Hallo Chuzzlewit!
Zuerst einmal willkommen (zurück)!
Nun aber mal zu deinem Gedicht:
Man merkt, dass es ein Erstling ist. Es hat noch dieses - für Anfänger typische - Prosahafte mit zusammenhängenden Sätzen.
Aber bevor ich ein Urteil abgebe, erst mal ein paar Details.
Zitat:Ich versuche unerkannt zu bleiben,
schlage den Kragen hoch
wie im Film
und beobachte weiter
wie sie sich unterhakt
und die beiden ihrer Wege gehen.
Ich bin auf den Fersen
und koche vor Wut.
1) "Die Beiden" bitte groß schreiben.
2) Normal heißt es "Ich bin ihnen auf den Fersen". Das "den" ist hier nicht korrekt und da du im gesamten Gedicht sehr unterschiedliche Zeilenlängen hast, machen die beiden Silben nicht viel.
3) Das "kochen" kommt nachher im Gedicht noch mal und daher würde ich entweder hier oder später ein anderes Wort/einen anderen Ausdruck suchen.
Zitat:wie im Film
Das klingt sehr kindlich und ist auch unnötig. Es nimmt dem gesamten Gedicht den Ernst und zeigt dem Leser eher: Aha, da ist jemand, der nur seinem Ex hinterherspioniert. Natürlich willst du den Leser offensichtlich auch auf eine falsche Spur schicken, aber ich würde die Zeile streichen. Und wenn du nicht auf sie verzichten willst, wenigstens hervorheben - mit Bindestrichen, kursiv schreiben oder Klammern.
Zitat:Ich wage mich zu nah heran,
so dass sie mich fast sehen.
Fand ich recht unnötig. Entweder hättest du hier noch den Blick von einem der Beiden auffangen können oder aber ganz streichen...
Zitat:und ich verliere sie beinah,
dann aber stehen sie da und denken nur an ihr Glück
Nach dem "beinah" bitte ein Apostroph. Die lange Zeile würde ich in zwei teilen (am besten vor dem "und"), die ragt doch schon viel zu stark heraus.
Zitat:Er ist glücklich,
sie ist es auch.
Hier fänd ich
"Er ist glücklich
und sie auch." schöner. Das liest sich weniger beiläufig.
Zitat:Niemand denkt an mich.
Auch diese Zeile würde ich optisch hervorheben.
Zitat:Meine Handtasche öffnet sich,
der Revolver erscheint
durch Geisterhand
und macht mir ein Ende.
"wie durch Geisterhand" wäre besser. Den Revolver würde ich zudem durch "Waffe" ersetzen. Das genügt vollkommen, um anzudeuten, was geschieht.
Diese Strophe ist mir auch zu beiläufig. Es klingt so nach "Huch, da war ich plötzlich tot!". Viel zu passiv, viel zu entschuldigend. Wenn man sich umbringt, ist man doch so aktiv... Ich hätte mir das auch vielleicht als eine kleine Andeutung vorher gewünscht. Wenn auch eine versteckte Andeutung.
Insgesamt haben mir in dem Gedicht die Metaphern gefehlt (die einzige war die mit der Menge und der Hand). Das kann man aber unter persönlicher Vorliebe verbuchen.
Jedoch waren mir die sonstigen Ausdrücke auch zu alltäglich (z.B. "Handtasche"), für mich gehört so etwas nicht in ein Gedicht.
Man hätte die "Geschichte", die du erzählst, auch wesentlich straffen können, denn du redest um den heißen Brei, ohne einen sonderlichen Spannungsbogen aufzubauen.
Zudem weiß man einfach nicht, wieso das lyrische Ich vor Wut kocht. Es kocht und kocht dauernd nur. Man ahnt lediglich, dass es wohl betrogen/wegen einer anderen Frau verlassen wurde.
Die Idee dahinter ist aber nicht einmal so schlecht, ist für ein Gedicht aber zu ausführlich und wäre wohl eher etwas für eine Kurzgeschichte gewesen...
Tut mir leid, dass ich dir nichts besseres schreiben konnte!
Grüße,
Isola.
P.S.: Darf ich fragen, wie alt das Gedicht ist?