27.10.2014
Zwischenraum
Die Dunkelheit war ein formloser Gegenstand.
Sie betritt den Raum durch die Tür, hinter der sie die Realität vermutet, dort, wo sie nicht hinkommen. Alles ist wie immer – der Tisch, der Stuhl, das Blatt Papier und das leere Wasserglas, die Nacht, die an ihren zerzausten, vom Waschen feuchten Haarspitzen knabbert, um das Nichtblondnichtbraun in Schwarz zu verwandeln. Der Dunkelheit anzugleichen.
Drüben, in dem Türrahmen, der zu ihnen führt, regt sich etwas. Das Mädchen spürt die Bewegung eher, als dass es sie sieht, aber auch so ahnt es, dass sie da waren. Sie waren immer da.
Du kannst herauskommen.
Ein Kichern in der Dunkelheit, das Rascheln von Laub. Irgendwo dort musste es Herbst sein. Wieder die Bewegung, dann wird es still.
Mit einem resignierten Seufzer lässt sie sich auf den Stuhl fallen, klemmt sich zwei, drei unordentliche Strähnen hinter ein Ohr und beugt sich über das Blatt, in den Lichtkegel der Schreibtischlampe. Dunkle Augenringe verdrängen die verblassenden Sommersprossen, malen Schatten in ein bleiches, überschlafenes Gesicht. Die aufgesprungenen Lippen bewegen sich kaum, als sie die nächsten Worte spricht.
„Wirklich. Ich weiß, dass du dort bist.“
Kichern, Laubrascheln, Schritte. Näherkommende Schritte.
Die Bewegung in der Tür.
Dann steht eine Gestalt vor ihr, ein schiefes Lächeln im rechten Mundwinkel, seltsam deutlich erkennbar in der Dunkelheit um sie herum. Dieselben unordentlichen, feuchten Haare, dieselben Ringe im Gesicht. Braune Augen mit grün-grauen Rändern, die ihren fragenden Blick mit einem spöttischen Grinsen zurückwerfen.
Ich werde verrückt.
Kopfschüttelnd schließt sie die Augen, lässt sich im Stuhl zurücksinken, spürt den verhaltenen Protest ihrer verspannten Nackenmuskulatur. Eine Erinnerung an zukünftige Termine. Die Gestalt, ihr Spiegelbild, gleich und doch so wenig synchron, holt aus und wirft Schatten auf das Papier, unregelmäßige Kleckse, die nach und nach zu Buchstaben verlaufen, erkennbar werden.
P.
Es ist die Flucht vor der Einsamkeit, die das Wunschdenken antreibt.
H.
So? Ich dachte, du würdest sie suchen.
I.
Habe ich auch. Bis das alles dazwischenkam.
L.
Wenn du diesen Gedanken einmal hattest, dann wirst du ihn nicht mehr los.
I.
Anna. Anna hat das gesagt.
P.
Was es nicht weniger wahr macht, oder?
P.
Aber ich hatte diesen Gedanken doch gar nicht. Nie. Jedenfalls nicht bewusst.
A.
Er ist trotzdem da. Lauert. Dort, in der Dunkelheit, diesem formlosen Gegenstand, an den deine Fingerspitzen stoßen, wenn du die Hand ausstreckst. Und deshalb auch die Angst vor dem, was du gesucht hast. In den Zweigen lauert die Einsamkeit.
Was weißt du schon?
Das Mädchen schlägt die Augen auf, starrt auf das Blatt, auf die Buchstaben. Das Wort starrt zurück.
PHILIPPA.
Und das bist du? Meine unbekannte Zwillingsschwester? Eine Eule, die nicht gern bei Regen fliegt? Pani Sowa?
Die Gestalt, das ungleiche Ebenbild, Philippa – lächelt, breiter noch als vorhin, beidseitig, mit den Augen sogar. Die Schatten vertiefen ihre Grübchen.
Du. Ich. Eins.
Die Nacht schlägt dunkelgebläut über ihr zusammen und verbirgt das fallende, taubeweinte Laubblatt, das dort zu Boden fällt, wo gerade eben noch Philippa gestanden hat.
Über das Blatt Papier auf dem Tisch wandern Flecken, verdichten sich zu Worten, erstarren. Różewicz, Bernsteinvogel.
Zwischenraum
Die Dunkelheit war ein formloser Gegenstand.
