Mal wieder etwas, was mir selbst widerfahren ist und schnell seinen Weg aufs Papier fand. Mehr was für zwischendurch, ich hoffe es gefällt.
Wochenende! Sonntag. Endlich mal wieder ausschlafen. Herrlich.
So ziemlich jeder dürfte diesen Gedanken kennen. Ist ja auch toll. Nur gibt es dummerweise manchmal ein paar Stolpersteine, wenn man seine Glückseligkeit im Schlafe sucht. Einer davon heißt Call-Center.
Wer hat diese verflixten Dinger eigentlich erfunden und zu welchem Zweck? Was sollen sie bringen? Ruft man bei ihnen an, hat man nur jemanden am anderen Ende der Leitung, der genauso wenig Ahnung wie man selbst hat und von dem man weiterverbunden wird, mit jemanden, der natürlich auch keine Ahnung hat, dieses allerdings auf einen viel höheren Niveau. Das Ganze nennt sich dann Service und Nähe zum Kunden. Ist ja auch richtig, hat der Kunde es einmal geschafft jemanden an die Strippe zu bekommen, wächst einem das Unternehmen so richtig ans Herz, nach dem er es zur Mördergrube für klassische Musik und dem Unternehmen gemacht hat. Die erklingt nämlich wenn man in einem Call-Center anruft. Penetrant, unterbrochen von der Durchsage: „Wir bitten sie um einen kleinen Moment Geduld, sie werden gleich verbunden.“ Verbinden ist eine gute Idee, das muss man mit seiner Hand anschließend machen, da man sie vor Wut, Stunden seiner Lebenszeit verschwendet zu haben, gegen die Wand geschlagen hat. Dummerweise hat die Wand in so einem Fall die besseren Argumente, schließlich ist sie massiv und es stört sie nicht, wenn man seine Knochen an ihr zerbröselt. Ungerührt steht sie weiterhin da, während man sich selbst vor Schmerz krümmt und die Finger umklammert.
Aber über diese alltäglichen Probleme gibt es schon genug zu lesen.
Nein viel schlimmer, als die Callcenter, die man selber anruft sind die, von denen man angerufen wird. Ersten Kontakt solcher Art hatte ich kurz nach meinem Abitur. Eines Mittags klingelte das Telefon und eine relativ freundliche Stimme fing auch sofort an zu quasseln.
„Guten Tag, bin ich richtig verbunden? Spreche ich mit dem Richtigen? Wenn nein, könnte ich mit ihrem Sohn sprechen? Der hat doch gerade Abitur gemacht?“
Ich versicherte ich wäre der, den er sprechen wollte und fragte ihn was er wollte.
„Ich würde ihnen gerne helfen ihre Finanzen zu optimieren, so dass sie den größtmöglichen Nutzen davon haben.“
Ich ging schnell meine Bargeldbestände und das, was auf meinen Konto war, durch und kam zu dem Schluss, er müsse mich verwechseln. Soviel, dass ich interessant für eine Finanzberatung war, besaß ich mit Sicherheit nicht. Zudem hatte ich eine eigene Finanzberatung im Form meiner Schwester, die arbeitet nämlich bei einer Bank. Aufgrund dieser beiden Umstände kam meine Antwort schnell.
„Nein danke, brauche ich nicht. Meine Schwester arbeitet bei der Bank.“
„Ach. Ja … ja dann haben sie ja schon eine gute Beratung. Dann... dann brauchen sie mich ja nicht. Ähm, schönen Tag noch!“
„Ihnen auch!“
Ich legte auf und hörte nie wieder etwas von dieser Gesellschaft. Von dem Moment an, war ich der festen Überzeugung, man könne solche Gespräche kurz halten und die Anrufer könnten logische, vernünftige, rationale Argumente verstehen und nachvollziehen. Die eigene Ruhe wäre somit gesichert.
Welch fataler Fehler!
Denn im Gegensatz zu diesem ersten Gespräch war mein letztes Gespräch dieser Art oder besser meine letzten Gespräche um einiges schwieriger.
