt, die Elea Brandt mit vielen Details lebendig schreibt. Der Ton der Geschichte ist abenteuerlich und zuweilen humorvoll, doch es gibt auch düstere Momente, die umso mehr schockieren. 

Wenn was für euch dabei ist, bei den Kleinverlagen am besten über deren Onlineshops bestellen! :) Zum Abschluss noch ein paar Links zum Thema #bücherhamstern

Interview mit Grit Richter in der Stuttgarter Zeitung

#bücherhamstern bei Silben-Alchemie

https://buecherhamstern.mlle-facettenreich.de 

#bücherhamstern Liste bei Seitenglück

Viel Spaß beim #bücherhamstern wünscht

Eure Judith

Ausblick auf den Bücherfrühling 2020

Hallo zusammen,

das neue Jahr ist schon wieder einen Monat alt und ich bin erst jetzt dazu gekommen, mich intensiver mit Neuerscheinungen zu beschäftigen. Beim Durchschauen der Verlagsprogramme hat mich zunächst wenig angesprochen, allerdings habe ich jetzt doch ein paar spannende Titel gefunden, die ich hier kurz vorstellen möchte:

"Ich bin Gideon" von Tamsyn Muir

ich bin gideonIn den letzten Jahren hatte ich das Gefühl, dass der Heyne-Verlag, der mal DER Verlag für Fantasy und SF war, in Sachen Phantastik ein wenig geschlafen hat - insbesondere was Autorinnen betrifft. "Gideon the Ninth" ist mir in den Social Media bereits aufgefallen, allerdings lese ich lieber Übersetzungen und habe daher sehnsüchtig auf diesen Titel gewartet. Ich war schon kurz davor, mir die Originalausgabe (die den besseren Titel und das bessere Cover mit schönerem Hintergrund hat) zu bestellen, doch im April erscheint endlich die deutsche Ausgabe mit dem Titel "Ich bin Gideon". Mit der Kurzzusammenfassung "Lesbian necromancers explore a haunted gothic palace in space" von Charles Stross war ich sofort Feuer und Flamme für diesen Roman. Bereits bei Kai Meyers "Die Krone der Sterne" hat der Mix aus Space Opera und Dark Fantasy wunderbar funktioniert. Insofern hoffe ich darauf, dass der Trilogieauftakt von Tamsyn Muir ähnlich gut oder sogar besser wird, immerhin wird der Roman in Rezensionen als sehr atmosphärisch, herrlich derb und originell beschrieben. "Ich bin Gideon" ist wohl einer der Romane, der mich entweder total begeistern wird - oder enttäuschen, weil ich nach den euphorischen Reaktionen zu viel erwarte ...

chroniken alice"Die Chroniken von Alice - Finsternis im Wunderland" von Christina Henry

Ich liebe Neuinterpretationen von "Alice im Wunderland", egal ob Roman, Comic oder Videospiel. Je düsterer, desto besser. Angeblich soll "Die Chroniken von Alice" von Christina Henry ähnlich finster und schräg wie die grandiosen Videospiele "American McGee's Alice" und "Alice: Madness Returns" sein. Zu Beginn des Romans befindet sich Alice seit zehn Jahren in einem Hospital und alle halten sie für verrückt. Alpträume von einem Mann mit Kaninchenohren plagen sie. Durch einen Brand gelingt ihr die Flucht, zusammen mit dem Axtmörder Hatcher. Doch noch etwas ist aus dem Hospital geflohen: Eine dunkle Kreatur, die Jagd auf Alice macht. Klingt herrlich skurril und makaber und dürfte ein eindrückliches, erschütterndes Leseerlebnis werden. Auch hier habe ich hohe Erwartungen und bin gespannt, ob Christina Henry wirklich etwas Neues bieten kann. 

