Eine Armada übersättigter Wolken zieht unablässig gen Westen, während der Mond versucht, das Firmament zu erhellen. Karg und blass ist er, ein schaler Abglanz seiner einstig, vollen Pracht. ,Abnehmender Halbmond' sagen die einen, Unwissenden; für uns, eine kleine Gruppe Eingeweihter, ist es die schlimmste Zeit im Monat. Die Zeit, in der wir uns in unseren Verstecken verbarrikadieren und hoffen, die dunkle Brut wird auch dieses Mal an uns vorübergehen.
Normalerweise würde auch ich diese Zeit des Tages in einem dieser Verstecke verbringen.
Wie gesagt: normalerweise.
Heute hat mich etwas davon abgehalten. Statt in die Sicherheit meines Rudels zu flüchten, bin ich in meiner Wohnung geblieben. Oder besser davor, denn anstatt mich ins Innere zurückzuziehen und Nichtanwesenheit vorzugaukeln, stehe ich seit Sonnenuntergang regungslos auf meinem Balkon und sehe zu, wie die Dunkelheit den Park vor meinem Appartement verschlingt.
Mit jeder Sekunde, die dabei vergeht und die Nacht sich weiter vortastet, erwarte ich das Aufglimmen hungriger Augen. Aber die Ruhe der Bäume bleibt ungestört – abgesehen von ein paar Blättern, die der Wind als kleiner Zeitvertreib hin- und hertreibt.
Die Finsternis kriecht voran, Stille legt sich über mein Viertel, fast als hätte die Welt es für einen Moment lang vergessen. Es ist ein trügerisches Schweigen. Die dunkle Brut, immerhungrig und ausgestattet mit überragenden Sinnen, wird mich finden. Und wenn nicht einer von ihnen, dann einer ihrer zahlreichen Schnüffler. Bizarre Wesen, nur zu einem einzigen Zweck gezüchtet: die Jagd auf meinesgleichen. Mir ist, als könnte ich bereits den geifernden Atem heiß in meinem Nacken spüren.
Das Gefühl vergeht und lässt mich zitternd zurück. Ich bin nicht dumm. Natürlich habe ich Angst, nicht vor dem Tod, sondern vor dem, was ihm womöglich vorausgehen wird.
Es gibt viele Geschichten unter meinesgleichen. Geschichten von Folter, Qual und jahrelangem Schmerz. Die Brut kennt kein Mitgefühl. Wie auch, ohne eine Seele in der Brust. Während die Blätter unter mir träge über die Straße tanzen, frage ich mich, was mich wohl erwarten wird.
„Möchtest du sterben?“, erklingt es auf einmal leise, ja, beinahe zärtlich über mir. Ich zucke kurz zusammen. Sie ist so lautlos gekommen. Lautlos wie der Tod. Ich dränge die Angst, die instinktiv in mir hochgewallt ist, zurück und drehe mich zu der Stimme herum.
Das Wort Brut passt nicht zu ihr, wie sie da steht, anmutig auf meinem Dach. Einem Todesengel gleich, gewandet in Finsternis, schwebt sie sanft zu mir herunter. Ich spüre ihre Macht, bin gebannt von ihrer düsteren Ausstrahlung und verliere ein paar Tränen, als mich ihre tiefe Melancholie berührt.
Sagte ich seelenlos? Was für ein Irrtum. Mein dunkler Todesengel droht, zu ersticken unter ihrer Seele. Ich spüre ihre Trauer, ihre Verzweiflung, aber auch einen Hauch von … ja, was?
„Möchtest du sterben?“, fragt meine düstere Besucherin erneut und kommt damit zu dem Grund ihres - nein! - unseres, Hierseins zurück.
Ich nicke. Ich brauche nichts zu sagen, sie sieht die Geste, erkennt die Antwort darin. Ich ahne ihr Lächeln mehr, als dass ich es wirklich sehe. Verwunderung schlägt mir entgegen. Aber auch … Respekt?
„Warum?“, höre ich sie fragen. Es klingt sogar interessiert, vielleicht, weil es in ihrem Alltag (oder sollte ich sagen: in ihrer Allnacht?) etwas Abwechslung bringt. Doch ich möchte mich nicht äußern, meine Beweggründe nicht offenbaren.
