In einem Boot
Rauch benetzte meine Sicht und ab und zu fiel etwas Asche in den kleinen Blumentopf. Die kümmerlichen Reste darin sahen allerdings eh schon aus wie das Pflanzenäquivalent eines Kettenrauchers, Marke zwanzig Schachtel am Tag, also duldete ich es.
"Du weißt, dass man Lungenkrebs davon kriegt", murmelte ich trotzdem, den Kopf zwischen den Händen, und starrte sich an dem Schal fest, der vor ihr auf dem Tisch lag.
"Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern", stellte sie fest, "wann ich das letzte Mal erwartet habe, irgendwann alt zu werden."
Kurz fragte ich mich, ob ich das überhaupt von mir erwartete, dann verdrängte ich den Gedanken. "AS?"
Aber Trisha verdrehte nur die Augen und nahm schweigend einen weiteren Zug. Die Schachtel, die neben dem Wasserglas stand, war noch unzerknittert, erst frisch angebrochen.
"Warum fängst du überhaupt wieder an?", fragte ich. Irgendwie wollte ich die Stille nicht ertragen, die ich von ihr hätte gewohnt sein müssen; die ich momentan Astrids haltlosem Mundwerk vorzog.
Als Trisha die Augenbraue hochzog und mir über den Küchentisch einen Blick zuwarf, dessen Spott deutlich verriet, wo sie ihn sich abgeguckt hatte, hätte ich allerdings vielleicht lieber Meché bei mir gehabt. So gern diese auch spitze Bemerkungen abgab, sie hatte immerhin einen Hang dazu, sich um Dinge zu kümmern. Dinge wie Mitbewohner.
"Lass das." Ich wand mich. "Guck nicht so, ich hasse das."
Sie ließ sich in ihrem Stuhl zurücksinken. "Ach ja?"
"Schon gut, vergiss, dass ich gefragt habe."
Ich seufzte und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Der Wollschal kratzte an meiner Stirn, meinem Nasenrücken, und die Farben verschwammen direkt vor meinen Augen zu einem blinzelnden Wimperngrau. Einen Moment lang hörte ich nur ihr tiefes Atmen, ob sie inhalierte oder seufzte vermochte ich nicht zu sagen. Schließlich beugte sie sich vor, drückte die Zigarette neben dem jetzt vermutlich nikotinsüchtigen Pflanzenwrack aus und stützte die Ellenbogen auf den Tisch, der ein wenig wackelte. Das Stück Pizzaschachtel, das Astrid unter das zu kurz geratene Bein geklemmt hatte, erwies sich als unzureichend, aber noch hatte es niemanden genug gestört als dass er es geändert hätte.
"Hör auf zu heulen", sagte Trisha ruhig.
"Ich weiß doch, wo du den Text gelernt hast", nuschelte ich in den Schal.
"Und dennoch begreifst du es immer noch nicht ganz."
Plötzlich spürte ich ihre Hand auf meinem Kopf, als sie mein Haar pattete. Irritiert stützte ich mich auf den Tisch auf und blinzelte sie an, doch sie schob schon seelenruhig ihren Stuhl zurück.
"Du bist frustriert", stellte sie im Aufstehen fest. "Und genervt und fertig. Du solltest auch diejenige sein, die sich dafür den Lungenkrebs einfängt." Und damit schob sie mir die fast volle Schachtel Zigaretten über den Tisch und griff nach ihrer Strickjacke, die über ihrer Stuhllehne lag.
"Aber ..."
Trisha warf mir einen seltsamen Blick zu, diesmal ohne Spott, aber musternd. Vielleicht ein bisschen milde.
"Irgendetwas wird dich schon aufraffen, oder?"
Immer noch verwirrt von ihrem Stimmungsumschwung blickte ich herum und sah auf den Schal vor mir herab. Die scharlachrote Farbe und die knallig orangen Fussel hoben sich von der ausgebleichten Tischplatte ab und schienen wie ein tanzendes Stillleben.
"Da ist ..." Ich strich darüber, wunderte mich einmal mehr darüber, wie kuschlig und weich das Strickwerk war, bis auf den aufgenähten Logopatch natürlich. "... dieses Spiel, auf das ich mich freue. Ich hab eine Karte ergattern können, ganz zufällig. Irgendetwas mit ... mit Schaf."
Ein schmales Lächeln erschien auf Trishas Gesicht, es wirkte überrascht.
"Interessant", stellte sie fest und schien kurz ins Nichts zu blicken. "Sehr interessant ..."
14. August 2014
Rauch benetzte meine Sicht und ab und zu fiel etwas Asche in den kleinen Blumentopf. Die kümmerlichen Reste darin sahen allerdings eh schon aus wie das Pflanzenäquivalent eines Kettenrauchers, Marke zwanzig Schachtel am Tag, also duldete ich es.