Wie ich schon anfangs feststellte, schläft man, oder zumindest ich, am Wochenende gerne aus. Da spricht auch im Allgemeinen nichts gegen, schließlich hat man in den seltensten Fällen an einem Sonntagmorgen feste Termine, die man einhalten muss. Dementsprechend räkelte ich mich um zehn Uhr morgens in meinem Bett, nachdem ich eine halbe Stunde vorher auf meine Uhr im Halbschlaf gestarrt und befunden hatte, man könnte noch ein Weilchen unter der Decke verweilen. Außerdem war ich im Bett gefangen. Rechts lag die Frau meines Herzens, die ich beim Aufstehen nicht wecken wollte und links hatte eine Messung mit der Fußspitze ergeben, dass außerhalb des Bettes verglichen mit der heimeligen Kuscheldecke bittere Kälte wartete. Schleunigst hatte der Fuß das Weite gesucht und sich wieder in angenehmere Gefilde gebracht. Was war mir also anderes übrig geblieben als im Bett zu bleiben und eine weitere Runde Matratzenhorchdienst zu spielen. Eben, nichts.
Ich war also gerade wieder in das Reich der Träume entschlummert, als ein schriller Ton mein Ohr erreichte.
Das Telefon!
Der erste Gedanke der mir kam, war ein Fluch über unsere Ungeschicktheit, es nicht leise zu stellen.
Der zweite, welcher absolute Idiot denn am Sonntagmorgen um zehn Uhr anruft.
Nichts kann so wichtig sein, um es einen so früh ins Ohr zu tröten. Mittlerweile hatte sich das Telefon drängend weitere dreimal zu Wort gemeldet. Murrend streckte ich dann doch meine Glieder hinaus in die Kälte und tappste mit halbgeschlossenen Augen durch die Wohnung zum Telefon, stolperte dabei über unsere Katze, die der Meinung war, ich müsste unbedingt mit ihr spielen und stieß mir den Zeh am Türrahmen. War ich zuvor schon sauer wegen der nächtlichen Störung, war meine Laune nun fast am absoluten Nullpunkt angelangt. Endlich erreichte ich das Telefon, das immer noch rumquäkte man möge abnehmen. Ich ergriff also den Hörer, mit dem festen Vorsatz einen Schwall hässlichster Flüche los zulassen, wenn es nicht etwas weltbewegendes zu hören gab. Doch das einzige, das ich zu hören bekam war das Knacken in der Leitung, wenn jemand auflegt. Meine Hand zerquetschte beinahe das Telefon, aber ich beruhigte mich rechtzeitig. Einen Fluch unterdrückend schlich ich wieder zu meinem Bett. Nach einem kurzen Kampf mit der Katze und drei Kratzwunden am Arm, schaffte ich es auch den Stubentiger von meinen Besitzansprüchen auf das Bett zu überzeugen. Endlich lag ich wieder mit meinem Kopf auf dem Kissen und konnte weiter schlafen.
Keine Stunde später klingelte das Telefon erneut. Diesmal sprang ich auf und eilte zu der Ursache meines Schlafentzuges. Ich wollte wissen wer da anrief, was er wollte und vor allem warum in Gottes Namen, er nicht noch warten konnte, bis man freiwillig ins Leben zurückgekehrt war.
Mürrisch nahm ich das Telefon ab.
„Ja?!“
Eine relativ gut gelaunte Stimme antwortete mir. Nach dem Tonfall zu schließen ein Berufsgutelaunemensch, der dauernd lächelte und dem es auch mit den übelsten Foltermethoden nicht auszutreiben war.
„Guten Morgen. Mein Name ist Blah und ich rufe von dem Umfrageinstitut Blubb in Frankfurt an! Ich würde sie gerne etwas fragen.“
Eine Umfrageinstitut? Warum zum Geier rufen die sonntags an? Haben die sonst nichts zu tun? Ja, ok, blöde Frage, aber sonntags? Ich war fassungslos, anstatt sofort aufzulegen, brachte ich mein Unverständnis auch gleich zu Gehör.
