Hab den Hintergrund des Charakters Dako Do'antai etwas ausformuliert und bin gespannt was ihr davon haltet.^^ Viel Spaß beim Lesen!
Schattenpfad (Dako Do'antai)
Ihr heiseres Lachen wurde von den vorbei schießenden Höhlenwänden zurückgeworfen, während die beiden Dunkelelben, tief in die Mähne ihrer Reittiere geduckt, durch den Tunnel stürmten. Mit halsbrecherischen Manövern wichen sie jäh aus der Dunkelheit auftauchenden Stalagmiten aus und trieben ihre Nur’imar zu noch größerer Geschwindigkeit an. Immer wieder schlugen die klauenartigen Hufe der nachtschwarzen Höhlenbewohner funkensprühend gegen den Felsboden. Dako genoss den Gegenwind in seinem Gesicht, in seinem Haar. Sein ganzer Körper schien zu beben und er suhlte sich im Gefühl, im Rausch der Geschwindigkeit.
Er riskierte einen Blick nach rechts, nachdem sein pferdeartiges Reittier mit einem großen Satz über einen Spalt gesprungen war. Im spärlichen Licht der fluoreszierenden Flechten an Decke und Wänden wirkte es, als würde Ylia mit ihrem Nur’imar verschmelzen, eine Einheit bilden. Schweiß glänzte auf ihrer dunklen Haut und ihre zahlreichen geflochtenen Zöpfe wehten wie der Schweif und die Mähne ihres Reittiers. Sie erwiderte seinen Blick kurz und bleckte die Zähne. Er lag fast einen Schritt vor ihr. Er würde es schaffen! Vor ihm tauchten bereits die tanzenden Lichtpunkte der Lagerfeuer auf und seine Anspannung ballte sich in der Magengegend zusammen, jagte Adrenalin durch seinen Körper, beflügelte ihn noch weiter. Er würde gewinnen! Elegant lenkte er sein Nur’imar an einem größeren Felsbrocken vorbei und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Ylia noch einmal einige Handbreit zurück gefallen war. Jubelnd richtete er sich auf und breitete die Arme aus, während ihm die Helligkeit des Lagers entgegen sprang. Er wollte den Sieg fühlen, ihn mit jeder Faser seines Seins auskosten,
wollte –
vor ihm schnellte ein Felsvorsprung aus dem Zwielicht und er warf sich mit seinem gesamten Gewicht zur Seiten. Das Nur’imar brüllte vor Schmerz, als es versuchte, der Bewegung seines Reiters zu folgen und Dakos Armschiene schrammte kreischend an der Wand entlang.
Dann waren sie vorbei. Doch in diesem Augenblick schoss Ylia an ihm vorüber und schoss einen Atemzug vor Dako durch den Ausgang des Tunnels in die hell erleuchtete Kaverne. Mitten in die lagernden Orks, die wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner auseinander stoben.
Beide ließen zügelten ihre Nur’imare und ließen sie Seite an Seite weiter traben, an den Orksklaven vorbei, die sich bei ihrem Anblick in den Staub warfen. Missmutig verzog Dako die Mundwinkel. Verdammt! So knapp davor. Alles, was von seinem Hochgefühl geblieben war, war ein unangenehmer Kloß im Hals und ein leicht pochender Schmerz im Arm, dort, wo er auf den Felsen geprallt war. Verdammt! Ylia dagegen grinste ihn breit an und warf ihre weißen Zöpfe über die Schulter. „Wann siehst du es endlich ein, Dako? Du bist ein Mann, du kannst nicht gegen mich gewinnen!“
Jetzt lachend sprang Ylia ab, als sie den Vorsprung erreichten, auf dem ihre Waffengeschwister um ein Feuer lagerten, und gab ihrem Reittier einen Klaps. Es trottete müde zu seinen Artgenossen, die große Stücke aus einem undefinierbaren Klumpen Fleisch rissen. Fluchend stieg auch Dako ab und warf einen kurzen Blick zurück zu den Orksklaven, die in angemessenem Abstand zu ihren Herren warteten. Seine Hände öffneten und schlossen sich ruckartig. Er hatte das dringende Bedürfnis zu töten, wollte den Geruch von Blut, wollte das Gefühl von brechenden Knochen spüren. Sie brauchten die Sklaven. Aber bald war es so weit. Schließlich folgte er seiner Waffenschwester auf die Erhöhung.
„Sie sind nicht mehr weit“, erklärte ihnen Ylia gerade. Sie hatte sich im Schneidersitz zwischen den anderen niedergelassen, die nun auch für Dako zur Seite rückten.
Ylia war die einzige Frau in ihrem Bund und ihre Anwesenheit allein war schon mehr als ungewöhnlich. Normalerweise ließen sich diese höheren Geschöpfe nicht dazu herab, mit Männern zu ziehen, sondern bildeten ihre eigenen Bünde. Zornig spuckte Dako zu Boden. Aber noch ungewöhnlicher war, dass sie Tarkûl ebenfalls als ihren unausgesprochenen Anführer akzeptierte. Allerdings besaß er auch ein beeindruckendes taktisches Verständnis, wie Dako zähneknirschend zugeben musste. Es lief alles nicht so, wie er es sich früher ausgemalt hatte.
„Wir konnten den Boden unter dem Tritt ihrer Stiefel schon beben hören.“ Ylia fuhr fort, ohne von Dakos Anspannung Notiz zu nehmen. Ihr Haar umspielte ihr weiches Gesicht und fiel hinab bis zu dem weiten Ausschnitt in ihrem Gewand.
Zu allem Überfluss sah sie auch noch verdammt gut aus. Dako seufzte.
„Sie sind nur noch wenige Meilen entfernt … und sie scheinen tatsächlich hier vorbei zu kommen, so wie du gesagt hast, Tarkûl.“
Der Angesprochene hob kaum den Blick. Er war etwas größer als die anderen und eine blutrote Narbe zog sich über seine ganze linke Gesichtshälfte.
„Natürlich tun sie das. Sie folgen diesen Statuen. Die sind so etwas wie Wegzeichen.“ Abwesend kratze er mit einem Dolch Linien in den Felsboden.
„Pah, das sieht diesen Gnomen ähnlich! Genauso dumm wie sie aussehen.“ Xantas lachte schallend. Seine ungewöhnlich breiten Schultern bebten. „Sie zeichnen uns ihre Wege freundlicherweise direkt vor. Wie auf einem Silbertablett!“
Dako mochte Xantas nicht besonders. Er war laut und selbstbewusst. Zu laut und selbstbewusst für seinen Geschmack.
Aber noch mehr misstraute er Yggtâr, dem fünften in ihrem Waffenbund. Er sagte, wie immer, nichts, sondern schärfte nur konzentriert sein Schwert. Überhaupt schien er immer konzentriert, immer aufmerksam … immer bereit, den anderen sein verfluchtes Schwert in den Rücken zu rammen, sollte sich die Gelegenheit bieten.
