
Aloha ihr Freunde der Fantasy, der Magie und der Drachen.
Ich hoff ich bin im richtigen Foren-Bereich gelandet.. ?
Ich würde euch gerne mein Baby vorstellen: Mein erster Roman "Flammenstreit" ist seit einem Monat erschienen. (ISBN: 978-3-85028-495-0)
Ich kann nur sagen, dass das Schreiben eine wunderschöne, bereichernde und aufregender Erfahrung war, und ich noch viele Ideen für Fortsetzungen habe, wenn "Flammenstreit" gut ankommt (wobei, eigentlich ist es mir auch egal wie sich das verkauft, weitergeschrieben wird aus der Lust am Schreiben *g*)
Das Buch ist eine Mischung aus Fantasy & Abenteuer und hat auch einige spirituelle Elemente. Elfen, Orks, Zwerge und Vampire dürfen nicht mitspielen und es gibt weder monumentale Schlachten noch strahlende Helden. Meine Charaktere sind menschlich und tiefgründig (bis auf Luresh, den Drachen, der ist drachig, weitsichtig, mystisch und... wundervoll). Ich habe mich bemüht dem Ganzen eine subtile Art der Spannung zu verpassen und meine Charaktere stimmig und nachvollziehbar zu gestalten, ob es mir gelungen ist, müsst ihr meine Leser fragen oder selbst lesen :-)
Auf meiner HP: http://www.flammenstreit.npage.de gibt es Infos zu allem und mehr, sowie mehr Leseproben. Mit einem Drittel meines Erlöses unterstütze ich das Austrian-Sri-Lankan-Elephant-Research & Conservation-Projekt des Wiener Zoos: http://www.aserc.org
Um euch einen kleinen Einblick zu geben, hier eine Kurzbeschreibung:
Eine fremde Welt, der unseren nicht ganz unähnlich: Es geschehen merkwürdige Dinge. Eigentlich wollen die Bewohner Karhunas einen mächtigen Gott beschwören. Doch stattdessen erhalten sie zwei junge, überraschte Frauen als Antwort auf ihre Gebete. Für Ginger und Tess, zwei durchaus ungewöhnliche Mädchen, beginnt ein neues und aufregendes Leben in der mystischen Welt der Hüter. Sie begleiten die freundlichen, menschenartigen Wesen in die Stadt Karassa und nutzen die Chance, um ihr altes, bitteres Leben endgültig hinter sich zu lassen. Alles scheint perfekt zu sein, die idyllische Stadt bietet ihnen ein Heim und die Möglichkeit, wahre Magie zu lernen. In der Familie der kindlichen Seherin Haisha werden sie liebevoll aufgenommen und fassen wieder Mut. Nur die regelmäßigen Angriffe eines wütenden Drachen trüben das Glück ...
Als schließlich mysteriöse Dinge in der Stadt geschehen und Ginger das Drachengelege unweit der Stadt entdeckt, werfen die Geschehnisse tiefe moralische Fragen auf. Hin und her gerissen zwischen Dankbarkeit und Wut müssen sie sich entscheiden, ob sie dem Land und ihren neuen Freunden in einem drohenden Krieg beistehen werden, denn nur ihre ungewöhnliche Verbindung zu einander kann das unnötige Blutvergießen verhindern.
Sollten sie sich entschließen zu helfen, wird es eine gefährliche Gratwanderung für Ginger, die sich immer mehr den magischen Künsten hingibt und nicht merkt, wie nahe sie schon am Abgrund steht …
Im Anschluss zwei Leseproben, ich kann mich immer nicht entscheiden welche ich nehmen soll.. *g* Ich hoffe sie sind nicht zu lang...
Neue Freunde
Sie waren einige Stunden gewandert und hatten sich angeregt unterhalten, als sich vor ihnen eine riesige Kraterlandschaft ausbreitete. Die Rauch- und Dunstwolken hatten sie schon seit einer Weile gesehen, ihnen aber keine besondere Bedeutung beigemessen. Je näher sie kamen, desto klarer sahen sie, dass sie sich einer riesigen Schlucht näherten. Als sie am Rande des Canyons angelangt waren, stockte Ginger der Atem. Die steile Felswand fiel senkrecht vor ihnen ab und der Boden lag einige hundert Meter unter ihren Füßen. Die Ausmaße waren geradezu schwindelerregend und die Beiden wagten sich nicht näher als drei Schritte an die Kante heran.
Weit unter ihren Füßen erstreckte sich die verdorrte, rote Erde zu beiden Seiten, soweit das Auge reichte. Verbrannte und verkrüppelte Bäume und Sträucher waren das einzige Zeichen von ehemaligem Leben inmitten dieser düsteren Einöde, die trotz allem eine bizarre Faszination auf Ginger ausübte. Dankbar nahmen sie den ledernen Wasserschlauch entgegen, den Kiron ihnen reichte. Sie tranken das offenbar mit Früchten gesüßte, kalte Wasser und betrachteten überwältigt die Landschaft vor ihnen.
Vereinzelte Gischtfontänen stoben aus kleinen Kratern und die Erde war aufgeworfen und von den Naturgewalten zerfurcht. Direkt neben ihnen, nur durch die tiefe Schlucht getrennt, erhoben sich die Überreste eines riesigen Berges, dessen Spitze wohl eine gewaltige Eruption zerrissen hatte. Knapp über ihren Köpfen hörte die Steilwand abrupt auf und ein kreisförmiger Krater hatte sich tief in das Innere des Berges gefressen. Ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch. Die massiven Felswände erstrahlten wie magisch im zerfließenden, roten Licht des geschmolzenen Gesteins.
„Und da sollen wir rüber?“, platzte es aus Ginger heraus. Sie stand neben Kiron und starrte diese Mondlandschaft aus weit aufgerissenen Augen an. Die Hitze, die der offene Krater vor ihnen verströmte, war enorm. Tess musste ein paar Mal die aufsteigenden Tränen wegblinzeln, um überhaupt klar sehen zu können. Kiron lächelte nur verschwörerisch und drehte sich zu Majra und Haisha auf Roku um. Mit einer fließenden Bewegung hob er Haisha von Rokus Rücken und stellte sie neben sich ab. Alle traten einen Schritt zurück, so taten es die Mädchen ihnen gleich. Haisha hob die Arme zum Himmel.