"Du weißt, dass man Lungenkrebs davon kriegt", murmelte ich trotzdem, den Kopf zwischen den Händen, und starrte sich an dem Schal fest, der vor ihr auf dem Tisch lag.
"Ich kann mich gar nicht mehr daran erinnern", stellte sie fest, "wann ich das letzte Mal erwartet habe, irgendwann alt zu werden."
Kurz fragte ich mich, ob ich das überhaupt von mir erwartete, dann verdrängte ich den Gedanken. "AS?"
Aber Trisha verdrehte nur die Augen und nahm schweigend einen weiteren Zug. Die Schachtel, die neben dem Wasserglas stand, war noch unzerknittert, erst frisch angebrochen.
"Warum fängst du überhaupt wieder an?", fragte ich. Irgendwie wollte ich die Stille nicht ertragen, die ich von ihr hätte gewohnt sein müssen; die ich momentan Astrids haltlosem Mundwerk vorzog.
Als Trisha die Augenbraue hochzog und mir über den Küchentisch einen Blick zuwarf, dessen Spott deutlich verriet, wo sie ihn sich abgeguckt hatte, hätte ich allerdings vielleicht lieber Meché bei mir gehabt. So gern diese auch spitze Bemerkungen abgab, sie hatte immerhin einen Hang dazu, sich um Dinge zu kümmern. Dinge wie Mitbewohner.
"Lass das." Ich wand mich. "Guck nicht so, ich hasse das."
Sie ließ sich in ihrem Stuhl zurücksinken. "Ach ja?"
"Schon gut, vergiss, dass ich gefragt habe."
Ich seufzte und ließ den Kopf auf die Tischplatte sinken. Der Wollschal kratzte an meiner Stirn, meinem Nasenrücken, und die Farben verschwammen direkt vor meinen Augen zu einem blinzelnden Wimperngrau. Einen Moment lang hörte ich nur ihr tiefes Atmen, ob sie inhalierte oder seufzte vermochte ich nicht zu sagen. Schließlich beugte sie sich vor, drückte die Zigarette neben dem jetzt vermutlich nikotinsüchtigen Pflanzenwrack aus und stützte die Ellenbogen auf den Tisch, der ein wenig wackelte. Das Stück Pizzaschachtel, das Astrid unter das zu kurz geratene Bein geklemmt hatte, erwies sich als unzureichend, aber noch hatte es niemanden genug gestört als dass er es geändert hätte.
"Hör auf zu heulen", sagte Trisha ruhig.
"Ich weiß doch, wo du den Text gelernt hast", nuschelte ich in den Schal.
"Und dennoch begreifst du es immer noch nicht ganz."
Plötzlich spürte ich ihre Hand auf meinem Kopf, als sie mein Haar pattete. Irritiert stützte ich mich auf den Tisch auf und blinzelte sie an, doch sie schob schon seelenruhig ihren Stuhl zurück.
"Du bist frustriert", stellte sie im Aufstehen fest. "Und genervt und fertig. Du solltest auch diejenige sein, die sich dafür den Lungenkrebs einfängt." Und damit schob sie mir die fast volle Schachtel Zigaretten über den Tisch und griff nach ihrer Strickjacke, die über ihrer Stuhllehne lag.
"Aber ..."
Trisha warf mir einen seltsamen Blick zu, diesmal ohne Spott, aber musternd. Vielleicht ein bisschen milde.
"Irgendetwas wird dich schon aufraffen, oder?"
Immer noch verwirrt von ihrem Stimmungsumschwung blickte ich herum und sah auf den Schal vor mir herab. Die scharlachrote Farbe und die knallig orangen Fussel hoben sich von der ausgebleichten Tischplatte ab und schienen wie ein tanzendes Stillleben.
"Da ist ..." Ich strich darüber, wunderte mich einmal mehr darüber, wie kuschlig und weich das Strickwerk war, bis auf den aufgenähten Logopatch natürlich. "... dieses Spiel, auf das ich mich freue. Ich hab eine Karte ergattern können, ganz zufällig. Irgendetwas mit ... mit Schaf."
Ein schmales Lächeln erschien auf Trishas Gesicht, es wirkte überrascht.
"Interessant", stellte sie fest und schien kurz ins Nichts zu blicken. "Sehr interessant ..."
"Unmöglich? Du selbst bist doch die Fürstin des Unmöglichen. Du hast mir das Leben geschenkt und es dann zur Hölle gemacht. Zwei Väter hast Du mir gegeben, und beide mir entrissen. Unter Schmerzen mich geboren und zu Schmerzen mich verdammt. Nun spreche ich zu Dir aus dem Grabe, zu dem Du mir die Welt geschaffen hast: Ich bin Deine Tochter - und Dein Tod."
- aus Bastard -
- aus Bastard -
(Avatar: 'Batbastard', © by Trin o'Chaos)