„Sie sind nicht dumm.“ Tarkûl hatte sich Zeit gelassen mit einer Antwort, doch jetzt blickte er Xartas fest ins Gesicht. „Sie sind verschlagen - verschlagen und lästig!“ Er rieb über seine Narbe, als würde sie in diesem Augenblick beginnen, höllisch zu jucken. Dako wünschte ihm das auch von Herzen, als er Ylias bewundernden Gesichtsausdruck sah. Wie sie an seinen Lippen hing. Er schüttelte sich.
„Wenn man markierte Wege hat, dann lassen sich diese Wege leichter in Stand halten – und man kann sie leichter säubern. Dieses bärtige Ungeziefer ist verdammt lästig“
Xantas runzelte mürrisch die Stirn, was Dako ein Lächeln entlockte.
Schließlich erhob sich Tarkûl und wie auf Befehl taten es die anderen ihm gleich und begannen sich zu rüsten.
***
Wenn es etwas gab, das Dako wirklich hasste, dann war das Warten. Untätig herumsitzen und warten. Sein Nur’imar spürte Dakos Unruhe und begann nervös zu tänzeln. Wenn ihm das schon so schwer fiel, wie musste es dann Xantas gehen? Aus den Augenwinkeln beobachtete er seinen Waffenbruder und bemerkte mit Genugtuung dessen verkniffenes Gesicht. Dann wandte er seinen Blick wieder nach vorne und widerstand mit Mühe der Versuchung, um die Biegung zu spähen. Sie befanden sich in einer kleinen Abzweigung von der Zwergenstraße, kaum mehr als ein Spalt im Fels und der Enge entsprechend wurden die Nur’imar immer unruhiger. Wie er Warten hasste! Er bemerkte, dass seine Hände leicht zitterten und horchte in sich hinein. Nervosität? Sicherlich nicht, wie lächerlich. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass sie eine Zwergenkarawane überfielen. Wenn auch das erste Mal ohne weitere Waffenbünde und deren Sklaven.
Nicht mehr lange. Man konnte die harschen Stimmen der Zwerge schon durch die Tunnel hallen hören. Das Rumpeln von hölzernen Rädern, das Stampfen von eisenbeschlagenen Stiefeln … konnte es sein, dass diese Gnome sangen? Was auch immer diese primitiven Laute darstellen sollten, schön waren sie jedenfalls nicht. Neben ihm hielt sich Ylia demonstrativ die Ohren zu und Dako lächelte. Die Zwerge waren schon fast heran. Jeden Augenblick mussten sie an dem Tunnel vorbei kommen, in dem sich die Orksklaven verbargen. Und wenn diese mit ihrer schieren Übermacht die Bartträger fast erdrückt hatten, würden die Waffengeschwister sie niederreiten und einen glorreichen Sieg erringen. Er spürte, wie die Anspannung wiederkehrte, sich von seinem Hals bis hinab in seinen Bauch zog. Vorfreudig malte er sich das Gefühl aus, das er haben würde, wenn er den ersten Kopf abschlagen würde, um ihn dann an dem Bart herumzuwirbeln, und erbebte. Wasser lief ihm im Mund zusammen. Rasch überprüfte er noch einmal den Sitz seines Brustpanzers und zerrte nacheinander an den Arm- und Beinschienen –
da brach auf der Straße die Hölle los. Das vielstimmige Kampfgebrüll der Orks schien die Wände zum Schwanken zu bringen und peitschte das Blut der Dunkelelben nun vollends auf. Doch Tarkûl hob die Hand. Dako knurrte ungehalten. Es stieg ihm bereits Blutgeruch in die Nase und er wollte töten, nein, nicht nur töten, er wollte zerfleischen. Das Gebrüll vermischte sich mit dem Geklirr von Stahl auf Stahl und Schmerzensschreien. Dann hieb Tarkûl seine Faust ruckartig nach vorn und die Waffengeschwister trieben ihre Nur’imar’ vorwärts. Sie brachen aus der Abzweigung und stürmten auf den Kampf zu, der nun vor ihnen tobte.
Die Zwerge hatten eine geordnete Reihe gebildet, um die drei Wagen zu schützen, die sie begleiteten, und stemmten sich mit ihren breiten Rundschildern gegen die Flut aus halbnackten Orkleibern. Die grobschlächtigen Äxte der Sklaven prallten von den stählernen Kettenpanzern des bärtigen Ungeziefers ab, während die Äxte der Zwerge auf ungeschütztes Fleisch trafen und tiefe Wunden schlugen. Die ersten Orks waren bereits gefallen, während die Zwerge noch keinen Schritt zurück gewichen waren, sondern stattdessen sogar langsam vorrückten. Es waren deutlich mehr Krieger als erwartet, doch Dako kam nicht dazu, Konsequenzen aus diesem Gedanken zu ziehen, denn nun waren sie über den Zwergen. Xantas neben Dako lachte wie im Rausch, als sie in die ungeschützte Flanke der Verteidigungslinie prallten und Dakos Sinne entfachten ein Feuerwerk an Empfindungen in seinem Geist. Ein Wirbel aus Formen, Farben, Stahl und Blut umtoste ihn und er stellte fest, dass er ebenfalls lachte. Er lachte so heftig, dass es wehtat und seine Begeisterung drängte noch weiter, wollte noch stärker aus ihm heraus. Ohne es sich bewusst zu sein, hackte er auf die Zwerge ein. Rechts mit seiner langen Klinge, links einfach nur mit den scharfkantigen Zacken seiner Unterarmschiene und fühlte es. Suhlte sich geradezu in ihrem Tod! Dako wischte bärtige Köpfe mit Schwerthieben beiseite und das Gefühl lebendig zu sein, durchströmte seine Adern, pulsierte in seinen Venen. Sein Nur’imar tat es ihm nach, verbiss sich mit seinen Fangzähnen in der Schulter eines der kleinen Krieger und wirbelte ihn durch die Luft.
Dako brachte nicht nur den Tod, er war der Tod! Das Geschrei um ihn herum ging unter im Rauschen des eigenen Blutes in seinen Ohren, während Dako zustieß, parierte und wieder zustieß. Schau her, Ylia! Siehst du mich?