Der Anblick verschlug ihnen die Sprache: Der zarte Mädchenkörper vor dieser grotesken Landschaft, in unschuldiges Weiß gehüllt und die Haare vom plötzlich aufkommenden Wind zerzaust, als hätte sie alle Macht, die Naturgewalten zu beherrschen. Nach ein paar Sekunden, in denen Ginger und Tess nur staunend und wie angewurzelt dastanden und alles Mögliche erwarteten, senkte sie die Arme wieder. Dann fingerte sie eine schmale, silbrig glänzende Kette aus ihrem Kleid hervor. Daran hing etwas, das aussah wie eine filigrane, lang gezogene Muschel, perlmuttfarben und beinahe transparent.
Haisha hob das zerbrechlich wirkende Gebilde an ihre schmalen Lippen und blies kräftig hinein. Ein überraschend melodischer, hoher Ton erklang. Er war nicht sehr laut, aber er ging den Mädchen durch Mark und Bein und schien jede Faser ihres Körpers zu durchdringen und etwas völlig Fremdes in ihnen anzurühren. Zurück blieb ein vages Kribbeln, das noch anhielt, lange nachdem der Ton mit dem Wind davongetragen worden war.
In der erwartungsvollen Stille danach schien zunächst gar nichts zu passieren. Gespannt warteten die Mädchen und blickten sich nach allen Seiten um. Erst als sie beobachteten, wie sich die Blicke ihrer Begleiter auf einen Punkt über ihren Köpfen richteten, wurden sie sich der nahenden Gestalten bewusst. Zuerst war es nur ein vages Gefühl, so als hätte die Luft eine andere Qualität bekommen. Sie wirkte plötzlich zäher und von einem kaum definierbaren, bedächtigen Gefühl erfüllt. Ehrfürchtig und erwartungsvoll starrten beide in die Luft. Dann glaubten sie, die Gestalten zu erkennen. Doch jedes Mal, wenn sie versuchten, diese wirklich zu fokussieren, schienen die Wesen sofort wieder mit den Dunstschleiern über dem brodelnden Krater zu verschwimmen. Erst, als sie begannen, sie nur aus den Augenwinkeln zu betrachten, konnten sie die Umrisse klarer erkennen.
Die durchscheinenden Wesen waren etwas kleiner und zierlicher als Menschen und erstrahlten in einem sanften, hellgrünen Licht, das tief aus ihrem Innersten zu kommen schien. Sie bewegten sich mit kaum sichtbaren Flügeln durch die Luft, die mehr aus dünnen, schimmernden Fäden als aus klaren Strukturen zu bestehen schienen. Und es waren Hunderte, die aus der glühenden Öffnung des Kraters aufstiegen. Schließlich war das ganze Sichtfeld der Gruppe von ihnen ausgefüllt. Sie schwebten herab und ordneten sich vor ihnen in einer Reihe an, die bis an das andere Ende der Kraterlandschaft führte und beinahe aus ihrem Blickfeld verschwand. Ehrfürchtig und verunsichert versuchten Ginger und Tess, einen klaren Blick auf die fremdartigen Wesen zu erhaschen. Nur hin und wieder schienen auf einem der beinahe unsichtbaren Gesichter Züge zu erscheinen. Diese Augenblicke wirkten kostbar und bewegend, denn die Gesichter wirkten so gelöst, friedlich und in vollkommener Ruhe, dass die Beiden von einer undefinierbaren Sehnsucht ergriffen wurden. Obwohl die Wesen kleiner waren als die Mädchen, fühlten sie sich plötzlich unbedeutend und winzig in Anbetracht dieser ätherischen, engelsgleichen Gestalten. Sie fassten sich sprachlos bei den Händen und trauten ihren Augen nicht. Majra und Kiron wirkten belustigt über die staunenden Mädchen und Majra bedeutete ihnen mit einem ermutigenden Lächeln, dass dies nichts Besonderes sei.
Nachdem sich die Reihe der durchscheinenden Gestalten bis an die gegenüberliegende Seite fortgesetzt hatte, schienen sie plötzlich ineinander zu fließen, wie der Rauch erlöschender Kerzen. Die Formen verschwammen und aus den wirbelnden Schwaden bildeten sich die Umrisse einer Brücke. Ginger und Tess hatten Schwierigkeiten, sie klar zu erkennen. Aus den Augenwinkeln wirkte sie wie ein massives Gebilde aus hellgrünem Glas. Doch wenn die Beiden direkt darauf blickten, sahen sie nur die trostlose Landschaft in der Tiefe. Erschrocken blickten die beiden sich an. Darauf sollten sie ihre Füße setzen? Das musste ein Scherz sein ...
Zu ihrer Überraschung zögerte Roku keine Sekunde, als Majra ihn auf die schemenhafte Brücke lenkte und dabei mit spielerischer Leichtigkeit Haisha vor sich auf den breiten Rücken des Pferdes hob, das Tess mit einem Blick an die richtigen Stellen als Hengst erkannt hatte. Auch die anderen folgten ihnen ohne innezuhalten.
Tess sog scharf die Luft ein, tastete blind nach Gingers Hand und erstarrte. Als auch der letzte ihrer Begleiter den festen Boden verlassen hatte und zielstrebig durch die Luft marschierte, näherte Ginger sich zögerlich dem Abgrund. Die Gruppe machte keinerlei Anstalten, auf sie zu warten. Tess, die sich noch immer nicht bewegte, hielt sie weiterhin fest an der Hand und hatte die Augen fest zusammengepresst. Ginger holte tief Luft, schloss ebenfalls die Augen und setzte zögerlich den ersten Fuß auf das unwirkliche Gebilde.
Es schien sie zu tragen, also zog sie den anderen Fuß nach. Dann erst öffnete sie vorsichtig die Augen wieder. Beim Blick nach unten stockte ihr der Atem, denn sie sah nichts als den bodenlosen Abgrund unter sich, der ihr plötzlich doppelt so tief vorkam. Rasch hob sie den Blick und schielte vorsichtig mit klopfendem Herzen von oben herab auf die Brücke. Jetzt nahm sie diese wieder umrisshaft wahr. Sie atmete ein paar Mal tief ein und blickte suchend nach vorne, um nach Kiron und den anderen zu sehen. Diese waren schon ein gutes Stück weit gewandert und blickten sich nicht einmal um.