„Ist das wichtig?“
Mein dunkler Todesengel zieht verwundert eine seiner Augenbrauen nach oben, ein zartgewölbter Strich in der Blässe ihres Gesichts. „Ist es das nicht?“, fragt sie sanft. „Du verschenkst schließlich das Wertvollste, das du besitzt.“
Verschenken, sagt sie, und wahrscheinlich trifft es das auch. Ich gebe ihr etwas, mein Blut, mein Leben. Ich schenke es - nein, weihe, widme es ihr. Mein Opfer wird sie nähren für … für wie lange? Stunden? Tage, Wochen? Ich weiß es nicht, habe nie darüber nachgedacht. Nun nagt diese Ungewissheit an mir. Ich möchte, nein, begehre danach, zu wissen, wann das nächste Blut ihre Lippen benetzen wird. Wird es meinen Geschmack verdrängen, auf ewig auslöschen, oder wird sie sich zeitlos daran erinnern, bis ihr Körper zu Asche zerfällt?
Der Gedanke lässt mich schaudern. Ihr schönes Antlitz verdient mehr als das! Einen Altar, einen Sarkophag aus Glas, an dem jeder ihre Gesichtszüge verehren kann. Ja, das, und noch viel mehr.
Ich bemerke, wie ich mich in ihrer Anmut verliere, in ihrem Liebreiz, und versuche, mich zur Ordnung zu rufen.
Mein Todesengel steht ungerührt da, wartend. Sie hat Zeit. Die Nacht, ihre Freundin, ihre Geliebte, hat gerade erst begonnen. Sie weiß, dass ich nicht fliehen kann, selbst wenn ich es wollte. Ihr Blut, ihre Mahlzeit ist ihr sicher. Also warum soll sie ungeduldig sein? Sie wird warten. Es hinauszögern, es auskosten.
Ich spüre, dass sie eine Genießerin ist. Keine von denen, die gierig schlingen. Mein Blut wird ihr ein Labsal sein, kein schneller Imbiss. Kann ich mehr erwarten? Nein, ich habe Glück gehabt. Die Nacht und der Mond - beide haben es heute gut mit mir gemeint.
Mit weit geöffneten Armen und offenen Auges trete ich ihr entgegen.
„Tu es!“, fordere ich sie auf, und als hätte es dieser Aufforderung benötigt, wird das Tierische, Dunkle, in ihr lebendig. Ihre Züge verziehen sich nur unmerklich. Sie hält sich zurück, will mich nicht ängstigen, doch gegen ihre Zähne, die sich spitz zwischen ihren Lippen hervordrängen, kann auch sie nichts tun. Sie braucht sie - für ihren letzten tödlichen Kuss.
Ich bleibe stehen, denn der letzte Schritt ist nicht der meine. Es ist an ihr, die Grenze zu überschreiten, und sie tut es. Lautlos und sanft kommt sie näher, umschlingt mich mit ihren Armen. Nur sacht, ich spüre allerdings deutlich die Kraft, die ihnen innewohnt. Wenn mich meine Kräfte verlassen, werden diese Arme mich halten, mich vor einem Fall bewahren. Und danach, wenn alles vorbei ist, werden es diese Arme sein, die mich davon tragen. Vampire hinterlassen nicht gerne Zeugen, auch keine Toten.
Ihr Biss tut nicht weh. Ein sanftes Ziehen, nicht mehr. Sie trinkt, den Kopf in die Nische zwischen meinem Hals und der Schulter gebettet. Ich fühle mich an einen Liebhaber erinnert, der mich zärtlich mit seinen Armen umfängt.
Kein Laut dringt über ihre Lippen, während sie sich an mir nährt. Wäre da nicht die Kraft, die allmählich aus mir weicht, hätte ich mich der Illusion des Moments hingeben können. Mein Blut strömt aus mir heraus und mit ihm versiegt meine Stärke. Meine Beine sacken unter mir weg, meine Lider werden schwer, und ich spüre, wie sie innehält, zögert. Bekommt mein Todesengel vielleicht Zweifel an seinem Tun?
„Hör nicht auf!“, höre ich mich flüstern. Meine Hand, unendlich müde, legt sich auf ihr Haar. „Hör nicht auf!“
Dann bricht die Dunkelheit der Nacht auch über mich herein.
Normalerweise würde auch ich diese Zeit des Tages in einem dieser Verstecke verbringen.