Ein stechender Schmerz in seiner Hüfte, aber er nahm ihn kaum war, zerteilte stattdessen ein weiteres runzeliges Gesicht, holte aus –
und plötzlich raste der Boden auf ihn zu, als sein Nur’imar unter ihm zusammen brach. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen, aber ihm gelang es trotzdem, sich mit ungläubig aufgerissenen Augen auf den Rücken zu rollen. Einer der Zwerge stand über ihm, seine Augen glühten regelrecht vor Zorn und nicht nur die schartig geschlagene Axt, sondern sein gesamter Körper war mit Blut besudelt. Der Bartträger brüllte etwas in seiner unverständlichen Sprache und schwang seine Waffe. Sie stürzte auf Dako hernieder, füllte sein gesamtes Gesichtsfeld und er konnte sich nicht rühren, war starr vor – Angst? Er fühlte sein Herz schlagen, es pochte langsam und schmerzhaft gegen seinen Brustkorb. So sollte es nicht enden! Dako Do’antai erschlagen von einem Wühlschrat, einem Gnom. Es war tatsächlich Angst, die er fühlte, nackte, panische Angst, die ihm die Kehle zuschnürte. Die ihn auf einmal alle Schmerzen fühlen ließ, die vorher betäubt waren, die ihn keinen klaren Gedanken fassen ließ und –
die lädierte Axt zerschellte einfach auf seiner Armschiene, die er reflexartig gehoben hatte, um sein Gesicht zu schützen und der nutzlose Stiel wurde dem überraschten Zwerg aus der Hand gerissen, während Dakos Arm schmerzpochend zu Boden sackte. Für einen Atemzug sahen die beiden sich an. Es schien, als würde sich der Bartträger mit bloßen Händen auf Dako stürzen wollen, doch dann fiel sein Blick auf das Schwert, das dem Dunkelelben aus der Hand geglitten war. Mit einem großen Satz war er bei der Klinge, beugte sich herunter und machte den letzten Fehler seines Lebens, denn Dakos rechter Arm zuckte hoch und scharfkantige Zacken gruben sich in die ungeschützte Kehle. Fast lautlos kippte der Zwerg zur Seite.
Schwer atmend ließ sich Dako zurück auf den Rücken fallen. Der stechende Schmerz, knapp über seiner Hüfte, strahlte pulsierend in seinen ganzen Unterleib, ließ ihm Tränen in die Augen steigen. Nur langsam gelang es dem Dunkelelben, sich zu beruhigen.
Das Erste, was ihm auffiel, war der Geruch. Eine Mischung aus Blut, Angstschweiß, dem ranzigen Gestank der Orks und etwas Undefinierbaren ließ seinen Magen rebellieren. Dann bemerkte er die Stille. Absolute Stille, die in seinen Ohren dröhnte. Nichts, außer seinem eigenen pfeifenden Atem und dem gelegentlichen Rieseln von Sand war zu hören. Ruckartig setzte er sich auf und bereute die Bewegung sofort, als kurz schwarze Punkte vor seinen Augen tanzten. Doch schließlich stemmte er sich ächzend in die Höhe. Um ihn herum herrschte das reinste Chaos. Ein einziges Durcheinander aus Leibern. Das dunkle Grün der Orksklaven überwog, doch zwischen den gefallenen Kreaturen blitzte immer wieder der blanke Stahl der zwergischen Kettenpanzer auf. Nur die drei Wagen der Karawane waren heil geblieben. Zwei der pelzigen Zugtiere hatten sich los gerissen und waren in den Höhlen verschwunden, aber eines hing verendet in seinem Geschirr. Wer ihm die klaffende Wunde zugefügte hatte, war nicht mehr auszumachen.
Und immer noch kein Geräusch. Ein unangenehmes Gefühl ballte sich in Dakos Eingeweiden zusammen und verstärkte den Schmerz an seiner Hüfte noch. Vorsichtig tastete er danach und schrak zusammen, als er seine Finger in warme Feuchtigkeit tauchte. „Tarkûl? Ylia?“ Nur zögernd wandte er sich um und fuhr entsetzt zurück. Direkt hinter ihm lag sein Nur’imar und starrte ihn aus gebrochenen Augen an. Die Axt, die es letztendlich gefällt hatte, stak noch in seiner Flanke. Mit einem Mal fiel Dako das Atmen schwer und er konnte kaum noch schlucken. Wo waren die anderen? Hatten sie ihn etwa zurückgelassen? Für tot gehalten? Seine Übelkeit wurde stärker, als er mit einem zögerlichen Schritt über die Leiche seines Reittieres hinweg stieg. Dann sah er sie endlich.
Tarkûl war fast soweit gekommen wie er. Er lag, halb begraben von seinem Nur’imar, auf dem Boden. Sein Gesicht war völlig zerschmettert, vermutlich hatte einer der Zwerge es mit seinen eisenbeschlagenen Stiefeln zermalmt. Nur noch die Narbe war zu erkennen.
Ein kleines Stück früher waren Xantas und Yggtâr gefallen, Rücken an Rücken und ihre Klingen noch umklammernd. Dako begann am ganzen Körper zu zittern. Der Dunkelelb war den Tod gewöhnt. Er war in den Straßen Tuloraghs allgegenwärtig. Der Tod von Sklaven, von Gefangenen. Nicht von Dùredhel. Dùredhel starben nicht. Sie waren zu überlegen. Wenn überhaupt, wurden sie besiegt, aber nie getötet. Nicht in einem direkten Kampf und niemals mehrere auf einmal. Panisch sah er sich um, während seine Schläfen schmerzten, als würden sie in einem Schraubstock zerquetscht werden. Er wollte fort, nur noch fort von diesem Ort, wollte –
Sein Fuß stieß gegen etwas weiches, rundes, das beiseite rollte, einen weißen Teppich aus geflochtenen Zöpfen hinter sich herziehend. Ylias geweitete Augen und der aufgerissene Mund, aus dem die Zunge wie ein Fremdkörper herausquoll, brannte sich in sein Gedächtnis. Er ging in die Knie und übergab sich.
***
Er wusste nicht, wie lange er nun schon hier saß, inmitten all der Leichen. Es war schwer, im ewigen Zwielicht der Unterwelt ein Zeitgefühl zu behalten, man sagte, dass die Zwerge so etwas konnten. Aber sie gehörten auch hier unten hin, hatten es gar nicht verdient unter den Sternen zu wandeln, während die Dunkelelben einst zurückkehren würden, um ihren rechtmäßigen Platz einzunehmen. Dako schüttelte sich. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten Dùredhel stark sein, Schwäche wurde gnadenlos ausgemerzt. Und Dako hatte versagt. Ihr Waffenbund hatte versagt, doch die anderen hatten sich einfach feige aus dem Leben gestohlen. Nur er war übrig, inmitten eines Haufens von Orksklaven, die den Familien der Waffengeschwister ersetzt werden mussten. Er vergrub sein Gesicht in den Händen. Was blieb noch übrig? Er würde als Leibdiener irgendeines Adligen enden, sein ganzes restliches Leben als Unwürdiger verbringen, ohne die Chance, sich jemals auszuzeichnen, jemals zu Macht zu gelangen. Kaum besser als ein Sklave. Was sollte er nur tun? Das ganze erschien ihm nun wie ein Alptraum. Ein Alptraum, aus dem er einfach nicht erwachen konnte. Seine Augen wanderten unruhig umher, immer wieder leckte er sich über die Zähne. Es musste doch noch irgendeine Möglichkeit geben. Schließlich war er noch am Leben … und die Wagen waren auch noch da. Die Wagen! Aufgeregt sprang Dako auf, verharrte kurz, als sich die Wunde hämisch meldete und humpelte schließlich zu den hölzernen Transportgefährten. Vielleicht gab es doch noch einen Ausweg! Mit fliegenden Fingern begann er die Plane von einem der Wagen zu reißen. Wenn er mit reicher Beute zurückkehren würde, könnte er sich sicherlich in gutem Licht darstellen. Er hatte den Kampf entschieden, während seine Waffengeschwister versagt hatten … und was das Wichtigste war, er würde ihren Familien die Orksklaven bezahlen können.
