Zwischendenken
"Und holen!"
Gemeinsam mit den anderen zog sie los, trat vom Weg und schritt ganz sacht über die Wiese; den Blick wie glückssuchend auf das kreuz und quer voneinander abstehende Gras gerichtet. Ein Teil zumindest tat das, einer nur, vielleicht der, der auch die konzentrischen bunten Kreise im Augenwinkel hatte, die ihr Ziel zu sein schienen. Vielleicht. Ihr Körper schien wie von selbst eine etwas schräge Bahn einzuschlagen, als wäre sie schon so oft über diesen Platz gegangen wie die älteren Herrschaften weiter links, wesentlich weiter links, die mit hochkonzentrierten Gesichtern stoisch dastanden; als wäre sie nicht heute zum ersten Mal hier.
Pusteblumen zogen vor ihren irdischen Augen vorbei, trotzig dem Stadtdunst am Himmel entgegengedrückt, und im Vorbeigehen kämpften die Grasarmeen gegen ihre Chucks; chancenlos. Aber obwohl sie es sah und auch irgendwie wahrnahm, waren ihre Gedanken ganz woanders. Vielleicht bei einem Volk aus der Savanne, das seltsame Tiere jagte; und dem nächsten Mittagessen, was es wohl Gutes geben mochte; und vielleicht auch beim wunderschönen Anblick einer vollgeschriebenen Seite, ja, erst gestern hatte sie wieder zufrieden den Füller weglegen können; und bei dem Wetter, das hoffentlich nicht schwüler würde, aber wenigstens war es warm; und bei den sonderbaren Kostümen, die sie sich noch für das Theater ausdenken musste; und wie sie die nächste Handlung konstruieren würde, eigentlich könnte sie ja auch noch einen Charakter einbauen, nicht wahr? Und vielleicht bei allem gleichzeitig, so rasch pfiffen die Gedanken durch ihren Kopf - angenehm. Zeit zum Nachdenken, sie erreichte die Scheibe. Vielleicht dachte ein Teil auch noch kurz "Einmal Gold, das ist wohl nicht schlecht für das erste Mal", aber auch wirklich nur einen Moment lang. Dann schlossen sich ihre Finger um den Aluminiumschaft und zogen und rüttelten ganz von alleine, während ihre Gedanken wieder atomhaft um den Kern ihrer Sorgen, Wünsche und des Alltags kreisten; zurückgehen, nun musste sie nicht mehr auf den Boden gucken.
"Alle hinter der Linie? Gut, dann könnt ihr wieder!"
Den Griff vom Ständer ziehen, die linke Hand passte perfekt um den Griff, als wäre es ihr Gerät. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein; aber das Gefühl war dem ihrer Protagonistin ähnlich, so musste sie fühlen, als sie ihre Waffe bekommen hatte; hinstellen. Ein Teil registrierte die Markierung, die sie während der letzten Passe durch ihre Schuhe in den Wegstaub gedrückt hatte; ihr Körper stellte sich hinein. Im Auto war doch sicher noch das Brötchen vom Bäcker, das konnte sie gleich nachher essen; erst noch die Pfeilauflage treffen, damit nichts verrutschte, vorhin war ja das Visier verrutscht und die Trainerin hatte es nachstellen müssen, aber nun sorgsam zielen.
Konzentration. Auf das Nichts, ein Teil von ihr sah ruhig durch das Visier und sah Gold, andere schwangen im Takt ihrer Gedanken; noch zwei Tage Unterricht, dann war sie durch mit der Schule, kann man das glauben? Vielleicht; den Arm gerade nach hinten ziehen. Ihre Finger berührten das Kinn, die Sehne drückte sacht gegen ihre Nasenspitze und sie lächelte, halb im Alltagskopf versunken. Das würde ihre nächste Protagonistin auch tun, oh ja, das würde sie - würde so stehen und dann loslassen. Sie sah nicht, wohin der Pfeil flog, aber das würde sie ja noch früh genug mitbekommen. So wie sie vorhin erst bemerkt hatte, dass gleich am nächsten Tag ja schon wieder Freitag war, Freitag ... Da konnte ihr Bruder ja den Lateinduden mitnehmen, sie brauchte es ja nicht mehr, letzte Lateinstunde gestern, die Lehrerin war fast gerührt gewesen - so viele Lehrer hatten ihnen versichert, es wären die nettesten Kurse gewesen, taten sie das in den Schulgeschichten nicht auch immer?
"Sehr schön, Leute - und holen! Noch die letzte Passe für heute."
Die letzte? Sie blickte auf, vielleicht etwas benommen von der Stille, der Ruhe, die trotz schwirrender Gedanken in sie eingekehrt war. Stundenlang hätte sie das alles noch weitermachen können, hatte sie nicht schon stundenlang dasselbe getan und nachgedacht?
Es war so ruhig in ihr gewesen, die Zeit hatte ihr eine Pause zum Nachdenken gegeben.
Nächste Woche, dachte sie mit einem stillen Lächeln, werde ich wieder zur Bogenschützengilde fahren.
"Und holen!"