„Na gut, wenn dieses Ding das Monstrum von Pferd aushält, wird es schon nicht unter uns zerbrechen“, raunte sie zu sich selbst. Sie brauchte gar nichts zu Tess zu sagen. Als diese spürte, dass Ginger bereits auf der Brücke stand, öffnete sie die Augen. Sie vermied es, das Lichtgebilde direkt anzusehen und schob sich zögerlich an Ginger heran.
Nach einer prüfenden Sekunde, in der sie beide sich versicherten, dass sie nicht in die Tiefe stürzten, wagten sie die ersten Schritte. Hand in Hand überquerten sie die Brücke aus Licht und ließen damit ihr altes Leben und ihre alte Realität weit hinter sich …
Leben im Fels
Keuchend versuchte Karim, zu Atem zu kommen. Der Aufprall hatte ihm fast die Sinne geraubt und vor seinen Augen tanzten blitzende Lichter. Ginger lag mit dem Gesicht nach oben unter ihm und bewegte sich nicht. Seine Hände ruhten in etwas Warmem, Glitschigem. Panisch rappelte er sich auf und starrte fassungslos im fahlen Licht auf seine Arme: Sie waren von ihrem Blut getränkt. Eine rote, schmierige Pfütze breitete sich langsam unter ihr aus. Fassungslos zog er sich vor ihr zurück und betrachtete sie entgeistert.
„Das, das darf doch nicht wahr sein ... Das wollte ich nicht! Oh bei allen Hütern!“ Er schlug die Hände vor die Augen und sank in sich zusammen. Dann drang jedoch ein vertrautes Geräusch an seine Ohren: Sie atmete. Sofort war er bei ihr und tastete nach ihrem Puls. Er fühlte sich kräftig und schnell an. Verunsichert versuchte er, im Dämmer-icht etwas zu erkennen. Da bewegte sie sich und schlug die Augen auf.
„Autsch. Musste das sein? Oh ... Was … Wo sind wir? Was ist denn passiert?“
„Nicht bewegen! Hörst du, du bist verletzt, du blutest. Bleib ruhig. Hast du Schmerzen?“
„Eigentlich, nein, nicht wirklich, wo blute ich denn?“
Sie blickte suchend an sich hinunter. Als sie die immer größer werden Lache unter ihrem Rücken entdeckte, stieß sie einen spitzen Schrei aus und sprang auf. Karim griff beherzt zu, um sie aufzufangen, falls sie stürzen sollte. Doch sie stand sicher und blickte ihn aus großen Augen an. Er drehte sie vorsichtig mit dem Rücken zu der einzigen Lichtquelle, dem Loch etwa zwei Meter über ihnen. Ihre Kleidung war blutbesudelt, aber unversehrt. Er suchte verwirrt nach einer Wunde, wurde aber von Ginger unterbrochen, die wortlos an seinem Arm zupfte und mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden starrte. Langsam drehte er sich um und folgte ihrer ausgestreckten Hand mit dem Blick. In der widerlichen Pfütze bewegte sich etwas. Vorsichtig knieten die beiden auf dem Boden nieder. Was sie bei genauerem Hinsehen entdeckten, raubte ihnen den Atem. Die Flüssigkeit stammte aus keiner Wunde. Dort, wo sie gelandet waren, lagen zerdrückte Schalen im blutgetränkten Dreck. Eierschalen. Und inmitten der Verwüstung wand sich ein kleiner Körper, kaum größer als eine Katze …
Sie erkannten vier Beine, einen schrumpeligen Körper, einen langen Schwanz und verrunzelte Flügel. Die Augen auf dem winzigen Drachenkopf waren noch von einer durchsichtigen Schicht überwachsen, die Schuppen nur andeutungsweise vorhanden. Auf den unproportional großen Füßen waren die ersten, weichen Ansätze für die Krallen zu sehen. Der Eizahn auf der Schnauze sah weich und unvollkommen aus. Ebenso die Flügel. Ginger stiegen die Tränen in die Augen. Dieses Drachenkind war noch nicht einmal vollständig entwickelt, da hatten sie es getötet. Seine Bewegungen wurden langsamer, es konnte ja noch nicht einmal richtig atmen. Vorsichtig streckte sie den Arm aus und strich mit bebenden Händen über das feuchte Köpfchen. Einer unbewussten Reaktion folgend versuchte dieses winzige Leben, den Kopf der Berührung entgegenzustrecken. Dann lief ein Zittern durch den zerbrochenen Körper und es lag still. Sie hörte Karim neben sich schwer schlucken und konnte den Blick nicht von der kleinen Kreatur wenden. Obwohl es blutverschmiert und unvollkommen war, fand sie es märchenhaft schön.
Nach einigen endlos erscheinenden Minuten ergriff Karim wortlos ihre Hand und zog sie mit sich in die Höhe. Beide blickten sich suchend um. Im kargen Lichtkegel erkannten sie das restliche Gelege. Ungläubig zählte Ginger die rauen, kalkweißen Eier, die in der endlosen Zeit, die sie hier wohl schon lagen, mit allerlei Flechten und braunen Algen überwuchert waren. Sie waren kaum vom bewachsenen Fels zu unterscheiden. Sie entdeckte 19 Eier. Staunend brachten beide kein Wort heraus, ein ehrfürchtiges und respektvolles Gefühl den Eiern gegenüber breitete sich in ihnen aus. Die Magie, die sie ausströmten, war beinahe mit den Händen greifbar.
Die Höhle war nicht besonders groß. Etwa zehn Schritte breit und fünfzehn lang. Zögerlich machten sie sich auf die Suche nach einem Ausgang. Karim fand einen verwitterten Stock und entzündete eine Fackel mit seinem Feuerstein. Sie hatten versucht, Licht mit Magie erscheinen zu lassen, es war ihnen beiden nicht gelungen. Diese Höhle hatte ihre eigene Magie. Die hektisch flackernde Flamme tauchte die Felsen in gespenstisches Licht und hinterließ tanzende Schatten auf ihren Gesichtern.
„Jetzt wissen wir zumindest, warum Luresh gerade uns heimsucht. Seine ... Moment, ihre Jungen werden bald schlüpfen. Es war so winzig. Ich kann nicht glauben, dass wir es getötet haben“, hauchte Karim. „Ich wüsste gerne, wie sie die Eier hier überhaupt hineinlegen konnte.“
„Vielleicht hat sie die Eier dort vergraben, also von oben hineingelegt. Wie eine Schildkröte oder so.“
Ginger seufzte laut auf und blickte Karim beschämt an.