Immerhin hatte er hier drei Wagenladungen.
Gold, Waffen, Geschmeide … was auch immer die Zwerge transportieren mochten, es war stets einiges wert. Dako erstarrte. Verwirrt betrachtete er die Fässer, die unter der Plane zum Vorschein gekommen waren. Fässer? Unter den Planen der beiden anderen Wagen das selbe Bild. Holzfässer, gestapelt und festgezurrt. Misstrauisch begutachtete Dako die Gefäße. Was sollte darin sein? Wasser? Warum sollten Zwerge Wasser durch die Tunnel karren? Und dann auch noch so schwer bewacht? Er zögerte noch einen Augenblick, dann schlug er mit seiner Armschiene ein Stück Holz aus einem der Fässer. Sofort begann eine Flüssigkeit zu Boden zu sprudeln. Eine abartig stinkende Flüssigkeit von bräunlicher Farbe. Fassungslos wich Dako zurück, während sich das Gebräu in einer Pfütze über dem Boden ausbreitete. Was zur Hölle sollte das sein? Ihn beschlich der Verdacht, dass das Zeug einfach verdorben war. Schließlich konnte selbst dieses Ungeziefer keine Verwendung für so einen … Müll haben. Mit wenigen Schritten war er beim nächsten Wagen und öffnete ein weiteres der Fässer. Wieder zuckte er angeekelt zurück. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Verständnislos blickte Dako zwischen den sich ausbreitenden Pfützen hin und her. Das war doch ein Scherz. Da hatte sich jemand einen dämlichen Scherz erlaubt, auf seine Kosten! Seine Angst begann von einem anderen, heißeren, fast glühendem Gefühl verdrängt zu werden, das immer mehr an Intensität gewann. Er eilte zum letzten Wagen, während seine Schläfen pochten und Nadelstiche tief in seinen Kopf hinein jagten.
Komm schon!
Wieder nur dieser Sud. Dakos Hände begannen zu zittern. Nicht mit ihm! So einfach würde er es ihnen nicht machen. Mit einem zornigen Tritt beförderte er das Fass vom Wagen, begann auf das nächste einzuhacken, zertrümmerte es förmlich. Er hatte das nicht alles überstanden, um jetzt vor nichts zu stehen. Da steckte doch irgendein Trick dahinter! Er begann zu brüllen, während er weiter auf Holz einschlug, genoss das Gefühl, etwas zu zerstören, musste das Feuer, das sich in seiner Brust zusammenballte, herauslassen. Und er schlug weiter, als ginge es um Leben und Tod. Schlug und brüllte. Und ging schließlich in die Knie. Nichts. Er hatte nichts gefunden, außer dem Gebräu, dessen Gestank bereits den Geruch des Todes überdeckte. Fast wünschte er ihn sich zurück. Nur dieses verdammte, wertlose, verdorbene Gesöff. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Was sollte er denn jetzt tun? Die Angst kehrte zurück, legte sich wie beengende Ketten um seinen Brustkorb, die sich immer weiter zusammenzogen. Er hatte nichts. Hatte auf ganzer Linie versagt. Was für ein Leben würde das sein, das ihm nun bevorstand? Jahrhunderte erniedrigender Arbeiten. Jahrhunderte lang unwürdig, von einer Frau erwählt zu werden. Alles verloren. Die anderen hatten gut daran getan, sich töten zu lassen. Wäre er doch besser auch gestorben! Er hob seinen rechten Arm und betrachtete die blutigen Zacken an seiner Armschiene. Er konnte es beenden. Hier und jetzt. Was war schon weniger als einen Atemzug lang Schmerz im Vergleich zu Jahrhunderten voller Qualen? Dako verharrte in dieser Postion, kniend und den Arm erhoben. Er konnte es nicht tun. Er brachte die Überwindung nicht auf, sich selbst die Kehle zu zerfetzen. Zu oft hatte er schon die Schmerzen seiner Opfer in ihren Augen gesehen. Er wollte diese Schmerzen nicht erleiden.
„Dako, du versagst sogar in der Niederlage.“ Er schüttelte sich. Versager. Sein Blick strich über die teilweise noch sprudelnden Fässer. Wenn er sich schon nicht umbringen konnte, dieses Zeug würde es sicherlich tun. Mit wenigen, unsicheren Schritten war Dako bei einem der nur leicht beschädigten Fässern und fing etwas von der Flüssigkeit mit der hohlen Hand. Noch einmal zögerte er, dann stürzte er es herunter, während er sich mit der anderen Hand die Nase zu hielt. Zur Sicherheit eine weitere Hand. Und noch eine.
Zuerst geschah nichts. Doch schließlich bemerkte der Dunkelelb, wie seine Sinne abstumpften. Die Höhle um ihn herum verschwamm, wurde von einem milchigen Nebel bedeckt. Auch seine Schmerzen wichen zurück, verschwanden in süßer Betäubung. Alles begann sich zu drehen. Überrascht richtete Dako sich auf und wäre fast gestürzt. „Was …?" Sein Mund gab kaum mehr als ein sinnloses Gebrabbel wieder. Mit einem Mal fühlte er sich leicht, fast beschwingt, während gleichzeitig ein Kribbeln seine Beine hinablief, als wären sie betäubt. Nachdenklich runzelte Dako die Stirn, doch er bekam kaum mehr einen sinnvollen Gedanken zustande. Stattdessen begann er zu kichern. Die Wände drehten sich nun schneller, so als wollten sie Dako mit sich reißen und er spürte auf einmal das dringende Bedürfnis, mehr von dem Gesöff zu trinken. Seine Mundwinkel zogen sich immer weiter hoch, wurden zu einem breiten Grinsen. Und die Welt … wurde schön.