Gemeinsam mit den anderen zog sie los, trat vom Weg und schritt ganz sacht über die Wiese; den Blick wie glückssuchend auf das kreuz und quer voneinander abstehende Gras gerichtet. Ein Teil zumindest tat das, einer nur, vielleicht der, der auch die konzentrischen bunten Kreise im Augenwinkel hatte, die ihr Ziel zu sein schienen. Vielleicht. Ihr Körper schien wie von selbst eine etwas schräge Bahn einzuschlagen, als wäre sie schon so oft über diesen Platz gegangen wie die älteren Herrschaften weiter links, wesentlich weiter links, die mit hochkonzentrierten Gesichtern stoisch dastanden; als wäre sie nicht heute zum ersten Mal hier.
Pusteblumen zogen vor ihren irdischen Augen vorbei, trotzig dem Stadtdunst am Himmel entgegengedrückt, und im Vorbeigehen kämpften die Grasarmeen gegen ihre Chucks; chancenlos. Aber obwohl sie es sah und auch irgendwie wahrnahm, waren ihre Gedanken ganz woanders. Vielleicht bei einem Volk aus der Savanne, das seltsame Tiere jagte; und dem nächsten Mittagessen, was es wohl Gutes geben mochte; und vielleicht auch beim wunderschönen Anblick einer vollgeschriebenen Seite, ja, erst gestern hatte sie wieder zufrieden den Füller weglegen können; und bei dem Wetter, das hoffentlich nicht schwüler würde, aber wenigstens war es warm; und bei den sonderbaren Kostümen, die sie sich noch für das Theater ausdenken musste; und wie sie die nächste Handlung konstruieren würde, eigentlich könnte sie ja auch noch einen Charakter einbauen, nicht wahr? Und vielleicht bei allem gleichzeitig, so rasch pfiffen die Gedanken durch ihren Kopf - angenehm. Zeit zum Nachdenken, sie erreichte die Scheibe. Vielleicht dachte ein Teil auch noch kurz "Einmal Gold, das ist wohl nicht schlecht für das erste Mal", aber auch wirklich nur einen Moment lang. Dann schlossen sich ihre Finger um den Aluminiumschaft und zogen und rüttelten ganz von alleine, während ihre Gedanken wieder atomhaft um den Kern ihrer Sorgen, Wünsche und des Alltags kreisten; zurückgehen, nun musste sie nicht mehr auf den Boden gucken.
"Alle hinter der Linie? Gut, dann könnt ihr wieder!"
Den Griff vom Ständer ziehen, die linke Hand passte perfekt um den Griff, als wäre es ihr Gerät. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein; aber das Gefühl war dem ihrer Protagonistin ähnlich, so musste sie fühlen, als sie ihre Waffe bekommen hatte; hinstellen. Ein Teil registrierte die Markierung, die sie während der letzten Passe durch ihre Schuhe in den Wegstaub gedrückt hatte; ihr Körper stellte sich hinein. Im Auto war doch sicher noch das Brötchen vom Bäcker, das konnte sie gleich nachher essen; erst noch die Pfeilauflage treffen, damit nichts verrutschte, vorhin war ja das Visier verrutscht und die Trainerin hatte es nachstellen müssen, aber nun sorgsam zielen.
Konzentration. Auf das Nichts, ein Teil von ihr sah ruhig durch das Visier und sah Gold, andere schwangen im Takt ihrer Gedanken; noch zwei Tage Unterricht, dann war sie durch mit der Schule, kann man das glauben? Vielleicht; den Arm gerade nach hinten ziehen. Ihre Finger berührten das Kinn, die Sehne drückte sacht gegen ihre Nasenspitze und sie lächelte, halb im Alltagskopf versunken. Das würde ihre nächste Protagonistin auch tun, oh ja, das würde sie - würde so stehen und dann loslassen. Sie sah nicht, wohin der Pfeil flog, aber das würde sie ja noch früh genug mitbekommen. So wie sie vorhin erst bemerkt hatte, dass gleich am nächsten Tag ja schon wieder Freitag war, Freitag ... Da konnte ihr Bruder ja den Lateinduden mitnehmen, sie brauchte es ja nicht mehr, letzte Lateinstunde gestern, die Lehrerin war fast gerührt gewesen - so viele Lehrer hatten ihnen versichert, es wären die nettesten Kurse gewesen, taten sie das in den Schulgeschichten nicht auch immer?
"Sehr schön, Leute - und holen! Noch die letzte Passe für heute."
Die letzte? Sie blickte auf, vielleicht etwas benommen von der Stille, der Ruhe, die trotz schwirrender Gedanken in sie eingekehrt war. Stundenlang hätte sie das alles noch weitermachen können, hatte sie nicht schon stundenlang dasselbe getan und nachgedacht?
Es war so ruhig in ihr gewesen, die Zeit hatte ihr eine Pause zum Nachdenken gegeben.
Nächste Woche, dachte sie mit einem stillen Lächeln, werde ich wieder zur Bogenschützengilde fahren.
"Unmöglich? Du selbst bist doch die Fürstin des Unmöglichen. Du hast mir das Leben geschenkt und es dann zur Hölle gemacht. Zwei Väter hast Du mir gegeben, und beide mir entrissen. Unter Schmerzen mich geboren und zu Schmerzen mich verdammt. Nun spreche ich zu Dir aus dem Grabe, zu dem Du mir die Welt geschaffen hast: Ich bin Deine Tochter - und Dein Tod."
- aus Bastard -
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(Avatar: 'Batbastard', © by Trin o'Chaos)