„Was ist überhaupt passiert? Ich erinnere mich nur daran, dass wir geübt haben.“
Er schilderte ihr ihren unheimlichen Zustand und ihren Sturz in die Höhle.
„Irgendetwas stimmt mit deiner Magie nicht. Du hast sie zu wenig in der Hand und scheinbar kann sie die Kontrolle über dich übernehmen. Das ist ungewöhnlich. Ich weiß nicht, was es bedeutet, vielleicht kommt es auch nur daher, dass du dich in deinem Alter erst damit beschäftigst, während wir bereits als Kinder damit auf-wachsen. Aber ich weiß, dass es gefährlich ist, du solltest wirklich vorsichtig sein!“, sagte er in eindringlichem Tonfall.
Sie nickte wortlos. Im unruhigen Schein der Fackel sah ihr Gesicht seltsam verzerrt aus. Nebeneinander tasteten sie sich vor-sichtig Schritt um Schritt vorwärts. Da die Höhle nicht sehr groß war, fanden sie bald einen Weg nach draußen. Gebückt schlichen sie hintereinander den schmalen Spalt im Fels entlang.
Das unverkennbare Rauschen eines Baches ließ sie zuversichtlich schneller gehen. Schließlich erreichten sie in der Schlucht, die Ginger bereits bei ihrem ersten Ausflug in den Wald entdeckt hatte, das Tageslicht. Erleichtert richteten sie sich auf und blinzelten dankbar ins grelle Sonnenlicht. Der Spalt war von dieser Seite kaum im zerklüfteten Felsen erkennbar. Karim seufzte hörbar auf. Dann verdüsterte sich seine Miene.
„Und nun? Was sollen wir tun? Ich habe keine Vorstellung davon, was sie mit den Eiern machen werden, wenn wir es in der Stadt erzählen. Ich weiß nicht mal, was ich mir für die Eier wünsche. Einerseits denke ich, es wäre das Beste, die Mutter mit ihren Jungen zu vereinen, da sie dann wohl die Stadt in Ruhe lässt. Aber wie sollen wir das anstellen? Andererseits können wir nicht zulassen, dass sie schlüpfen. Stell dir vor was passiert, wenn sich hier wieder junge Drachen ansiedeln? Setoira und Morheba werden das niemals zulassen, es muss geradezu zu einem Krieg führen.“
Ginger wusste keine Antwort. Mit gesenktem Blick stand sie neben ihm und grübelte verzweifelt. Dann machten sie sich auf den Weg nach Hause. In Gedanken versunken gingen sie den Bach entlang.
„Wir sollten abwarten. Es dauert mit Sicherheit noch einige Zeit, bis die Jungen wirklich schlüpfen. Und nach dem letzten Angriff ist der Oktran sicher noch aufmerksamer. Ich würde gerne erst mal herausfinden, wie Redorin und die anderen den Drachen insgesamt gegenüberstehen. Im Moment weiß ich einfach gar nicht, was wir tun sollten. Ich bin selber noch ganz durcheinander. Ich meine, von den Eiern geht eine gewaltige Gefahr aus, aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, sie einfach so zu erschlagen, bevor sie eine Chance auf das Leben haben. Es fühlt sich einfach von Grund auf falsch an, verstehst du was ich meine? Außerdem würde Luresh vermutlich vollkommen ausrasten, wenn wir das tun“, machte Ginger ihren Überlegungen Luft.
Dann wurden ihre Augen groß: „Ohje, was wenn sie gespürt hat, dass wir eines ihrer Jungen getötet haben?“
Karim zuckte nur hilflos mit den Achseln. Langsam näherten sie sich dem Ausgang der Schlucht.
Gerade hatten sie den Waldweg erreicht, als das Horn erklang. Wie vom Blitz getroffen fuhren beide herum und suchten erschrocken den Himmel ab.
„Verdammt! Ich wusste es, zurück in die Höhle, sofort!“, zischte Ginger.
Sie drehte sich um und rannte los. Karim folgte dicht hinter ihr. Plötzlich kam ihr der Weg doppelt so lang vor.
Sie wagten nicht, sich umzusehen und konzentrierten sich ganz darauf, auf dem felsigen Untergrund nicht zu stürzen. Loses Geröll rollte polternd zur Seite und Kieselsteine spritzten unter ihren Tritten in alle Richtungen davon. Endlich sahen sie die Felskante, hinter der sich der Eingang verbarg. Ginger beschleunigte ihren Lauf noch ein bisschen, beflügelt von der fast greifbaren Sicherheit, und hob einen Moment den Blick vom Boden. Eine Sekunde später verfluchte sie ihre Unaufmerksamkeit, als sie umknickte und einen stechenden Schmerz in ihrem Knöchel verspürte. Sie konnte sich gerade noch abfangen und wäre beinahe gestürzt. Mit schmerzverzerrtem Blick griff sie an ihren Fuß. Karim war sofort an ihrer Seite. Wortlos griff er unter ihre Achsel und zerrte sie in die Höhe. Er legte ihren Arm um seine Schulter und schleifte sie vorwärts. Ginger biss die Zähne zusammen und lief, so gut es ging, neben ihm her. Dann machte sie den Fehler und blickte sich um. Luresh war bereits über den Bäumen und raste auf sie zu. Eine Aura aus Zorn umgab sie, die Ginger bis in ihr Innerstes erschütterte. Dieser Drache wusste genau, was passiert war. Vor Schreck stolperte sie erneut und riss Karim beinahe zu Boden.