Wie gesagt: normalerweise.
Heute hat mich etwas davon abgehalten. Statt in die Sicherheit meines Rudels zu flüchten, bin ich in meiner Wohnung geblieben. Oder besser davor, denn anstatt mich ins Innere zurückzuziehen und Nichtanwesenheit vorzugaukeln, stehe ich seit Sonnenuntergang regungslos auf meinem Balkon und sehe zu, wie die Dunkelheit den Park vor meinem Appartement verschlingt.
Mit jeder Sekunde, die dabei vergeht und die Nacht sich weiter vortastet, erwarte ich das Aufglimmen hungriger Augen. Aber die Ruhe der Bäume bleibt ungestört – abgesehen von ein paar Blättern, die der Wind als kleiner Zeitvertreib hin- und hertreibt.
Die Finsternis kriecht voran, Stille legt sich über mein Viertel, fast als hätte die Welt es für einen Moment lang vergessen. Es ist ein trügerisches Schweigen. Die dunkle Brut, immerhungrig und ausgestattet mit überragenden Sinnen, wird mich finden. Und wenn nicht einer von ihnen, dann einer ihrer zahlreichen Schnüffler. Bizarre Wesen, nur zu einem einzigen Zweck gezüchtet: die Jagd auf meinesgleichen. Mir ist, als könnte ich bereits den geifernden Atem heiß in meinem Nacken spüren.
Das Gefühl vergeht und lässt mich zitternd zurück. Ich bin nicht dumm. Natürlich habe ich Angst, nicht vor dem Tod, sondern vor dem, was ihm womöglich vorausgehen wird.
Es gibt viele Geschichten unter meinesgleichen. Geschichten von Folter, Qual und jahrelangem Schmerz. Die Brut kennt kein Mitgefühl. Wie auch, ohne eine Seele in der Brust. Während die Blätter unter mir träge über die Straße tanzen, frage ich mich, was mich wohl erwarten wird.
„Möchtest du sterben?“, erklingt es auf einmal leise, ja, beinahe zärtlich über mir. Ich zucke kurz zusammen. Sie ist so lautlos gekommen. Lautlos wie der Tod. Ich dränge die Angst, die instinktiv in mir hochgewallt ist, zurück und drehe mich zu der Stimme herum.
Das Wort Brut passt nicht zu ihr, wie sie da steht, anmutig auf meinem Dach. Einem Todesengel gleich, gewandet in Finsternis, schwebt sie sanft zu mir herunter. Ich spüre ihre Macht, bin gebannt von ihrer düsteren Ausstrahlung und verliere ein paar Tränen, als mich ihre tiefe Melancholie berührt.
Sagte ich seelenlos? Was für ein Irrtum. Mein dunkler Todesengel droht, zu ersticken unter ihrer Seele. Ich spüre ihre Trauer, ihre Verzweiflung, aber auch einen Hauch von … ja, was?
„Möchtest du sterben?“, fragt meine düstere Besucherin erneut und kommt damit zu dem Grund ihres - nein! - unseres, Hierseins zurück.
Ich nicke. Ich brauche nichts zu sagen, sie sieht die Geste, erkennt die Antwort darin. Ich ahne ihr Lächeln mehr, als dass ich es wirklich sehe. Verwunderung schlägt mir entgegen. Aber auch … Respekt?
„Warum?“, höre ich sie fragen. Es klingt sogar interessiert, vielleicht, weil es in ihrem Alltag (oder sollte ich sagen: in ihrer Allnacht?) etwas Abwechslung bringt. Doch ich möchte mich nicht äußern, meine Beweggründe nicht offenbaren.
„Ist das wichtig?“
Mein dunkler Todesengel zieht verwundert eine seiner Augenbrauen nach oben, ein zartgewölbter Strich in der Blässe ihres Gesichts. „Ist es das nicht?“, fragt sie sanft. „Du verschenkst schließlich das Wertvollste, das du besitzt.“
Verschenken, sagt sie, und wahrscheinlich trifft es das auch. Ich gebe ihr etwas, mein Blut, mein Leben. Ich schenke es - nein, weihe, widme es ihr. Mein Opfer wird sie nähren für … für wie lange? Stunden? Tage, Wochen? Ich weiß es nicht, habe nie darüber nachgedacht. Nun nagt diese Ungewissheit an mir. Ich möchte, nein, begehre danach, zu wissen, wann das nächste Blut ihre Lippen benetzen wird. Wird es meinen Geschmack verdrängen, auf ewig auslöschen, oder wird sie sich zeitlos daran erinnern, bis ihr Körper zu Asche zerfällt?