Sie betritt den Raum durch die Tür, hinter der sie die Realität vermutet, dort, wo sie nicht hinkommen. Alles ist wie immer – der Tisch, der Stuhl, das Blatt Papier und das leere Wasserglas, die Nacht, die an ihren zerzausten, vom Waschen feuchten Haarspitzen knabbert, um das Nichtblondnichtbraun in Schwarz zu verwandeln. Der Dunkelheit anzugleichen.
Drüben, in dem Türrahmen, der zu ihnen führt, regt sich etwas. Das Mädchen spürt die Bewegung eher, als dass es sie sieht, aber auch so ahnt es, dass sie da waren. Sie waren immer da.
Du kannst herauskommen.
Ein Kichern in der Dunkelheit, das Rascheln von Laub. Irgendwo dort musste es Herbst sein. Wieder die Bewegung, dann wird es still.
Mit einem resignierten Seufzer lässt sie sich auf den Stuhl fallen, klemmt sich zwei, drei unordentliche Strähnen hinter ein Ohr und beugt sich über das Blatt, in den Lichtkegel der Schreibtischlampe. Dunkle Augenringe verdrängen die verblassenden Sommersprossen, malen Schatten in ein bleiches, überschlafenes Gesicht. Die aufgesprungenen Lippen bewegen sich kaum, als sie die nächsten Worte spricht.
„Wirklich. Ich weiß, dass du dort bist.“
Kichern, Laubrascheln, Schritte. Näherkommende Schritte.
Die Bewegung in der Tür.
Dann steht eine Gestalt vor ihr, ein schiefes Lächeln im rechten Mundwinkel, seltsam deutlich erkennbar in der Dunkelheit um sie herum. Dieselben unordentlichen, feuchten Haare, dieselben Ringe im Gesicht. Braune Augen mit grün-grauen Rändern, die ihren fragenden Blick mit einem spöttischen Grinsen zurückwerfen.
Ich werde verrückt.
Kopfschüttelnd schließt sie die Augen, lässt sich im Stuhl zurücksinken, spürt den verhaltenen Protest ihrer verspannten Nackenmuskulatur. Eine Erinnerung an zukünftige Termine. Die Gestalt, ihr Spiegelbild, gleich und doch so wenig synchron, holt aus und wirft Schatten auf das Papier, unregelmäßige Kleckse, die nach und nach zu Buchstaben verlaufen, erkennbar werden.
P.
Es ist die Flucht vor der Einsamkeit, die das Wunschdenken antreibt.
H.
So? Ich dachte, du würdest sie suchen.
I.
Habe ich auch. Bis das alles dazwischenkam.
L.
Wenn du diesen Gedanken einmal hattest, dann wirst du ihn nicht mehr los.
I.
Anna. Anna hat das gesagt.
P.
Was es nicht weniger wahr macht, oder?
P.
Aber ich hatte diesen Gedanken doch gar nicht. Nie. Jedenfalls nicht bewusst.
A.
Er ist trotzdem da. Lauert. Dort, in der Dunkelheit, diesem formlosen Gegenstand, an den deine Fingerspitzen stoßen, wenn du die Hand ausstreckst. Und deshalb auch die Angst vor dem, was du gesucht hast. In den Zweigen lauert die Einsamkeit.
Was weißt du schon?
Das Mädchen schlägt die Augen auf, starrt auf das Blatt, auf die Buchstaben. Das Wort starrt zurück.
PHILIPPA.
Und das bist du? Meine unbekannte Zwillingsschwester? Eine Eule, die nicht gern bei Regen fliegt? Pani Sowa?
Die Gestalt, das ungleiche Ebenbild, Philippa – lächelt, breiter noch als vorhin, beidseitig, mit den Augen sogar. Die Schatten vertiefen ihre Grübchen.
Du. Ich. Eins.
Die Nacht schlägt dunkelgebläut über ihr zusammen und verbirgt das fallende, taubeweinte Laubblatt, das dort zu Boden fällt, wo gerade eben noch Philippa gestanden hat.
Über das Blatt Papier auf dem Tisch wandern Flecken, verdichten sich zu Worten, erstarren. Różewicz, Bernsteinvogel.
Herbst
azurvogel
stirbt
von zweig zu zweig
fällt ein tropfen regen.
azurvogel
stirbt
von zweig zu zweig
fällt ein tropfen regen.
We are all accidents
Waiting
Waiting to happen
Radiohead, "There There"