Nur mit Mühe fing er sie auf und schleppte sie weiter. Gingers Herz raste und sie spürte Karims hämmernden Puls an ihrer Seite. Er ignorierte das markerschütternde, wütende Fauchen und lief noch schneller. In der Sekunde, in der das tödliche, lodernde Geräusch hinter ihnen erklang, erreichten sie die Felskante. Karim schubste Ginger unsanft in den Eingang und drängte sie tiefer hinein. Ein Schwall glühend heißer Luft fegte über sie hinweg. Instinktiv kauerten sie sich auf den Boden und zogen die Köpfe ein. Mit geschlossenen Augen krochen sie weiter und gaben keinen Laut von sich. Ihre Lungen brannten und ihre Ohren dröhnten. Hustend schoben sie sich vorwärts. Sie hörten die krachenden Geräusche von splitterndem Stein, als Luresh wie ein Berserker vor der Höhle tobte. Das Fauchen und Brüllen drang ihnen durch Mark und Bein. Ginger zitterte am ganzen Leib und hatte Mühe, nicht in Panik zu geraten. Immer wieder sahen sie das Lodern der Flammen, die jedoch das Innere der Höhle nicht erreichten. Ginger dachte angsterfüllt daran, dass sie verloren wären, wenn Luresh ihre Flammen nur einmal wirklich in den Eingang der Höhle speien würde. Sie betete, dass der wütende Drache nicht so weit gehen würde, sein eigenes Gelege zu gefährden.
Endlich erreichten sie das Innere der Höhle und richteten sich zögerlich wieder auf. Sie tauschten schockierte und gleichzeitig erleichterte Blicke aus.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie Karim atemlos.
„Bei mir schon, was ist mit deinem Fuß?“
Ginger hüpfte auf einem Bein zu einem Felsen und setzte sich darauf. Langsam kam sie wieder zu Atem. Feine Ascheflocken wirbelten durch die Luft und von draußen hörten sie immer noch das Wüten von Luresh. Im Moment fühlten sie sich jedoch sicher in der Höhle. Kurz versicherte sie Tess, die ängstlich an ihrer Aufmerksamkeit zerrte, dass es ihnen gut ging. Vorsichtig krempelte sie ihre Hose hoch und schlüpfte aus dem Stiefel. Ihr Knöchel war blau und angeschwollen. Mit zusammengebissenen Zähnen betastete sie die Stelle und sog scharf die Luft ein, als ein stechender Schmerz sie durchfuhr. Karim entzündete einen Stock und klemmte die Fackel zwischen zwei Steine, um besser sehen zu können. Dann ging er vor ihr in die Hocke.
„Zeig mal her“, sagte er und hob ihr Bein vorsichtig hoch, um es auf sein Knie zu legen. Er betastete sehr vorsichtig den dicken Knöchel. Aufmerksam musterte sie dabei sein Gesicht. Er wirkte überraschend ruhig und gewissenhaft, beinahe liebevoll. Ein warmes Kribbeln flutete plötzlich durch ihre Brust und sie hatte das Bedürfnis, ihre Hand nach ihm auszustrecken. Nervös ballte sie die Hände zu Fäusten, um sich von diesen Gedanken abzubringen.
„Versuch dich zu entspannen, so kannst du nicht weiterlaufen. Ich glaube, du hast dir ein Band gerissen, aber das kriegen wir hin.“
Er griff nach ihrer Hand und legte sie seitlich an ihren Fuß. Seine warmen Hände umfassten fest ihren Knöchel. Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich. Es dauerte eine Weile, bis Ginger es schaffte, ihren Atem seinem ruhigen Rhythmus anzupassen. Immer wieder schreckte sie hoch, wenn sie von draußen Geräusche hörte. Langsam wurde es jedoch still und sie sank immer tiefer in die rotglühende Trance, die warm ihren Körper durchflutete und die Energie in ihre Hände schickte. Ein vages Bild von ausgefransten Bändern, die sich neu zusammenfügten, tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Ihr Knöchel wurde langsam heiß, pulsierte und kribbelte wie ihre Hände. Die Zeit dehnte sich und wurde zu einer warmen, fließenden Ewigkeit, in der ihre Energie sich mit Karims vereinte und sich zerstörte Strukturen wieder ordneten. Endlich öffnete sie vorsichtig die Augen und schüttelte sich kurz, um wieder ganz zu sich zu kommen. Karim lockerte seinen Griff und öffnete ebenfalls die Augen. Ein sorgenvolles Lächeln breitete sich auf seinem müden Gesicht aus.
„Und? Wie fühlt es sich an?“
Ginger betastete zaghaft die geschwollene Stelle, die immer noch blau war.
„Naja, irgendwie dumpf ...“, sie setzte den Fuß probeweise auf den Boden und stand auf, „Aber es geht, ich kann drauf stehen. Danke, wow, ich weiß gar nicht was ich sagen soll“, murmelte sie verlegen. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen.
„Sagen wir einfach, wir sind quitt. Was hältst du davon?“, antwortete er.
Sie nickte eifrig und hatte Mühe, das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf ihrem Gesicht breit machte. Nach einem kurzen Moment der Stille sagte sie mit einem lauten Seufzer:
„Verdammt, das war ganz schön knapp. Danke, dass du mir geholfen hast, alleine hätte sie mich erwischt. Jetzt wissen wir wenigstens, dass es wirklich um die Eier geht, sie weiß genau, was mit ihnen passiert, und dass sie wohl bald schlüpfen werden. Wahrscheinlich will sie sie nur beschützen und sieht die Stadt als Bedrohung an. Was ich gut verstehen kann ...“
„Hm. Vermutlich hast du Recht. Trotzdem habe ich keine Ahnung, was wir machen sollen. Spätestens wenn die Jungen schlüpfen, bricht hier das Chaos los“, antwortete Karim.
„Lass uns erstmal sehen, dass wir hier rauskommen. Ich glaube sie ist weg.“ Ginger lauschte angestrengt nach draußen.
Vorsichtig schlichen sie durch den Felsspalt. Der Stein war stellenweise verkohlt und strömte immer noch eine enorme Hitze aus. Sie wagten kaum, die Wände zu berühren. Ginger war überrascht, wie normal sie ihren Fuß bereits wieder belasten konnte. Kurz vor dem Ausgang bedeutete Karim ihr zurückzubleiben. Wachsam schob er sich näher an den Ausgang heran und lauschte lange, bevor er endlich den Kopf hinausstreckte und sich aufmerksam umsah. Nach einer Weile, die Ginger wie eine Ewigkeit vorkam, schlüpfte er endgültig aus dem Spalt und nickte ihr zu. Die Asche unter ihren Füßen knirschte leise, als sie heraustrat und in die tief stehende Sonne blinzelte. Erschüttert sah sie sich um. Luresh hatte Felsen zertrümmert und den Boden und die Wände versengt. Kein Grasbüschel wuchs mehr im näheren Umkreis des Höhleneingangs. Ginger schluckte hart. Sie fühlte sich schrecklich, den Tod des kleinen Drachen verschuldet zu haben. Sie konnte es Luresh nicht verdenken, dass sie so zornig gewesen war, auch wenn sie es beinahe mit dem Leben bezahlt hatten. Beide warteten eine Weile, lauschten angestrengt und beobachteten den Himmel. Endlich wandten sie sich um und gingen langsam auf den Ausgang der Schlucht zu.