Der Gedanke lässt mich schaudern. Ihr schönes Antlitz verdient mehr als das! Einen Altar, einen Sarkophag aus Glas, an dem jeder ihre Gesichtszüge verehren kann. Ja, das, und noch viel mehr.
Ich bemerke, wie ich mich in ihrer Anmut verliere, in ihrem Liebreiz, und versuche, mich zur Ordnung zu rufen.
Mein Todesengel steht ungerührt da, wartend. Sie hat Zeit. Die Nacht, ihre Freundin, ihre Geliebte, hat gerade erst begonnen. Sie weiß, dass ich nicht fliehen kann, selbst wenn ich es wollte. Ihr Blut, ihre Mahlzeit ist ihr sicher. Also warum soll sie ungeduldig sein? Sie wird warten. Es hinauszögern, es auskosten.
Ich spüre, dass sie eine Genießerin ist. Keine von denen, die gierig schlingen. Mein Blut wird ihr ein Labsal sein, kein schneller Imbiss. Kann ich mehr erwarten? Nein, ich habe Glück gehabt. Die Nacht und der Mond - beide haben es heute gut mit mir gemeint.
Mit weit geöffneten Armen und offenen Auges trete ich ihr entgegen.
„Tu es!“, fordere ich sie auf, und als hätte es dieser Aufforderung benötigt, wird das Tierische, Dunkle, in ihr lebendig. Ihre Züge verziehen sich nur unmerklich. Sie hält sich zurück, will mich nicht ängstigen, doch gegen ihre Zähne, die sich spitz zwischen ihren Lippen hervordrängen, kann auch sie nichts tun. Sie braucht sie - für ihren letzten tödlichen Kuss.
Ich bleibe stehen, denn der letzte Schritt ist nicht der meine. Es ist an ihr, die Grenze zu überschreiten, und sie tut es. Lautlos und sanft kommt sie näher, umschlingt mich mit ihren Armen. Nur sacht, ich spüre allerdings deutlich die Kraft, die ihnen innewohnt. Wenn mich meine Kräfte verlassen, werden diese Arme mich halten, mich vor einem Fall bewahren. Und danach, wenn alles vorbei ist, werden es diese Arme sein, die mich davon tragen. Vampire hinterlassen nicht gerne Zeugen, auch keine Toten.
Ihr Biss tut nicht weh. Ein sanftes Ziehen, nicht mehr. Sie trinkt, den Kopf in die Nische zwischen meinem Hals und der Schulter gebettet. Ich fühle mich an einen Liebhaber erinnert, der mich zärtlich mit seinen Armen umfängt.
Kein Laut dringt über ihre Lippen, während sie sich an mir nährt. Wäre da nicht die Kraft, die allmählich aus mir weicht, hätte ich mich der Illusion des Moments hingeben können. Mein Blut strömt aus mir heraus und mit ihm versiegt meine Stärke. Meine Beine sacken unter mir weg, meine Lider werden schwer, und ich spüre, wie sie innehält, zögert. Bekommt mein Todesengel vielleicht Zweifel an seinem Tun?
„Hör nicht auf!“, höre ich mich flüstern. Meine Hand, unendlich müde, legt sich auf ihr Haar. „Hör nicht auf!“
Dann bricht die Dunkelheit der Nacht auch über mich herein.
"I wish a car would just come and fucking hit me!"
"Want me to hail a cab?"
"No, I'm talking bus!" (The four faced liar)
Da baumelt die kleine Doktorspinne in ihrem Seidenreich und träumt von ihren Silberfäden.
![[Bild: riverdance.gif]](http://www.smileygarden.de/smilie/X-Maennchen/riverdance.gif)
"Want me to hail a cab?"
"No, I'm talking bus!" (The four faced liar)
Da baumelt die kleine Doktorspinne in ihrem Seidenreich und träumt von ihren Silberfäden.
![[Bild: riverdance.gif]](http://www.smileygarden.de/smilie/X-Maennchen/riverdance.gif)