Schattenpfad (Dako Do'antai)
Ihr heiseres Lachen wurde von den vorbei schießenden Höhlenwänden zurückgeworfen, während die beiden Dunkelelben, tief in die Mähne ihrer Reittiere geduckt, durch den Tunnel stürmten. Mit halsbrecherischen Manövern wichen sie jäh aus der Dunkelheit auftauchenden Stalagmiten aus und trieben ihre Nur’imar zu noch größerer Geschwindigkeit an. Immer wieder schlugen die klauenartigen Hufe der nachtschwarzen Höhlenbewohner funkensprühend gegen den Felsboden. Dako genoss den Gegenwind in seinem Gesicht, in seinem Haar. Sein ganzer Körper schien zu beben und er suhlte sich im Gefühl, im Rausch der Geschwindigkeit.
Er riskierte einen Blick nach rechts, nachdem sein pferdeartiges Reittier mit einem großen Satz über einen Spalt gesprungen war. Im spärlichen Licht der fluoreszierenden Flechten an Decke und Wänden wirkte es, als würde Ylia mit ihrem Nur’imar verschmelzen, eine Einheit bilden. Schweiß glänzte auf ihrer dunklen Haut und ihre zahlreichen geflochtenen Zöpfe wehten wie der Schweif und die Mähne ihres Reittiers. Sie erwiderte seinen Blick kurz und bleckte die Zähne. Er lag fast einen Schritt vor ihr. Er würde es schaffen! Vor ihm tauchten bereits die tanzenden Lichtpunkte der Lagerfeuer auf und seine Anspannung ballte sich in der Magengegend zusammen, jagte Adrenalin durch seinen Körper, beflügelte ihn noch weiter. Er würde gewinnen! Elegant lenkte er sein Nur’imar an einem größeren Felsbrocken vorbei und bemerkte aus den Augenwinkeln, dass Ylia noch einmal einige Handbreit zurück gefallen war. Jubelnd richtete er sich auf und breitete die Arme aus, während ihm die Helligkeit des Lagers entgegen sprang. Er wollte den Sieg fühlen, ihn mit jeder Faser seines Seins auskosten,
wollte –
vor ihm schnellte ein Felsvorsprung aus dem Zwielicht und er warf sich mit seinem gesamten Gewicht zur Seiten. Das Nur’imar brüllte vor Schmerz, als es versuchte, der Bewegung seines Reiters zu folgen und Dakos Armschiene schrammte kreischend an der Wand entlang.
Dann waren sie vorbei. Doch in diesem Augenblick schoss Ylia an ihm vorüber und schoss einen Atemzug vor Dako durch den Ausgang des Tunnels in die hell erleuchtete Kaverne. Mitten in die lagernden Orks, die wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner auseinander stoben.
Beide ließen zügelten ihre Nur’imare und ließen sie Seite an Seite weiter traben, an den Orksklaven vorbei, die sich bei ihrem Anblick in den Staub warfen. Missmutig verzog Dako die Mundwinkel. Verdammt! So knapp davor. Alles, was von seinem Hochgefühl geblieben war, war ein unangenehmer Kloß im Hals und ein leicht pochender Schmerz im Arm, dort, wo er auf den Felsen geprallt war. Verdammt! Ylia dagegen grinste ihn breit an und warf ihre weißen Zöpfe über die Schulter. „Wann siehst du es endlich ein, Dako? Du bist ein Mann, du kannst nicht gegen mich gewinnen!“
Jetzt lachend sprang Ylia ab, als sie den Vorsprung erreichten, auf dem ihre Waffengeschwister um ein Feuer lagerten, und gab ihrem Reittier einen Klaps. Es trottete müde zu seinen Artgenossen, die große Stücke aus einem undefinierbaren Klumpen Fleisch rissen. Fluchend stieg auch Dako ab und warf einen kurzen Blick zurück zu den Orksklaven, die in angemessenem Abstand zu ihren Herren warteten. Seine Hände öffneten und schlossen sich ruckartig. Er hatte das dringende Bedürfnis zu töten, wollte den Geruch von Blut, wollte das Gefühl von brechenden Knochen spüren. Sie brauchten die Sklaven. Aber bald war es so weit. Schließlich folgte er seiner Waffenschwester auf die Erhöhung.
„Sie sind nicht mehr weit“, erklärte ihnen Ylia gerade. Sie hatte sich im Schneidersitz zwischen den anderen niedergelassen, die nun auch für Dako zur Seite rückten.
Ylia war die einzige Frau in ihrem Bund und ihre Anwesenheit allein war schon mehr als ungewöhnlich. Normalerweise ließen sich diese höheren Geschöpfe nicht dazu herab, mit Männern zu ziehen, sondern bildeten ihre eigenen Bünde. Zornig spuckte Dako zu Boden. Aber noch ungewöhnlicher war, dass sie Tarkûl ebenfalls als ihren unausgesprochenen Anführer akzeptierte. Allerdings besaß er auch ein beeindruckendes taktisches Verständnis, wie Dako zähneknirschend zugeben musste. Es lief alles nicht so, wie er es sich früher ausgemalt hatte.
„Wir konnten den Boden unter dem Tritt ihrer Stiefel schon beben hören.“ Ylia fuhr fort, ohne von Dakos Anspannung Notiz zu nehmen. Ihr Haar umspielte ihr weiches Gesicht und fiel hinab bis zu dem weiten Ausschnitt in ihrem Gewand.
Zu allem Überfluss sah sie auch noch verdammt gut aus. Dako seufzte.
„Sie sind nur noch wenige Meilen entfernt … und sie scheinen tatsächlich hier vorbei zu kommen, so wie du gesagt hast, Tarkûl.“
Der Angesprochene hob kaum den Blick. Er war etwas größer als die anderen und eine blutrote Narbe zog sich über seine ganze linke Gesichtshälfte.
„Natürlich tun sie das. Sie folgen diesen Statuen. Die sind so etwas wie Wegzeichen.“ Abwesend kratze er mit einem Dolch Linien in den Felsboden.
„Pah, das sieht diesen Gnomen ähnlich! Genauso dumm wie sie aussehen.“ Xantas lachte schallend. Seine ungewöhnlich breiten Schultern bebten. „Sie zeichnen uns ihre Wege freundlicherweise direkt vor. Wie auf einem Silbertablett!“
Dako mochte Xantas nicht besonders. Er war laut und selbstbewusst. Zu laut und selbstbewusst für seinen Geschmack.
Aber noch mehr misstraute er Yggtâr, dem fünften in ihrem Waffenbund. Er sagte, wie immer, nichts, sondern schärfte nur konzentriert sein Schwert. Überhaupt schien er immer konzentriert, immer aufmerksam … immer bereit, den anderen sein verfluchtes Schwert in den Rücken zu rammen, sollte sich die Gelegenheit bieten.