Ich hoff ich bin im richtigen Foren-Bereich gelandet.. ?
Ich würde euch gerne mein Baby vorstellen: Mein erster Roman "Flammenstreit" ist seit einem Monat erschienen. (ISBN: 978-3-85028-495-0)
Ich kann nur sagen, dass das Schreiben eine wunderschöne, bereichernde und aufregender Erfahrung war, und ich noch viele Ideen für Fortsetzungen habe, wenn "Flammenstreit" gut ankommt (wobei, eigentlich ist es mir auch egal wie sich das verkauft, weitergeschrieben wird aus der Lust am Schreiben *g*)
Das Buch ist eine Mischung aus Fantasy & Abenteuer und hat auch einige spirituelle Elemente. Elfen, Orks, Zwerge und Vampire dürfen nicht mitspielen und es gibt weder monumentale Schlachten noch strahlende Helden. Meine Charaktere sind menschlich und tiefgründig (bis auf Luresh, den Drachen, der ist drachig, weitsichtig, mystisch und... wundervoll). Ich habe mich bemüht dem Ganzen eine subtile Art der Spannung zu verpassen und meine Charaktere stimmig und nachvollziehbar zu gestalten, ob es mir gelungen ist, müsst ihr meine Leser fragen oder selbst lesen :-)
Auf meiner HP: http://www.flammenstreit.npage.de gibt es Infos zu allem und mehr, sowie mehr Leseproben. Mit einem Drittel meines Erlöses unterstütze ich das Austrian-Sri-Lankan-Elephant-Research & Conservation-Projekt des Wiener Zoos: http://www.aserc.org
Um euch einen kleinen Einblick zu geben, hier eine Kurzbeschreibung:
Eine fremde Welt, der unseren nicht ganz unähnlich: Es geschehen merkwürdige Dinge. Eigentlich wollen die Bewohner Karhunas einen mächtigen Gott beschwören. Doch stattdessen erhalten sie zwei junge, überraschte Frauen als Antwort auf ihre Gebete. Für Ginger und Tess, zwei durchaus ungewöhnliche Mädchen, beginnt ein neues und aufregendes Leben in der mystischen Welt der Hüter. Sie begleiten die freundlichen, menschenartigen Wesen in die Stadt Karassa und nutzen die Chance, um ihr altes, bitteres Leben endgültig hinter sich zu lassen. Alles scheint perfekt zu sein, die idyllische Stadt bietet ihnen ein Heim und die Möglichkeit, wahre Magie zu lernen. In der Familie der kindlichen Seherin Haisha werden sie liebevoll aufgenommen und fassen wieder Mut. Nur die regelmäßigen Angriffe eines wütenden Drachen trüben das Glück ...
Als schließlich mysteriöse Dinge in der Stadt geschehen und Ginger das Drachengelege unweit der Stadt entdeckt, werfen die Geschehnisse tiefe moralische Fragen auf. Hin und her gerissen zwischen Dankbarkeit und Wut müssen sie sich entscheiden, ob sie dem Land und ihren neuen Freunden in einem drohenden Krieg beistehen werden, denn nur ihre ungewöhnliche Verbindung zu einander kann das unnötige Blutvergießen verhindern.
Sollten sie sich entschließen zu helfen, wird es eine gefährliche Gratwanderung für Ginger, die sich immer mehr den magischen Künsten hingibt und nicht merkt, wie nahe sie schon am Abgrund steht …
Im Anschluss zwei Leseproben, ich kann mich immer nicht entscheiden welche ich nehmen soll.. *g* Ich hoffe sie sind nicht zu lang...
Neue Freunde
Sie waren einige Stunden gewandert und hatten sich angeregt unterhalten, als sich vor ihnen eine riesige Kraterlandschaft ausbreitete. Die Rauch- und Dunstwolken hatten sie schon seit einer Weile gesehen, ihnen aber keine besondere Bedeutung beigemessen. Je näher sie kamen, desto klarer sahen sie, dass sie sich einer riesigen Schlucht näherten. Als sie am Rande des Canyons angelangt waren, stockte Ginger der Atem. Die steile Felswand fiel senkrecht vor ihnen ab und der Boden lag einige hundert Meter unter ihren Füßen. Die Ausmaße waren geradezu schwindelerregend und die Beiden wagten sich nicht näher als drei Schritte an die Kante heran.
Weit unter ihren Füßen erstreckte sich die verdorrte, rote Erde zu beiden Seiten, soweit das Auge reichte. Verbrannte und verkrüppelte Bäume und Sträucher waren das einzige Zeichen von ehemaligem Leben inmitten dieser düsteren Einöde, die trotz allem eine bizarre Faszination auf Ginger ausübte. Dankbar nahmen sie den ledernen Wasserschlauch entgegen, den Kiron ihnen reichte. Sie tranken das offenbar mit Früchten gesüßte, kalte Wasser und betrachteten überwältigt die Landschaft vor ihnen.
Vereinzelte Gischtfontänen stoben aus kleinen Kratern und die Erde war aufgeworfen und von den Naturgewalten zerfurcht. Direkt neben ihnen, nur durch die tiefe Schlucht getrennt, erhoben sich die Überreste eines riesigen Berges, dessen Spitze wohl eine gewaltige Eruption zerrissen hatte. Knapp über ihren Köpfen hörte die Steilwand abrupt auf und ein kreisförmiger Krater hatte sich tief in das Innere des Berges gefressen. Ein Vulkan wie aus dem Bilderbuch. Die massiven Felswände erstrahlten wie magisch im zerfließenden, roten Licht des geschmolzenen Gesteins.
„Und da sollen wir rüber?“, platzte es aus Ginger heraus. Sie stand neben Kiron und starrte diese Mondlandschaft aus weit aufgerissenen Augen an. Die Hitze, die der offene Krater vor ihnen verströmte, war enorm. Tess musste ein paar Mal die aufsteigenden Tränen wegblinzeln, um überhaupt klar sehen zu können. Kiron lächelte nur verschwörerisch und drehte sich zu Majra und Haisha auf Roku um. Mit einer fließenden Bewegung hob er Haisha von Rokus Rücken und stellte sie neben sich ab. Alle traten einen Schritt zurück, so taten es die Mädchen ihnen gleich. Haisha hob die Arme zum Himmel.
