Das Elsternorakel
Eine für Leid
Es war ein hübscher Vogel, der seinen Weg auf das Baugerüst gefunden hatte, ungerührt vom gleichmäßigen Hämmern, das hinter der bereits fertiggestellten Fassade klopfte. Sie selbst überhörte es tagtäglich, geschult von den Jahren in der Großstadt, doch als die Elster sich mit der Routine eines Straßenkehrers an einem hinterbliebenem Brotpapier zu schaffen machte, fiel es ihr wieder auf
"Hättest Du nicht hier landen sollen?", fragte sie die Glasscheibe, in der sich ihr Gesicht als vage Spiegelung abzeichnete, durchbrochen von dem viel zu sommerlichen Licht eines angeblichen Herbstes.
Zwei für viele gute Gaben
Auch der andere Vogel hatte nicht den Anstand, vor dem Baustellenlärm zu flüchten. Schon für die Szenerie hätte er wenigstens auf dem trotzigen Bäumchen vor ihrem Balkon landen können, fand sie. Aber die Elster pfiff ihren Artgenossen nur kurz an und begann, um ihn und dessen Beute herumzuhüpfen.
Sie hatte bisher nur Tauben gesehen, fiel ihr auf. Tauben, und scheinbar immer dieselbe Schar Enten und Blesshühner, die in dem beinahe stehenden Gewässer, das man hier einen Fluss nannte, herumpaddelten. Außerdem zwei Schwäne, vielleicht auch drei, die in Schichtarbeit an den Anleger kamen, an dem sie an schönen Tagen mit den Kollegen zu Mittag essen konnte. Keine Dohlen, wie im vorherigen Exil, und dies waren die ersten Elstern.
Aber es hatte in letzter Zeit einige schöne Tage gegeben.
Drei für eine Maid
Milde lächelnd schüttelte die den Kopf und trat von der Balkontür weg. Der dritte Vogel war erst ein beiläufiges Flügelschlagen im Augenwinkel, dann ein ungläubiger Schulterblick.
"Du willst mich doch veralbern", behauptete sie irgendwo in Richtung Zimmerdecke und musste doch lachen. "Soll das ein Zeichen sein oder ein Streich?"
Sie wartete, aber es kam keine Antwort, keine weitere Elster. Es brauchte einen Moment, bis sie sich an eine alte Datei erinnerte, ein Textdokument mit sieben Elstern. Vorsichtshalber zählte sie den Reim an ihren Fingern ab.
"Drei", murmelte sie. "Drei für eine ... aber wen?"
Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch, wo das Aquarell einer generischen Übungselfe vor sich hintrocknete. Auf dem Telefon daneben wartete immer noch die Nachricht einer notorisch besorgten Mutter darauf, gelesen zu werden. An der Tür des Sicherungskastens darüber hing eine Photographie, das Portrait einer jungen Dame, das zur Hälfte aus rotbraunen Locken zu bestehen schien.
"Drei", murmelte sie und tippte sich auf den ausgestreckten Finger. Ihr Blick hing fragend an der Photographie, und dennoch schielte sie daran vorbei. Mit ein paar Schritten zur Seite konnte sie durch die angelehnte Tür sehen. Es war dunkel, und doch schien ein Glanz ihr zu antworten.
"Meinst Du?", fragte sie und schlug die Augennieder. Ein Lächeln. "Ja, doch. Lass uns diesmal etwas Schönes daraus machen."
Eine für Leid
Es war ein hübscher Vogel, der seinen Weg auf das Baugerüst gefunden hatte, ungerührt vom gleichmäßigen Hämmern, das hinter der bereits fertiggestellten Fassade klopfte. Sie selbst überhörte es tagtäglich, geschult von den Jahren in der Großstadt, doch als die Elster sich mit der Routine eines Straßenkehrers an einem hinterbliebenem Brotpapier zu schaffen machte, fiel es ihr wieder auf
"Hättest Du nicht hier landen sollen?", fragte sie die Glasscheibe, in der sich ihr Gesicht als vage Spiegelung abzeichnete, durchbrochen von dem viel zu sommerlichen Licht eines angeblichen Herbstes.
Zwei für viele gute Gaben
Auch der andere Vogel hatte nicht den Anstand, vor dem Baustellenlärm zu flüchten. Schon für die Szenerie hätte er wenigstens auf dem trotzigen Bäumchen vor ihrem Balkon landen können, fand sie. Aber die Elster pfiff ihren Artgenossen nur kurz an und begann, um ihn und dessen Beute herumzuhüpfen.
Sie hatte bisher nur Tauben gesehen, fiel ihr auf. Tauben, und scheinbar immer dieselbe Schar Enten und Blesshühner, die in dem beinahe stehenden Gewässer, das man hier einen Fluss nannte, herumpaddelten. Außerdem zwei Schwäne, vielleicht auch drei, die in Schichtarbeit an den Anleger kamen, an dem sie an schönen Tagen mit den Kollegen zu Mittag essen konnte. Keine Dohlen, wie im vorherigen Exil, und dies waren die ersten Elstern.
Aber es hatte in letzter Zeit einige schöne Tage gegeben.
Drei für eine Maid
Milde lächelnd schüttelte die den Kopf und trat von der Balkontür weg. Der dritte Vogel war erst ein beiläufiges Flügelschlagen im Augenwinkel, dann ein ungläubiger Schulterblick.
"Du willst mich doch veralbern", behauptete sie irgendwo in Richtung Zimmerdecke und musste doch lachen. "Soll das ein Zeichen sein oder ein Streich?"
Sie wartete, aber es kam keine Antwort, keine weitere Elster. Es brauchte einen Moment, bis sie sich an eine alte Datei erinnerte, ein Textdokument mit sieben Elstern. Vorsichtshalber zählte sie den Reim an ihren Fingern ab.
"Drei", murmelte sie. "Drei für eine ... aber wen?"
Ihr Blick fiel auf den Schreibtisch, wo das Aquarell einer generischen Übungselfe vor sich hintrocknete. Auf dem Telefon daneben wartete immer noch die Nachricht einer notorisch besorgten Mutter darauf, gelesen zu werden. An der Tür des Sicherungskastens darüber hing eine Photographie, das Portrait einer jungen Dame, das zur Hälfte aus rotbraunen Locken zu bestehen schien.
"Drei", murmelte sie und tippte sich auf den ausgestreckten Finger. Ihr Blick hing fragend an der Photographie, und dennoch schielte sie daran vorbei. Mit ein paar Schritten zur Seite konnte sie durch die angelehnte Tür sehen. Es war dunkel, und doch schien ein Glanz ihr zu antworten.
"Meinst Du?", fragte sie und schlug die Augennieder. Ein Lächeln. "Ja, doch. Lass uns diesmal etwas Schönes daraus machen."
"Unmöglich? Du selbst bist doch die Fürstin des Unmöglichen. Du hast mir das Leben geschenkt und es dann zur Hölle gemacht. Zwei Väter hast Du mir gegeben, und beide mir entrissen. Unter Schmerzen mich geboren und zu Schmerzen mich verdammt. Nun spreche ich zu Dir aus dem Grabe, zu dem Du mir die Welt geschaffen hast: Ich bin Deine Tochter - und Dein Tod."
- aus Bastard -
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(Avatar: 'Batbastard', © by Trin o'Chaos)