„Sie sind nicht dumm.“ Tarkûl hatte sich Zeit gelassen mit einer Antwort, doch jetzt blickte er Xartas fest ins Gesicht. „Sie sind verschlagen - verschlagen und lästig!“ Er rieb über seine Narbe, als würde sie in diesem Augenblick beginnen, höllisch zu jucken. Dako wünschte ihm das auch von Herzen, als er Ylias bewundernden Gesichtsausdruck sah. Wie sie an seinen Lippen hing. Er schüttelte sich.
„Wenn man markierte Wege hat, dann lassen sich diese Wege leichter in Stand halten – und man kann sie leichter säubern. Dieses bärtige Ungeziefer ist verdammt lästig“
Xantas runzelte mürrisch die Stirn, was Dako ein Lächeln entlockte.
Schließlich erhob sich Tarkûl und wie auf Befehl taten es die anderen ihm gleich und begannen sich zu rüsten.
***
Wenn es etwas gab, das Dako wirklich hasste, dann war das Warten. Untätig herumsitzen und warten. Sein Nur’imar spürte Dakos Unruhe und begann nervös zu tänzeln. Wenn ihm das schon so schwer fiel, wie musste es dann Xantas gehen? Aus den Augenwinkeln beobachtete er seinen Waffenbruder und bemerkte mit Genugtuung dessen verkniffenes Gesicht. Dann wandte er seinen Blick wieder nach vorne und widerstand mit Mühe der Versuchung, um die Biegung zu spähen. Sie befanden sich in einer kleinen Abzweigung von der Zwergenstraße, kaum mehr als ein Spalt im Fels und der Enge entsprechend wurden die Nur’imar immer unruhiger. Wie er Warten hasste! Er bemerkte, dass seine Hände leicht zitterten und horchte in sich hinein. Nervosität? Sicherlich nicht, wie lächerlich. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass sie eine Zwergenkarawane überfielen. Wenn auch das erste Mal ohne weitere Waffenbünde und deren Sklaven.
Nicht mehr lange. Man konnte die harschen Stimmen der Zwerge schon durch die Tunnel hallen hören. Das Rumpeln von hölzernen Rädern, das Stampfen von eisenbeschlagenen Stiefeln … konnte es sein, dass diese Gnome sangen? Was auch immer diese primitiven Laute darstellen sollten, schön waren sie jedenfalls nicht. Neben ihm hielt sich Ylia demonstrativ die Ohren zu und Dako lächelte. Die Zwerge waren schon fast heran. Jeden Augenblick mussten sie an dem Tunnel vorbei kommen, in dem sich die Orksklaven verbargen. Und wenn diese mit ihrer schieren Übermacht die Bartträger fast erdrückt hatten, würden die Waffengeschwister sie niederreiten und einen glorreichen Sieg erringen. Er spürte, wie die Anspannung wiederkehrte, sich von seinem Hals bis hinab in seinen Bauch zog. Vorfreudig malte er sich das Gefühl aus, das er haben würde, wenn er den ersten Kopf abschlagen würde, um ihn dann an dem Bart herumzuwirbeln, und erbebte. Wasser lief ihm im Mund zusammen. Rasch überprüfte er noch einmal den Sitz seines Brustpanzers und zerrte nacheinander an den Arm- und Beinschienen –
da brach auf der Straße die Hölle los. Das vielstimmige Kampfgebrüll der Orks schien die Wände zum Schwanken zu bringen und peitschte das Blut der Dunkelelben nun vollends auf. Doch Tarkûl hob die Hand. Dako knurrte ungehalten. Es stieg ihm bereits Blutgeruch in die Nase und er wollte töten, nein, nicht nur töten, er wollte zerfleischen. Das Gebrüll vermischte sich mit dem Geklirr von Stahl auf Stahl und Schmerzensschreien. Dann hieb Tarkûl seine Faust ruckartig nach vorn und die Waffengeschwister trieben ihre Nur’imar’ vorwärts. Sie brachen aus der Abzweigung und stürmten auf den Kampf zu, der nun vor ihnen tobte.
Die Zwerge hatten eine geordnete Reihe gebildet, um die drei Wagen zu schützen, die sie begleiteten, und stemmten sich mit ihren breiten Rundschildern gegen die Flut aus halbnackten Orkleibern. Die grobschlächtigen Äxte der Sklaven prallten von den stählernen Kettenpanzern des bärtigen Ungeziefers ab, während die Äxte der Zwerge auf ungeschütztes Fleisch trafen und tiefe Wunden schlugen. Die ersten Orks waren bereits gefallen, während die Zwerge noch keinen Schritt zurück gewichen waren, sondern stattdessen sogar langsam vorrückten. Es waren deutlich mehr Krieger als erwartet, doch Dako kam nicht dazu, Konsequenzen aus diesem Gedanken zu ziehen, denn nun waren sie über den Zwergen. Xantas neben Dako lachte wie im Rausch, als sie in die ungeschützte Flanke der Verteidigungslinie prallten und Dakos Sinne entfachten ein Feuerwerk an Empfindungen in seinem Geist. Ein Wirbel aus Formen, Farben, Stahl und Blut umtoste ihn und er stellte fest, dass er ebenfalls lachte. Er lachte so heftig, dass es wehtat und seine Begeisterung drängte noch weiter, wollte noch stärker aus ihm heraus. Ohne es sich bewusst zu sein, hackte er auf die Zwerge ein. Rechts mit seiner langen Klinge, links einfach nur mit den scharfkantigen Zacken seiner Unterarmschiene und fühlte es. Suhlte sich geradezu in ihrem Tod! Dako wischte bärtige Köpfe mit Schwerthieben beiseite und das Gefühl lebendig zu sein, durchströmte seine Adern, pulsierte in seinen Venen. Sein Nur’imar tat es ihm nach, verbiss sich mit seinen Fangzähnen in der Schulter eines der kleinen Krieger und wirbelte ihn durch die Luft.
Dako brachte nicht nur den Tod, er war der Tod! Das Geschrei um ihn herum ging unter im Rauschen des eigenen Blutes in seinen Ohren, während Dako zustieß, parierte und wieder zustieß. Schau her, Ylia! Siehst du mich?