Der Anblick verschlug ihnen die Sprache: Der zarte Mädchenkörper vor dieser grotesken Landschaft, in unschuldiges Weiß gehüllt und die Haare vom plötzlich aufkommenden Wind zerzaust, als hätte sie alle Macht, die Naturgewalten zu beherrschen. Nach ein paar Sekunden, in denen Ginger und Tess nur staunend und wie angewurzelt dastanden und alles Mögliche erwarteten, senkte sie die Arme wieder. Dann fingerte sie eine schmale, silbrig glänzende Kette aus ihrem Kleid hervor. Daran hing etwas, das aussah wie eine filigrane, lang gezogene Muschel, perlmuttfarben und beinahe transparent.
Haisha hob das zerbrechlich wirkende Gebilde an ihre schmalen Lippen und blies kräftig hinein. Ein überraschend melodischer, hoher Ton erklang. Er war nicht sehr laut, aber er ging den Mädchen durch Mark und Bein und schien jede Faser ihres Körpers zu durchdringen und etwas völlig Fremdes in ihnen anzurühren. Zurück blieb ein vages Kribbeln, das noch anhielt, lange nachdem der Ton mit dem Wind davongetragen worden war.
In der erwartungsvollen Stille danach schien zunächst gar nichts zu passieren. Gespannt warteten die Mädchen und blickten sich nach allen Seiten um. Erst als sie beobachteten, wie sich die Blicke ihrer Begleiter auf einen Punkt über ihren Köpfen richteten, wurden sie sich der nahenden Gestalten bewusst. Zuerst war es nur ein vages Gefühl, so als hätte die Luft eine andere Qualität bekommen. Sie wirkte plötzlich zäher und von einem kaum definierbaren, bedächtigen Gefühl erfüllt. Ehrfürchtig und erwartungsvoll starrten beide in die Luft. Dann glaubten sie, die Gestalten zu erkennen. Doch jedes Mal, wenn sie versuchten, diese wirklich zu fokussieren, schienen die Wesen sofort wieder mit den Dunstschleiern über dem brodelnden Krater zu verschwimmen. Erst, als sie begannen, sie nur aus den Augenwinkeln zu betrachten, konnten sie die Umrisse klarer erkennen.
Die durchscheinenden Wesen waren etwas kleiner und zierlicher als Menschen und erstrahlten in einem sanften, hellgrünen Licht, das tief aus ihrem Innersten zu kommen schien. Sie bewegten sich mit kaum sichtbaren Flügeln durch die Luft, die mehr aus dünnen, schimmernden Fäden als aus klaren Strukturen zu bestehen schienen. Und es waren Hunderte, die aus der glühenden Öffnung des Kraters aufstiegen. Schließlich war das ganze Sichtfeld der Gruppe von ihnen ausgefüllt. Sie schwebten herab und ordneten sich vor ihnen in einer Reihe an, die bis an das andere Ende der Kraterlandschaft führte und beinahe aus ihrem Blickfeld verschwand. Ehrfürchtig und verunsichert versuchten Ginger und Tess, einen klaren Blick auf die fremdartigen Wesen zu erhaschen. Nur hin und wieder schienen auf einem der beinahe unsichtbaren Gesichter Züge zu erscheinen. Diese Augenblicke wirkten kostbar und bewegend, denn die Gesichter wirkten so gelöst, friedlich und in vollkommener Ruhe, dass die Beiden von einer undefinierbaren Sehnsucht ergriffen wurden. Obwohl die Wesen kleiner waren als die Mädchen, fühlten sie sich plötzlich unbedeutend und winzig in Anbetracht dieser ätherischen, engelsgleichen Gestalten. Sie fassten sich sprachlos bei den Händen und trauten ihren Augen nicht. Majra und Kiron wirkten belustigt über die staunenden Mädchen und Majra bedeutete ihnen mit einem ermutigenden Lächeln, dass dies nichts Besonderes sei.
Nachdem sich die Reihe der durchscheinenden Gestalten bis an die gegenüberliegende Seite fortgesetzt hatte, schienen sie plötzlich ineinander zu fließen, wie der Rauch erlöschender Kerzen. Die Formen verschwammen und aus den wirbelnden Schwaden bildeten sich die Umrisse einer Brücke. Ginger und Tess hatten Schwierigkeiten, sie klar zu erkennen. Aus den Augenwinkeln wirkte sie wie ein massives Gebilde aus hellgrünem Glas. Doch wenn die Beiden direkt darauf blickten, sahen sie nur die trostlose Landschaft in der Tiefe. Erschrocken blickten die beiden sich an. Darauf sollten sie ihre Füße setzen? Das musste ein Scherz sein ...
Zu ihrer Überraschung zögerte Roku keine Sekunde, als Majra ihn auf die schemenhafte Brücke lenkte und dabei mit spielerischer Leichtigkeit Haisha vor sich auf den breiten Rücken des Pferdes hob, das Tess mit einem Blick an die richtigen Stellen als Hengst erkannt hatte. Auch die anderen folgten ihnen ohne innezuhalten.
Tess sog scharf die Luft ein, tastete blind nach Gingers Hand und erstarrte. Als auch der letzte ihrer Begleiter den festen Boden verlassen hatte und zielstrebig durch die Luft marschierte, näherte Ginger sich zögerlich dem Abgrund. Die Gruppe machte keinerlei Anstalten, auf sie zu warten. Tess, die sich noch immer nicht bewegte, hielt sie weiterhin fest an der Hand und hatte die Augen fest zusammengepresst. Ginger holte tief Luft, schloss ebenfalls die Augen und setzte zögerlich den ersten Fuß auf das unwirkliche Gebilde.
Es schien sie zu tragen, also zog sie den anderen Fuß nach. Dann erst öffnete sie vorsichtig die Augen wieder. Beim Blick nach unten stockte ihr der Atem, denn sie sah nichts als den bodenlosen Abgrund unter sich, der ihr plötzlich doppelt so tief vorkam. Rasch hob sie den Blick und schielte vorsichtig mit klopfendem Herzen von oben herab auf die Brücke. Jetzt nahm sie diese wieder umrisshaft wahr. Sie atmete ein paar Mal tief ein und blickte suchend nach vorne, um nach Kiron und den anderen zu sehen. Diese waren schon ein gutes Stück weit gewandert und blickten sich nicht einmal um.