„Sie wissen schon, dass heute Sonntag ist?“
„Ja, klar. Deswegen rufe ich ja an.“
Den letzten Teil hatte ich nicht bewusst wahrgenommen, stattdessen stürzte sich meine schlechte Laune nur auf den ersten Teil seiner Aussage.
„Und sie wissen auch, dass es Menschen gibt, die sonntags gerne ausschlafen, weil sie sonst keine Möglichkeit dazu haben.“
„Sicher. Aber außer am Sonntag erreicht man die Leute nur sehr schlecht.“
Mit dem vollen Brustton der Überzeugung im Recht zu sein, antwortete mir dieser Berufsgrinser, irgendwie schien mein genervter Unterton an ihm abzuprallen.
„Aber doch nicht an einem Sonntagmorgen! Das können sie meinetwegen Sonntagnachmittag machen, aber nicht morgens. Da SCHLÄFT man normalerweise noch.“ Mein Unterton war schon längst jenseits von gut und böse und hatte die Kontrolle übernommen. Jedem normalen Menschen wäre klar gewesen, dass man schnellstens auflegen sollte, wenn man nicht durch die Telefonleitung erwürgt werden wollte. Meinem Anrufer Blah von der Firma Blubb allerdings nicht, der fuhr unbekümmert fort.
„Ja, schon, aber nachmittags sind die meisten unterwegs. Darf ich ihnen denn jetzt ein paar Fragen stellen?“
Unfassbar, das hatte er nicht wirklich gefragt, ich wünschte mir mit einem Mal es gäbe flächendeckend Bildtelefone, damit ich diesem Kretin zeigen konnte, was ich mit ihm in diesem Moment anzustellen gedachte. So als Kurzfassung: Es war fies, gemein, böse, schmerzhaft und vor allem langandauernd. Einen leichten Tod verdiente so jemand ignorantes nicht. Leider gab es diese Möglichkeit nicht und ich beschränkte mich auf zwei Sätze.
„Nein, dürfen sie nicht. Rufen sie hier nie wieder an!“
Ich legte auf, innerlich ein Vulkan vor dem Ausbruch, unausgeschlafen, müde und musste feststellen, dass die Katze wieder auf meiner Betthälfte lag. Ich gab auf, an diesem Tag war nicht mehr an Schlaf zu denken, also legte ich mich gar nicht mehr hin und hielt mich mühsam tagsüber wach. Der einzige Gedanke der mich etwas fröhlicher stimmte, war, wohl nie wieder von diesem Typen zu hören, schließlich hatte ich ja unmissverständlich klar gemacht, dass seine Anrufe unerwünscht waren. Ich hatte ihm sogar erklärt warum, was sollte also schief gehen?
In einem Wort, alles.
Am nächstem Tag kam ich nach Hause und meine Freundin empfing mich mit dem Worten:
„Der Typ von gestern hat angerufen. Ich sagte, wir hätten keine Zeit für sowas, aber er meinte er ruft noch mal an und hat, bevor ich sagen konnte, er soll das nicht tun, schon wieder aufgelegt.“
Ich stöhnte auf. Na, toll! War der Idiot doch von der hartnäckigen Sorte. Also harrten wir der Dinge, die da kommen mochten. Donnerstags rief er noch einmal an, wie man an der Nummer im Display erkennen konnte, aber da waren wir glücklicherweise nicht zu Hause. Aber sonst blieb es ruhig. Vielleicht hatten wir ja doch Glück.
Leider nicht.
Pünktlich um zehn Uhr klingelte am Sonntag darauf wieder das Telefon. Dieses Mal ging ich sofort hin und nahm auch ab. Mit dem festen Vorsatz, sofort einen Strom von Verwünschungen loszulassen, sobald dieser Kerl den Mund aufmachte.
Ich wurde zunächst etwas ausgebremst, sprich ich ließ meinen Gesprächspartner doch ausreden. Denn kein Mann war am anderen Ende, sondern der Stimme nach zu urteilen, eine junge Frau, die zudem unsicherer klang. Ich dürfte einer ihrer ersten Anrufer gewesen sein, schätze ich.