zweite heimat puljic"Zweite Heimat - Die Reise der Celeste" von Madeleine Puljic

 Als mir "Zweite Heimat" auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt wurde, war ich zuerst nicht so interessiert. Zwar mag ich Marsgeschichten, aber nicht unbedingt solche, die sich um die ersten Siedler auf dem Roten Planeten drehen. Doch das außerirdische Volk der E'Kturi hat mich nun doch neugierig gemacht. Diese Spezies, über die man im Klappentext kaum etwas erfährt, hat die Menschheit bisher ignoriert und beobachtet sie nun genauer, da die ersten Pioniere zum Mars aufbrechen. Die Sicht dieser Außerirdischen könnte sehr spannend werden, zudem hat die Autorin in ihrem Blog geschrieben, wie viel sie recherchiert hat und nun reizt es mich, zu erfahren, wie gut sie ihre ausgiebige Recherche umgesetzt hat. Da ich aktuell am liebsten SF lese, kommt mir "Zweite Heimat" sehr entgegen - und für Aliens bin ich immer zu haben. 

priest of bones"Priest of Bones - Der Kampf um den Rosenthron" von Peter McLean

Grimdark-Fantasy ist bei mir so eine Sache, eigentlich mag ich es gern düster und derb, gern auch blutig und brutal, solange Welt und Figuren wirklich authentisch bleiben. "Priest of Bones" spielt nach einem fatalen Krieg und Protagonist Tomas, ein Armeepriester, stellt bei seiner Rückkehr fest, dass sein kriminelles Imperium längst anderen Gangstern gehört. Zusammen mit seiner Stellvertreterin Bloody Anne will er sich zurückholen, was ihm zusteht. Dazu gründet er eine neue Gang, die angeblich an Gewitztheit und Schlagkraft nicht zu überbieten ist. Dazu gehört auch Billy the Kid, ein magisch begabter Junge, der von der Göttin berührt wurde. Auch zu "Priest of Bones" habe ich einige begeisterte Rezensionen gelesen, die die skurrilen, vielschichtigen Charaktere und die Originalität des Werks loben. Ich hoffe auf sehr unterhaltsame Lesestunden und darauf, dass der Gangsterboss Tomas ein echter Dreckskerl mit einem letzten Funken Moral ist. 

Worauf ich mich außerdem freue: Den finlane Band der "13 Gezeichneten" von Judith und Christian Vogt sowie "Cyber Trips" von Marie Graßhoff (Band 2 ihrer Cyberpunk-Trilogie). Wer es noch nicht getan hat, sollte sich unbedingt mal die ersten Bände anschauen. Ansonsten habe ich noch einiges an Altlasten, die endlich gelesen werden müssen, das heißt, demnächst kommen wieder ein paar neue Rezensionen von mir. 

Viele Grüße von Eurer

Judith

Judiths phantastische Highlights 2019

Liebe LeserInnen,

eigentlich wollte ich auch noch ein paar Geschenktipps für Weihnachten beisteuern, aber die zwei Wochen vor dem Fest waren so voller Ablenkungen, dass ich einfach nicht dazu gekommen bin. Dafür widme ich nun meinen persönlichen Lesehighlights 2019, allesamt phantastisch :)

"Von Rache und Regen - Regentänzer" von Annette Juretzki

Als Annette Juretzki auf Twitter ihren neuen Roman ankündigte, dachte ich zuerst "Yeah, Eiszeit!" - bei genauerem Lesen stellte ich jedoch fest, dass es sich um EISENzeitliche Fantasy mit Untoten handelt. Da war ich zuerst etwas skeptisch, aber das regnerische Setting klang interessant und ihre Space Opera "Sternenbrand" hatte mir ganz gut gefallen. Allerdings hatte ich nicht erwartet, dass mich "Von Rache und Regen" so umhauen und in zwei Tagen verschlungen sein würde. "Regentänzer" ist ein wahnsinnig atmosphärischer Roman mit großartigem Worldbuildung und mannigfaltigem Regenwetter, der insbesondere von der Interaktion seiner starken Protagonisten lebt. Soldat Riagh flieht von der Front, um seine Ziehschwester vor dem Fluch zu retten, der sein Volk in menschenfressende, wandelnde Leichen verwandelt. Auf seinem Weg zurück in die verregnete Heimat sieht er, wie eine Gruppe Dorfbewohner einen Mann foltert und schreitet ein - auch wenn es sich bei Nuzar um einen Feuermagier und damit um seinen Feind handelt. Notgedrungen reisen die beiden zusammen und kämpfen gemeinsam gegen Verfluchte. Aus Feinden werden allmählich Freunde, die sich näherkommen, doch der Fluch droht sie auseinander zu reißen. "Regentänzer" handelt von  Vorurteilen und deren Überwindung, von menschlichen Fehlern und Stärken und trotz aller Düsternis auch von Mut und Hoffnung.

