ABC (0 Reliart
Stunde Null
(Genf, 28.12.2013)
"Wir haben nicht mehr lange Zeit, Herr Generalsekretär."
"Nun bewahren sie Ruhe. Niemand kann die Ereignisse definitiv voraussagen."
"Wenn das aber so kommt, wie prognostiziert, dann blüht eine neue Steinzeit."
"Wenn, Herr Arstrom. Prognosen sind nie hundertprozentig. Hiermit hatten wir bereits im Sommer gerechnet."
"Wir reden hier nicht vom Wetter in den nächsten Wochen und Monaten. WIR REDEN ÜBER DAS ENDE DER ZIVILISATION!"
"Mäßigen sie sich!"
"Mein Gott, wollen sie das wirklich riskieren?"
"Nun, Herr Arstrom, ich bin durchaus gewillt, ihren Vorschlag zu überdenken. Aber wie ich schon gestern anmerkte: es ist fragwürdig, was sie da vorschlagen."
"Ich versichere Ihnen, die Technik ist ausgereift."
"Das sagen Sie."
"Zuse-Siemens-Generatoren mit niedriger Leistungsabgabe wurden bereits erfolgreich auf den beiden Experimentalschiffen eingebaut."
"Sie sagen es: Niedrige Abgabemenge. Außerdem ist es immer noch Zuse-Siemens-Technik - und nicht ihre."
"Herr Generalsekretär, im Grunde sind die fraglichen Pendants, die überall auf der Erde errichtet wurden, nur vergrößerte Zuse-Siemens-Generatoren."
"Mann kann nicht alles einfach vergrößern um die Leistungsabgabe zu steigern, Herr Arstrom."
"Und warum hat dann der Völkerbund diese Technologie finanziell gefördert, wenn sie doch nicht eingesetzt werden soll?"
"Herr Arstrom, das war auch nicht unberechtigt - alles, was die Biosphäre des Planeten regenerieren kann, wird gefördert - auch die Stadtkuppelprojekte. Die Frage, die sich hier jedoch stellt ist die: Wie erfolgreich wird eine Umsetzung sein, wenn ein Test in dieser Größenordnung noch nie stattgefunden hat?"
"200%!"
"Sie sind sich sehr sicher ..."
"An Bord des Schiffes sind alle Tests erfolgreich verlaufen - reicht ihnen das denn nicht?"
"Die Menschen werden es nicht unbedingt verstehen. Wir rechnen bereits mit einer Massenpanik."
"Wir müssen es nur medienwirksam umsetzen."
"Es gibt aber kein Patentrezept für solche Fälle!"
"Ich bitte Sie! Die Menschheit ist dabei, sich über das Sonnensystem hinaus auszubreiten - und auf der Erde kriegen wir die Probleme nicht in den Griff? Was geben wir nur für ein Bild ab?"
"Herr Arstrom, abgesehen von ihren Bildern habe ich einfach die Befürchtung - die auch die ständigen Mitglieder mit mir teilen - dass wir die Zivilisation zerstören, bevor die eigentliche Katastrophe stattfindet."
"Die Erde wird sich innerhalb weniger Stunden schlagartig erholen und 'kräftemäßig' auf dem Stand zur Zeit der Geburt Jesu sein. Jung, dynamisch, ausdauerhaft."
"Es geht aber nur um die Ionosphäre, Herr Arstrom - nicht um den ganzen Planeten!"
"Ich kann sie beruhigen. Die Modifikationen haben in den letzten Simulationen eindeutig bewiesen, dass die Ionosphäre massiv verstärkt wird."
Arstrom lächelte.
"Kein Kraftwerk muss abgeschaltet werden - der stärkste Sonnensturm der letzten Jahrhunderte wird spurlos an uns vorbeiziehen."
...
Countdown: Zero Hour
...Stille.
"Da wär noch eine Sache, Herr Arstrom."
"Und die wäre?"
"Warum dieser pathetische Auftritt? Hat das irgendwas mit Engels zu tun?"
"Was meinen Sie?"
"Sie wollen Wellserit? Sie haben doch welches."
Stille.
"Das fragliche Material ist durch den Anschlag höchstwahrscheinlich verunreinigt und nicht mehr zu gebrauchen."
"Ich verstehe das als Antrag auf eine zusätzliche Erhöhung der Quote."
"Wir - die ganze Menschheit - braucht es."
"Deshalb also ihr Weltuntergangsgerede. Und natürlich die Rettung des ganzen Planeten."
"Sie scheinen von den Prognosen nicht überzeugt zu sein, Herr Generalsekretär."
"Das bin ich auch nicht. Ihre Argumentation steht auf tönernen Füßen, wie man so schön sagt."
"Bitte? Sie ignorieren die wissenschaftlichen Studien zu dem Thema. Außerdem begrüßt die Mehrheit der Weltbevölkerung nach neuesten Umfragen die Reaktivierung der Ionosphäre nebst den positiven Nebenwirkungen."
"Das sieht wohl so aus - ja."
"Und worauf wollen Sie hinaus?"
"Nun, das Wellserit ist ein knapper Rohstoff. Und bei der derzeitigen Lage - besonders der Finanzlage - können sich die Mitglieder des Völkerbunds zwei Großprojekte nicht länger leisten."
"Was wollen Sie damit sagen?"
"Das wir eines der beiden Großprojekte jetzt beenden werden."
Fassungslosigkeit.
"Das glaube ich jetzt nicht. Sie wollen also die Rettung der Erde aufgeben und stattdessen lieber diese unsägliche Kolonie auf dem fernen Planeten aufbauen?"