„Guten Morgen, ich heiße Sowieso und rufe von dem Umfrageinstitut Blubb an. Dürfte ich ihnen ein paar Fragen stellen.“
Genau wie der letzte Anrufer, hatte sie weder ihren Namen noch den ihrer Firma verständlich ausgesprochen, sondern nur in den Telefonhörer genuschelt. Ich schätze damit sollen Racheaktion von im Schlafgestörten unterbunden werden. Und es musste funktionieren, denn in den Nachrichten hatte ich noch nicht von einem Bombenattentat auf ein Callcenter des Umfrageinstitutes Blubb gehört.
Wie dem auch sei, für den neuen Anruf hatte ich mir auch schon eine Strategie zurechtgelegt. Ich begann mit meiner Gegenfrage.
„Sie wissen schon, das heute Sonntag ist?“
Sie zögerte kurz.
„Jaah.“
„Und sie wissen auch, dass es Leute gibt, die ausschlafen wollen?“
Die neue Anruferin war offensichtlich schlauer, als der letzte, den etwas in ihrer Stimme sagte mir, sie habe den lauernden Unterton in meiner Stimme wahrgenommen.
Ihr Antworten kamen etwas gedehnter als normal.
„Das weiß ich schon, aber ...“
Ich ließ sie gar nicht ausreden, sondern fragte weiter.
„Wie lautet noch mal ihr Name und der ihrer Firma?“
Von nun an sprach totale Verwirrung aus ihr, wahrscheinlich war für diesen Fall keine Vorgabe auf ihrem Gesprächsleitfaden zu finden. Ich konnte förmlich sehen, wie sie sich voll Unbehagen auf ihrem Stuhl hin und her wand. Auf jeden Fall bekam ich die Namen. Während ich mir sie notierte, wartete sie wie das Kaninchen vor der Schlange und gab keinen Laut von sich.
„Danke.“
Sie fand ihre Sprache wieder. Zögerlich verließen die Worte ihre Mund.
„Darf ich sie dann jetzt befragen?“
Fast hätte ich aus Mitleid ja gesagt, aber rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass es Sonntag war und es wohl niemals ein Ende finden würde, wenn ich jetzt Rede und Antwort stand.
„Nein, dürfen sie nicht und ich will, dass sie diese Nummer und Adresse von ihrer Liste streichen und nie wieder anrufen. Ansonsten werde ich ihre Namen an einen Anwalt weiterleiten und sie wegen Belästigung anzeigen.“
Stille. Selbst durch den Telefonhörer konnte ich ihre panisch aufgerissenen Augen sehen, ein Schlucken war zu hören.
„Gut, dann … dann mache ich das.“
„Danke. Einen schönen Sonntag noch.“ Damit wollte ich auflegen, doch rechtzeitig fiel mir noch mein Fehler auf. Ich hatte nur gesagt, sie sollte uns streichen. Ihre Kollegen hätten dann immer noch freie Bahn, schließlich war es praktisch schon einmal so geschehen, denn sie und nicht der Kerl von der Woche davor hatte dieses Mal angerufen. Deswegen fügte ich noch, bevor sie auflegen konnte, schnell an:
„Und geben sie das bitte auch an ihre Kollegen weiter. Ich will von ihrer Firma nichts mehr hören.“
„Ja gut, ich mache es.“
Ich bildete mir ein, einen Unterton der Zerknirschtheit in ihrer Stimme zu hören, kümmerte mich aber nicht mehr darum und legte auf.
Gut gelaunt und leicht beschwingt, ging ich wieder in Richtung Schlafzimmer, um weiterzuschlafen, sicher endlich Ruhe vor Umfragen und Callcentern zu haben.
Nur um eine Katze auf meiner Hälfte des Bettes vorzufinden, die sich bereit machte mit allen Mitteln ihren Platz zu verteidigen.
Man kann nicht alles haben.