"Wasteland" von Judith und Christian Vogt

Judith und Christian Vogt sind Autoren, bei denen man sich auf die Qualität ihrer Werke verlassen kann. Die beiden beweisen immer wieder eine unglaubliche Liebe zum Detail, die mich als Leser begeistert. So auch "Wasteland", das sich mit der Ich-Perspektive stilistisch von anderen Romanen der beiden abhebt und als "Mad-Max-Utopie" angepriesen wurde. Die Beschreibung trifft es tatsächlich sehr gut, denn auch wenn das Setting dystopisch ist, steckt doch jede Menge Hoffnung in "Wasteland" - und mit den irren Toxxer-Gangs, die auf aufgemotzten Motorrädern durch zukünftige Deutschland brettern, das Wi-Fi anbeten und auf einem gigantischen Schaufelradbagger leben, kommt ordentlich Mad-Max-Feeling auf. Europa liegt nach einem Krieg mit Biokampfstoffen in Trümmern, weite Teile des Kontinents sind sogenanntes Ödland - auch wenn dieses grün ist, ist der Aufenthalt für Menschen tödlich. Protagonistin Laylay ist die einzige, die sich frei im Ödland bewegen kann. Ohne sich mit der Wasteland-Krankheit zu infizieren wie der manisch-depressive Marktbewohner Zeeto. Beide sind ungewöhnliche, kantige Charaktere, die man schnell ins Herz schließt. Insbesondere Zeeto ist hervorragend getroffen und sein seelisches Auf und Ab nachvollziehbar und oftmals handlungsentscheidend. Hinzu kommt der enorme Unterhaltungswert durch verrückte Charaktere wie Wi-Fi-Schamane Root, der im Futur II spricht, oder auch die positive Ausstrahlung der Marktbewohner, deren Gemeinschaft von Individualität und gegenseitigem Respekt geprägt ist.

mars override"Mars Override" von Richard Morgan

Die Serienadaption von "Altered Carbon" hat mich dieses Jahr schwer begeistert, denn so reinen, dreckigen, schillernden Cyberpunk bekommt man selten geboten. Passenderweise erschie mit "Mars Override" ein neuer Roman von Richard Morgan, der den Mars in einen neonleuchtenden Cyberpunk-Moloch verwandelt. Der gentechnisch modifizierte Supersoldat Hakan Veil ist auf dem Roten Planeten gestrandet und schlägt sich mit Gelegenheitsaufträgen durch. So geht er beispielsweise einen verhängnisvollen Deal mit den Triaden ein und landet im Knast. Dort kommt er nur raus, weil die Polizei ihn als Babysitter für eine Agentin von der Erde braucht. Veil ist zunächst wenig begeistert, doch der Fall eines verschwundenen Lotterie-Gewinners entwickelt sich zu einem spannenden Trip, der ihm einiges abverlangt. "Mars Override" bringt alles mit, was ein Cyberpunk-Roman braucht: ein hohes Erzähltempo, ein derber Protagonist, der sich einen letzten Funken Anstand bewahrt hat, dazu einen berauschenden Mix aus Gossenslang, Tech-Porn und poetischen Metaphern, die unter die Haut gehen.

Insgesamt war 2019 ein gutes Lesejahr mit vielen Büchern, die mich gut unterhalten haben, auch wenn die Phantastik auf den ersten Blick rar gesät erscheint. Es lohnt sich auch immer ein Blick auf die kleinen Verlage, die in punkto Optik und Lektorat mit den Großen mithalten können. Sehr gefallen hat mir unter anderem "Feuerschwingen" von Sabrina Železný, "Am Seelenbrunnen" von Christian Günther (der dritte "FAAR"-Band, wer es noch nicht kennt, sollte unbedingt man einen Blick auf "Die Aschestadt" werfen) und "Hexagon - Pakt der Sechs" von Henning Mützlitz.

Ich wünsche Euch allen schon mal einen guten Rutsch - kommt gut ins neue Jahr!

Eure

- Judith