Ein stechender Schmerz in seiner Hüfte, aber er nahm ihn kaum war, zerteilte stattdessen ein weiteres runzeliges Gesicht, holte aus –
und plötzlich raste der Boden auf ihn zu, als sein Nur’imar unter ihm zusammen brach. Der Aufprall presste ihm die Luft aus den Lungen, aber ihm gelang es trotzdem, sich mit ungläubig aufgerissenen Augen auf den Rücken zu rollen. Einer der Zwerge stand über ihm, seine Augen glühten regelrecht vor Zorn und nicht nur die schartig geschlagene Axt, sondern sein gesamter Körper war mit Blut besudelt. Der Bartträger brüllte etwas in seiner unverständlichen Sprache und schwang seine Waffe. Sie stürzte auf Dako hernieder, füllte sein gesamtes Gesichtsfeld und er konnte sich nicht rühren, war starr vor – Angst? Er fühlte sein Herz schlagen, es pochte langsam und schmerzhaft gegen seinen Brustkorb. So sollte es nicht enden! Dako Do’antai erschlagen von einem Wühlschrat, einem Gnom. Es war tatsächlich Angst, die er fühlte, nackte, panische Angst, die ihm die Kehle zuschnürte. Die ihn auf einmal alle Schmerzen fühlen ließ, die vorher betäubt waren, die ihn keinen klaren Gedanken fassen ließ und –
die lädierte Axt zerschellte einfach auf seiner Armschiene, die er reflexartig gehoben hatte, um sein Gesicht zu schützen und der nutzlose Stiel wurde dem überraschten Zwerg aus der Hand gerissen, während Dakos Arm schmerzpochend zu Boden sackte. Für einen Atemzug sahen die beiden sich an. Es schien, als würde sich der Bartträger mit bloßen Händen auf Dako stürzen wollen, doch dann fiel sein Blick auf das Schwert, das dem Dunkelelben aus der Hand geglitten war. Mit einem großen Satz war er bei der Klinge, beugte sich herunter und machte den letzten Fehler seines Lebens, denn Dakos rechter Arm zuckte hoch und scharfkantige Zacken gruben sich in die ungeschützte Kehle. Fast lautlos kippte der Zwerg zur Seite.
Schwer atmend ließ sich Dako zurück auf den Rücken fallen. Der stechende Schmerz, knapp über seiner Hüfte, strahlte pulsierend in seinen ganzen Unterleib, ließ ihm Tränen in die Augen steigen. Nur langsam gelang es dem Dunkelelben, sich zu beruhigen.
Das Erste, was ihm auffiel, war der Geruch. Eine Mischung aus Blut, Angstschweiß, dem ranzigen Gestank der Orks und etwas Undefinierbaren ließ seinen Magen rebellieren. Dann bemerkte er die Stille. Absolute Stille, die in seinen Ohren dröhnte. Nichts, außer seinem eigenen pfeifenden Atem und dem gelegentlichen Rieseln von Sand war zu hören. Ruckartig setzte er sich auf und bereute die Bewegung sofort, als kurz schwarze Punkte vor seinen Augen tanzten. Doch schließlich stemmte er sich ächzend in die Höhe. Um ihn herum herrschte das reinste Chaos. Ein einziges Durcheinander aus Leibern. Das dunkle Grün der Orksklaven überwog, doch zwischen den gefallenen Kreaturen blitzte immer wieder der blanke Stahl der zwergischen Kettenpanzer auf. Nur die drei Wagen der Karawane waren heil geblieben. Zwei der pelzigen Zugtiere hatten sich los gerissen und waren in den Höhlen verschwunden, aber eines hing verendet in seinem Geschirr. Wer ihm die klaffende Wunde zugefügte hatte, war nicht mehr auszumachen.
Und immer noch kein Geräusch. Ein unangenehmes Gefühl ballte sich in Dakos Eingeweiden zusammen und verstärkte den Schmerz an seiner Hüfte noch. Vorsichtig tastete er danach und schrak zusammen, als er seine Finger in warme Feuchtigkeit tauchte. „Tarkûl? Ylia?“ Nur zögernd wandte er sich um und fuhr entsetzt zurück. Direkt hinter ihm lag sein Nur’imar und starrte ihn aus gebrochenen Augen an. Die Axt, die es letztendlich gefällt hatte, stak noch in seiner Flanke. Mit einem Mal fiel Dako das Atmen schwer und er konnte kaum noch schlucken. Wo waren die anderen? Hatten sie ihn etwa zurückgelassen? Für tot gehalten? Seine Übelkeit wurde stärker, als er mit einem zögerlichen Schritt über die Leiche seines Reittieres hinweg stieg. Dann sah er sie endlich.
Tarkûl war fast soweit gekommen wie er. Er lag, halb begraben von seinem Nur’imar, auf dem Boden. Sein Gesicht war völlig zerschmettert, vermutlich hatte einer der Zwerge es mit seinen eisenbeschlagenen Stiefeln zermalmt. Nur noch die Narbe war zu erkennen.
Ein kleines Stück früher waren Xantas und Yggtâr gefallen, Rücken an Rücken und ihre Klingen noch umklammernd. Dako begann am ganzen Körper zu zittern. Der Dunkelelb war den Tod gewöhnt. Er war in den Straßen Tuloraghs allgegenwärtig. Der Tod von Sklaven, von Gefangenen. Nicht von Dùredhel. Dùredhel starben nicht. Sie waren zu überlegen. Wenn überhaupt, wurden sie besiegt, aber nie getötet. Nicht in einem direkten Kampf und niemals mehrere auf einmal. Panisch sah er sich um, während seine Schläfen schmerzten, als würden sie in einem Schraubstock zerquetscht werden. Er wollte fort, nur noch fort von diesem Ort, wollte –
Sein Fuß stieß gegen etwas weiches, rundes, das beiseite rollte, einen weißen Teppich aus geflochtenen Zöpfen hinter sich herziehend. Ylias geweitete Augen und der aufgerissene Mund, aus dem die Zunge wie ein Fremdkörper herausquoll, brannte sich in sein Gedächtnis. Er ging in die Knie und übergab sich.
***
Er wusste nicht, wie lange er nun schon hier saß, inmitten all der Leichen. Es war schwer, im ewigen Zwielicht der Unterwelt ein Zeitgefühl zu behalten, man sagte, dass die Zwerge so etwas konnten. Aber sie gehörten auch hier unten hin, hatten es gar nicht verdient unter den Sternen zu wandeln, während die Dunkelelben einst zurückkehren würden, um ihren rechtmäßigen Platz einzunehmen. Dako schüttelte sich. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten Dùredhel stark sein, Schwäche wurde gnadenlos ausgemerzt. Und Dako hatte versagt. Ihr Waffenbund hatte versagt, doch die anderen hatten sich einfach feige aus dem Leben gestohlen. Nur er war übrig, inmitten eines Haufens von Orksklaven, die den Familien der Waffengeschwister ersetzt werden mussten. Er vergrub sein Gesicht in den Händen. Was blieb noch übrig? Er würde als Leibdiener irgendeines Adligen enden, sein ganzes restliches Leben als Unwürdiger verbringen, ohne die Chance, sich jemals auszuzeichnen, jemals zu Macht zu gelangen. Kaum besser als ein Sklave. Was sollte er nur tun? Das ganze erschien ihm nun wie ein Alptraum. Ein Alptraum, aus dem er einfach nicht erwachen konnte. Seine Augen wanderten unruhig umher, immer wieder leckte er sich über die Zähne. Es musste doch noch irgendeine Möglichkeit geben. Schließlich war er noch am Leben … und die Wagen waren auch noch da. Die Wagen! Aufgeregt sprang Dako auf, verharrte kurz, als sich die Wunde hämisch meldete und humpelte schließlich zu den hölzernen Transportgefährten. Vielleicht gab es doch noch einen Ausweg! Mit fliegenden Fingern begann er die Plane von einem der Wagen zu reißen. Wenn er mit reicher Beute zurückkehren würde, könnte er sich sicherlich in gutem Licht darstellen. Er hatte den Kampf entschieden, während seine Waffengeschwister versagt hatten … und was das Wichtigste war, er würde ihren Familien die Orksklaven bezahlen können.