Wochenende! Sonntag. Endlich mal wieder ausschlafen. Herrlich.
So ziemlich jeder dürfte diesen Gedanken kennen. Ist ja auch toll. Nur gibt es dummerweise manchmal ein paar Stolpersteine, wenn man seine Glückseligkeit im Schlafe sucht. Einer davon heißt Call-Center.
Wer hat diese verflixten Dinger eigentlich erfunden und zu welchem Zweck? Was sollen sie bringen? Ruft man bei ihnen an, hat man nur jemanden am anderen Ende der Leitung, der genauso wenig Ahnung wie man selbst hat und von dem man weiterverbunden wird, mit jemanden, der natürlich auch keine Ahnung hat, dieses allerdings auf einen viel höheren Niveau. Das Ganze nennt sich dann Service und Nähe zum Kunden. Ist ja auch richtig, hat der Kunde es einmal geschafft jemanden an die Strippe zu bekommen, wächst einem das Unternehmen so richtig ans Herz, nach dem er es zur Mördergrube für klassische Musik und dem Unternehmen gemacht hat. Die erklingt nämlich wenn man in einem Call-Center anruft. Penetrant, unterbrochen von der Durchsage: „Wir bitten sie um einen kleinen Moment Geduld, sie werden gleich verbunden.“ Verbinden ist eine gute Idee, das muss man mit seiner Hand anschließend machen, da man sie vor Wut, Stunden seiner Lebenszeit verschwendet zu haben, gegen die Wand geschlagen hat. Dummerweise hat die Wand in so einem Fall die besseren Argumente, schließlich ist sie massiv und es stört sie nicht, wenn man seine Knochen an ihr zerbröselt. Ungerührt steht sie weiterhin da, während man sich selbst vor Schmerz krümmt und die Finger umklammert.
Aber über diese alltäglichen Probleme gibt es schon genug zu lesen.
Nein viel schlimmer, als die Callcenter, die man selber anruft sind die, von denen man angerufen wird. Ersten Kontakt solcher Art hatte ich kurz nach meinem Abitur. Eines Mittags klingelte das Telefon und eine relativ freundliche Stimme fing auch sofort an zu quasseln.
„Guten Tag, bin ich richtig verbunden? Spreche ich mit dem Richtigen? Wenn nein, könnte ich mit ihrem Sohn sprechen? Der hat doch gerade Abitur gemacht?“
Ich versicherte ich wäre der, den er sprechen wollte und fragte ihn was er wollte.
„Ich würde ihnen gerne helfen ihre Finanzen zu optimieren, so dass sie den größtmöglichen Nutzen davon haben.“
Ich ging schnell meine Bargeldbestände und das, was auf meinen Konto war, durch und kam zu dem Schluss, er müsse mich verwechseln. Soviel, dass ich interessant für eine Finanzberatung war, besaß ich mit Sicherheit nicht. Zudem hatte ich eine eigene Finanzberatung im Form meiner Schwester, die arbeitet nämlich bei einer Bank. Aufgrund dieser beiden Umstände kam meine Antwort schnell.
„Nein danke, brauche ich nicht. Meine Schwester arbeitet bei der Bank.“
„Ach. Ja … ja dann haben sie ja schon eine gute Beratung. Dann... dann brauchen sie mich ja nicht. Ähm, schönen Tag noch!“
„Ihnen auch!“
Ich legte auf und hörte nie wieder etwas von dieser Gesellschaft. Von dem Moment an, war ich der festen Überzeugung, man könne solche Gespräche kurz halten und die Anrufer könnten logische, vernünftige, rationale Argumente verstehen und nachvollziehen. Die eigene Ruhe wäre somit gesichert.
Welch fataler Fehler!
Denn im Gegensatz zu diesem ersten Gespräch war mein letztes Gespräch dieser Art oder besser meine letzten Gespräche um einiges schwieriger.
Wie ich schon anfangs feststellte, schläft man, oder zumindest ich, am Wochenende gerne aus. Da spricht auch im Allgemeinen nichts gegen, schließlich hat man in den seltensten Fällen an einem Sonntagmorgen feste Termine, die man einhalten muss. Dementsprechend räkelte ich mich um zehn Uhr morgens in meinem Bett, nachdem ich eine halbe Stunde vorher auf meine Uhr im Halbschlaf gestarrt und befunden hatte, man könnte noch ein Weilchen unter der Decke verweilen. Außerdem war ich im Bett gefangen. Rechts lag die Frau meines Herzens, die ich beim Aufstehen nicht wecken wollte und links hatte eine Messung mit der Fußspitze ergeben, dass außerhalb des Bettes verglichen mit der heimeligen Kuscheldecke bittere Kälte wartete. Schleunigst hatte der Fuß das Weite gesucht und sich wieder in angenehmere Gefilde gebracht. Was war mir also anderes übrig geblieben als im Bett zu bleiben und eine weitere Runde Matratzenhorchdienst zu spielen. Eben, nichts.
Ich war also gerade wieder in das Reich der Träume entschlummert, als ein schriller Ton mein Ohr erreichte.
Das Telefon!
Der erste Gedanke der mir kam, war ein Fluch über unsere Ungeschicktheit, es nicht leise zu stellen.
Der zweite, welcher absolute Idiot denn am Sonntagmorgen um zehn Uhr anruft.
Nichts kann so wichtig sein, um es einen so früh ins Ohr zu tröten. Mittlerweile hatte sich das Telefon drängend weitere dreimal zu Wort gemeldet. Murrend streckte ich dann doch meine Glieder hinaus in die Kälte und tappste mit halbgeschlossenen Augen durch die Wohnung zum Telefon, stolperte dabei über unsere Katze, die der Meinung war, ich müsste unbedingt mit ihr spielen und stieß mir den Zeh am Türrahmen. War ich zuvor schon sauer wegen der nächtlichen Störung, war meine Laune nun fast am absoluten Nullpunkt angelangt. Endlich erreichte ich das Telefon, das immer noch rumquäkte man möge abnehmen. Ich ergriff also den Hörer, mit dem festen Vorsatz einen Schwall hässlichster Flüche los zulassen, wenn es nicht etwas weltbewegendes zu hören gab. Doch das einzige, das ich zu hören bekam war das Knacken in der Leitung, wenn jemand auflegt. Meine Hand zerquetschte beinahe das Telefon, aber ich beruhigte mich rechtzeitig. Einen Fluch unterdrückend schlich ich wieder zu meinem Bett. Nach einem kurzen Kampf mit der Katze und drei Kratzwunden am Arm, schaffte ich es auch den Stubentiger von meinen Besitzansprüchen auf das Bett zu überzeugen. Endlich lag ich wieder mit meinem Kopf auf dem Kissen und konnte weiter schlafen.
Keine Stunde später klingelte das Telefon erneut. Diesmal sprang ich auf und eilte zu der Ursache meines Schlafentzuges. Ich wollte wissen wer da anrief, was er wollte und vor allem warum in Gottes Namen, er nicht noch warten konnte, bis man freiwillig ins Leben zurückgekehrt war.
Mürrisch nahm ich das Telefon ab.
„Ja?!“
Eine relativ gut gelaunte Stimme antwortete mir. Nach dem Tonfall zu schließen ein Berufsgutelaunemensch, der dauernd lächelte und dem es auch mit den übelsten Foltermethoden nicht auszutreiben war.
„Guten Morgen. Mein Name ist Blah und ich rufe von dem Umfrageinstitut Blubb in Frankfurt an! Ich würde sie gerne etwas fragen.“
Eine Umfrageinstitut? Warum zum Geier rufen die sonntags an? Haben die sonst nichts zu tun? Ja, ok, blöde Frage, aber sonntags? Ich war fassungslos, anstatt sofort aufzulegen, brachte ich mein Unverständnis auch gleich zu Gehör.