Immerhin hatte er hier drei Wagenladungen.
Gold, Waffen, Geschmeide … was auch immer die Zwerge transportieren mochten, es war stets einiges wert. Dako erstarrte. Verwirrt betrachtete er die Fässer, die unter der Plane zum Vorschein gekommen waren. Fässer? Unter den Planen der beiden anderen Wagen das selbe Bild. Holzfässer, gestapelt und festgezurrt. Misstrauisch begutachtete Dako die Gefäße. Was sollte darin sein? Wasser? Warum sollten Zwerge Wasser durch die Tunnel karren? Und dann auch noch so schwer bewacht? Er zögerte noch einen Augenblick, dann schlug er mit seiner Armschiene ein Stück Holz aus einem der Fässer. Sofort begann eine Flüssigkeit zu Boden zu sprudeln. Eine abartig stinkende Flüssigkeit von bräunlicher Farbe. Fassungslos wich Dako zurück, während sich das Gebräu in einer Pfütze über dem Boden ausbreitete. Was zur Hölle sollte das sein? Ihn beschlich der Verdacht, dass das Zeug einfach verdorben war. Schließlich konnte selbst dieses Ungeziefer keine Verwendung für so einen … Müll haben. Mit wenigen Schritten war er beim nächsten Wagen und öffnete ein weiteres der Fässer. Wieder zuckte er angeekelt zurück. Das durfte doch einfach nicht wahr sein! Verständnislos blickte Dako zwischen den sich ausbreitenden Pfützen hin und her. Das war doch ein Scherz. Da hatte sich jemand einen dämlichen Scherz erlaubt, auf seine Kosten! Seine Angst begann von einem anderen, heißeren, fast glühendem Gefühl verdrängt zu werden, das immer mehr an Intensität gewann. Er eilte zum letzten Wagen, während seine Schläfen pochten und Nadelstiche tief in seinen Kopf hinein jagten.
Komm schon!
Wieder nur dieser Sud. Dakos Hände begannen zu zittern. Nicht mit ihm! So einfach würde er es ihnen nicht machen. Mit einem zornigen Tritt beförderte er das Fass vom Wagen, begann auf das nächste einzuhacken, zertrümmerte es förmlich. Er hatte das nicht alles überstanden, um jetzt vor nichts zu stehen. Da steckte doch irgendein Trick dahinter! Er begann zu brüllen, während er weiter auf Holz einschlug, genoss das Gefühl, etwas zu zerstören, musste das Feuer, das sich in seiner Brust zusammenballte, herauslassen. Und er schlug weiter, als ginge es um Leben und Tod. Schlug und brüllte. Und ging schließlich in die Knie. Nichts. Er hatte nichts gefunden, außer dem Gebräu, dessen Gestank bereits den Geruch des Todes überdeckte. Fast wünschte er ihn sich zurück. Nur dieses verdammte, wertlose, verdorbene Gesöff. Er wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht. Was sollte er denn jetzt tun? Die Angst kehrte zurück, legte sich wie beengende Ketten um seinen Brustkorb, die sich immer weiter zusammenzogen. Er hatte nichts. Hatte auf ganzer Linie versagt. Was für ein Leben würde das sein, das ihm nun bevorstand? Jahrhunderte erniedrigender Arbeiten. Jahrhunderte lang unwürdig, von einer Frau erwählt zu werden. Alles verloren. Die anderen hatten gut daran getan, sich töten zu lassen. Wäre er doch besser auch gestorben! Er hob seinen rechten Arm und betrachtete die blutigen Zacken an seiner Armschiene. Er konnte es beenden. Hier und jetzt. Was war schon weniger als einen Atemzug lang Schmerz im Vergleich zu Jahrhunderten voller Qualen? Dako verharrte in dieser Postion, kniend und den Arm erhoben. Er konnte es nicht tun. Er brachte die Überwindung nicht auf, sich selbst die Kehle zu zerfetzen. Zu oft hatte er schon die Schmerzen seiner Opfer in ihren Augen gesehen. Er wollte diese Schmerzen nicht erleiden.
„Dako, du versagst sogar in der Niederlage.“ Er schüttelte sich. Versager. Sein Blick strich über die teilweise noch sprudelnden Fässer. Wenn er sich schon nicht umbringen konnte, dieses Zeug würde es sicherlich tun. Mit wenigen, unsicheren Schritten war Dako bei einem der nur leicht beschädigten Fässern und fing etwas von der Flüssigkeit mit der hohlen Hand. Noch einmal zögerte er, dann stürzte er es herunter, während er sich mit der anderen Hand die Nase zu hielt. Zur Sicherheit eine weitere Hand. Und noch eine.
Zuerst geschah nichts. Doch schließlich bemerkte der Dunkelelb, wie seine Sinne abstumpften. Die Höhle um ihn herum verschwamm, wurde von einem milchigen Nebel bedeckt. Auch seine Schmerzen wichen zurück, verschwanden in süßer Betäubung. Alles begann sich zu drehen. Überrascht richtete Dako sich auf und wäre fast gestürzt. „Was …?" Sein Mund gab kaum mehr als ein sinnloses Gebrabbel wieder. Mit einem Mal fühlte er sich leicht, fast beschwingt, während gleichzeitig ein Kribbeln seine Beine hinablief, als wären sie betäubt. Nachdenklich runzelte Dako die Stirn, doch er bekam kaum mehr einen sinnvollen Gedanken zustande. Stattdessen begann er zu kichern. Die Wände drehten sich nun schneller, so als wollten sie Dako mit sich reißen und er spürte auf einmal das dringende Bedürfnis, mehr von dem Gesöff zu trinken. Seine Mundwinkel zogen sich immer weiter hoch, wurden zu einem breiten Grinsen. Und die Welt … wurde schön.
Die meisten Menschen haben überdurchschnittlich viele Arme und Beine ...
Wanderer zwischen den Welten und der
Weltenknoten
Wanderer zwischen den Welten und der
Weltenknoten