„Sie wissen schon, dass heute Sonntag ist?“
„Ja, klar. Deswegen rufe ich ja an.“
Den letzten Teil hatte ich nicht bewusst wahrgenommen, stattdessen stürzte sich meine schlechte Laune nur auf den ersten Teil seiner Aussage.
„Und sie wissen auch, dass es Menschen gibt, die sonntags gerne ausschlafen, weil sie sonst keine Möglichkeit dazu haben.“
„Sicher. Aber außer am Sonntag erreicht man die Leute nur sehr schlecht.“
Mit dem vollen Brustton der Überzeugung im Recht zu sein, antwortete mir dieser Berufsgrinser, irgendwie schien mein genervter Unterton an ihm abzuprallen.
„Aber doch nicht an einem Sonntagmorgen! Das können sie meinetwegen Sonntagnachmittag machen, aber nicht morgens. Da SCHLÄFT man normalerweise noch.“ Mein Unterton war schon längst jenseits von gut und böse und hatte die Kontrolle übernommen. Jedem normalen Menschen wäre klar gewesen, dass man schnellstens auflegen sollte, wenn man nicht durch die Telefonleitung erwürgt werden wollte. Meinem Anrufer Blah von der Firma Blubb allerdings nicht, der fuhr unbekümmert fort.
„Ja, schon, aber nachmittags sind die meisten unterwegs. Darf ich ihnen denn jetzt ein paar Fragen stellen?“
Unfassbar, das hatte er nicht wirklich gefragt, ich wünschte mir mit einem Mal es gäbe flächendeckend Bildtelefone, damit ich diesem Kretin zeigen konnte, was ich mit ihm in diesem Moment anzustellen gedachte. So als Kurzfassung: Es war fies, gemein, böse, schmerzhaft und vor allem langandauernd. Einen leichten Tod verdiente so jemand ignorantes nicht. Leider gab es diese Möglichkeit nicht und ich beschränkte mich auf zwei Sätze.
„Nein, dürfen sie nicht. Rufen sie hier nie wieder an!“
Ich legte auf, innerlich ein Vulkan vor dem Ausbruch, unausgeschlafen, müde und musste feststellen, dass die Katze wieder auf meiner Betthälfte lag. Ich gab auf, an diesem Tag war nicht mehr an Schlaf zu denken, also legte ich mich gar nicht mehr hin und hielt mich mühsam tagsüber wach. Der einzige Gedanke der mich etwas fröhlicher stimmte, war, wohl nie wieder von diesem Typen zu hören, schließlich hatte ich ja unmissverständlich klar gemacht, dass seine Anrufe unerwünscht waren. Ich hatte ihm sogar erklärt warum, was sollte also schief gehen?
In einem Wort, alles.
Am nächstem Tag kam ich nach Hause und meine Freundin empfing mich mit dem Worten:
„Der Typ von gestern hat angerufen. Ich sagte, wir hätten keine Zeit für sowas, aber er meinte er ruft noch mal an und hat, bevor ich sagen konnte, er soll das nicht tun, schon wieder aufgelegt.“
Ich stöhnte auf. Na, toll! War der Idiot doch von der hartnäckigen Sorte. Also harrten wir der Dinge, die da kommen mochten. Donnerstags rief er noch einmal an, wie man an der Nummer im Display erkennen konnte, aber da waren wir glücklicherweise nicht zu Hause. Aber sonst blieb es ruhig. Vielleicht hatten wir ja doch Glück.
Leider nicht.
Pünktlich um zehn Uhr klingelte am Sonntag darauf wieder das Telefon. Dieses Mal ging ich sofort hin und nahm auch ab. Mit dem festen Vorsatz, sofort einen Strom von Verwünschungen loszulassen, sobald dieser Kerl den Mund aufmachte.
Ich wurde zunächst etwas ausgebremst, sprich ich ließ meinen Gesprächspartner doch ausreden. Denn kein Mann war am anderen Ende, sondern der Stimme nach zu urteilen, eine junge Frau, die zudem unsicherer klang. Ich dürfte einer ihrer ersten Anrufer gewesen sein, schätze ich.
„Guten Morgen, ich heiße Sowieso und rufe von dem Umfrageinstitut Blubb an. Dürfte ich ihnen ein paar Fragen stellen.“
Genau wie der letzte Anrufer, hatte sie weder ihren Namen noch den ihrer Firma verständlich ausgesprochen, sondern nur in den Telefonhörer genuschelt. Ich schätze damit sollen Racheaktion von im Schlafgestörten unterbunden werden. Und es musste funktionieren, denn in den Nachrichten hatte ich noch nicht von einem Bombenattentat auf ein Callcenter des Umfrageinstitutes Blubb gehört.
Wie dem auch sei, für den neuen Anruf hatte ich mir auch schon eine Strategie zurechtgelegt. Ich begann mit meiner Gegenfrage.
„Sie wissen schon, das heute Sonntag ist?“
Sie zögerte kurz.
„Jaah.“
„Und sie wissen auch, dass es Leute gibt, die ausschlafen wollen?“
Die neue Anruferin war offensichtlich schlauer, als der letzte, den etwas in ihrer Stimme sagte mir, sie habe den lauernden Unterton in meiner Stimme wahrgenommen.
Ihr Antworten kamen etwas gedehnter als normal.
„Das weiß ich schon, aber ...“
Ich ließ sie gar nicht ausreden, sondern fragte weiter.
„Wie lautet noch mal ihr Name und der ihrer Firma?“
Von nun an sprach totale Verwirrung aus ihr, wahrscheinlich war für diesen Fall keine Vorgabe auf ihrem Gesprächsleitfaden zu finden. Ich konnte förmlich sehen, wie sie sich voll Unbehagen auf ihrem Stuhl hin und her wand. Auf jeden Fall bekam ich die Namen. Während ich mir sie notierte, wartete sie wie das Kaninchen vor der Schlange und gab keinen Laut von sich.
„Danke.“
Sie fand ihre Sprache wieder. Zögerlich verließen die Worte ihre Mund.
„Darf ich sie dann jetzt befragen?“
Fast hätte ich aus Mitleid ja gesagt, aber rechtzeitig erinnerte ich mich daran, dass es Sonntag war und es wohl niemals ein Ende finden würde, wenn ich jetzt Rede und Antwort stand.
„Nein, dürfen sie nicht und ich will, dass sie diese Nummer und Adresse von ihrer Liste streichen und nie wieder anrufen. Ansonsten werde ich ihre Namen an einen Anwalt weiterleiten und sie wegen Belästigung anzeigen.“
Stille. Selbst durch den Telefonhörer konnte ich ihre panisch aufgerissenen Augen sehen, ein Schlucken war zu hören.
„Gut, dann … dann mache ich das.“
„Danke. Einen schönen Sonntag noch.“ Damit wollte ich auflegen, doch rechtzeitig fiel mir noch mein Fehler auf. Ich hatte nur gesagt, sie sollte uns streichen. Ihre Kollegen hätten dann immer noch freie Bahn, schließlich war es praktisch schon einmal so geschehen, denn sie und nicht der Kerl von der Woche davor hatte dieses Mal angerufen. Deswegen fügte ich noch, bevor sie auflegen konnte, schnell an:
„Und geben sie das bitte auch an ihre Kollegen weiter. Ich will von ihrer Firma nichts mehr hören.“
„Ja gut, ich mache es.“
Ich bildete mir ein, einen Unterton der Zerknirschtheit in ihrer Stimme zu hören, kümmerte mich aber nicht mehr darum und legte auf.
Gut gelaunt und leicht beschwingt, ging ich wieder in Richtung Schlafzimmer, um weiterzuschlafen, sicher endlich Ruhe vor Umfragen und Callcentern zu haben.
Nur um eine Katze auf meiner Hälfte des Bettes vorzufinden, die sich bereit machte mit allen Mitteln ihren Platz zu verteidigen.
Man kann nicht alles haben.
Auf das der Wind in eurem Rücken, nie euer eigener sei. (alter irischer Reisegruß
)
drakir
und seine Werke

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