„Na gut, wenn dieses Ding das Monstrum von Pferd aushält, wird es schon nicht unter uns zerbrechen“, raunte sie zu sich selbst. Sie brauchte gar nichts zu Tess zu sagen. Als diese spürte, dass Ginger bereits auf der Brücke stand, öffnete sie die Augen. Sie vermied es, das Lichtgebilde direkt anzusehen und schob sich zögerlich an Ginger heran.
Nach einer prüfenden Sekunde, in der sie beide sich versicherten, dass sie nicht in die Tiefe stürzten, wagten sie die ersten Schritte. Hand in Hand überquerten sie die Brücke aus Licht und ließen damit ihr altes Leben und ihre alte Realität weit hinter sich …
Leben im Fels
Keuchend versuchte Karim, zu Atem zu kommen. Der Aufprall hatte ihm fast die Sinne geraubt und vor seinen Augen tanzten blitzende Lichter. Ginger lag mit dem Gesicht nach oben unter ihm und bewegte sich nicht. Seine Hände ruhten in etwas Warmem, Glitschigem. Panisch rappelte er sich auf und starrte fassungslos im fahlen Licht auf seine Arme: Sie waren von ihrem Blut getränkt. Eine rote, schmierige Pfütze breitete sich langsam unter ihr aus. Fassungslos zog er sich vor ihr zurück und betrachtete sie entgeistert.
„Das, das darf doch nicht wahr sein ... Das wollte ich nicht! Oh bei allen Hütern!“ Er schlug die Hände vor die Augen und sank in sich zusammen. Dann drang jedoch ein vertrautes Geräusch an seine Ohren: Sie atmete. Sofort war er bei ihr und tastete nach ihrem Puls. Er fühlte sich kräftig und schnell an. Verunsichert versuchte er, im Dämmer-icht etwas zu erkennen. Da bewegte sie sich und schlug die Augen auf.
„Autsch. Musste das sein? Oh ... Was … Wo sind wir? Was ist denn passiert?“
„Nicht bewegen! Hörst du, du bist verletzt, du blutest. Bleib ruhig. Hast du Schmerzen?“
„Eigentlich, nein, nicht wirklich, wo blute ich denn?“
Sie blickte suchend an sich hinunter. Als sie die immer größer werden Lache unter ihrem Rücken entdeckte, stieß sie einen spitzen Schrei aus und sprang auf. Karim griff beherzt zu, um sie aufzufangen, falls sie stürzen sollte. Doch sie stand sicher und blickte ihn aus großen Augen an. Er drehte sie vorsichtig mit dem Rücken zu der einzigen Lichtquelle, dem Loch etwa zwei Meter über ihnen. Ihre Kleidung war blutbesudelt, aber unversehrt. Er suchte verwirrt nach einer Wunde, wurde aber von Ginger unterbrochen, die wortlos an seinem Arm zupfte und mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden starrte. Langsam drehte er sich um und folgte ihrer ausgestreckten Hand mit dem Blick. In der widerlichen Pfütze bewegte sich etwas. Vorsichtig knieten die beiden auf dem Boden nieder. Was sie bei genauerem Hinsehen entdeckten, raubte ihnen den Atem. Die Flüssigkeit stammte aus keiner Wunde. Dort, wo sie gelandet waren, lagen zerdrückte Schalen im blutgetränkten Dreck. Eierschalen. Und inmitten der Verwüstung wand sich ein kleiner Körper, kaum größer als eine Katze …
Sie erkannten vier Beine, einen schrumpeligen Körper, einen langen Schwanz und verrunzelte Flügel. Die Augen auf dem winzigen Drachenkopf waren noch von einer durchsichtigen Schicht überwachsen, die Schuppen nur andeutungsweise vorhanden. Auf den unproportional großen Füßen waren die ersten, weichen Ansätze für die Krallen zu sehen. Der Eizahn auf der Schnauze sah weich und unvollkommen aus. Ebenso die Flügel. Ginger stiegen die Tränen in die Augen. Dieses Drachenkind war noch nicht einmal vollständig entwickelt, da hatten sie es getötet. Seine Bewegungen wurden langsamer, es konnte ja noch nicht einmal richtig atmen. Vorsichtig streckte sie den Arm aus und strich mit bebenden Händen über das feuchte Köpfchen. Einer unbewussten Reaktion folgend versuchte dieses winzige Leben, den Kopf der Berührung entgegenzustrecken. Dann lief ein Zittern durch den zerbrochenen Körper und es lag still. Sie hörte Karim neben sich schwer schlucken und konnte den Blick nicht von der kleinen Kreatur wenden. Obwohl es blutverschmiert und unvollkommen war, fand sie es märchenhaft schön.
Nach einigen endlos erscheinenden Minuten ergriff Karim wortlos ihre Hand und zog sie mit sich in die Höhe. Beide blickten sich suchend um. Im kargen Lichtkegel erkannten sie das restliche Gelege. Ungläubig zählte Ginger die rauen, kalkweißen Eier, die in der endlosen Zeit, die sie hier wohl schon lagen, mit allerlei Flechten und braunen Algen überwuchert waren. Sie waren kaum vom bewachsenen Fels zu unterscheiden. Sie entdeckte 19 Eier. Staunend brachten beide kein Wort heraus, ein ehrfürchtiges und respektvolles Gefühl den Eiern gegenüber breitete sich in ihnen aus. Die Magie, die sie ausströmten, war beinahe mit den Händen greifbar.
Die Höhle war nicht besonders groß. Etwa zehn Schritte breit und fünfzehn lang. Zögerlich machten sie sich auf die Suche nach einem Ausgang. Karim fand einen verwitterten Stock und entzündete eine Fackel mit seinem Feuerstein. Sie hatten versucht, Licht mit Magie erscheinen zu lassen, es war ihnen beiden nicht gelungen. Diese Höhle hatte ihre eigene Magie. Die hektisch flackernde Flamme tauchte die Felsen in gespenstisches Licht und hinterließ tanzende Schatten auf ihren Gesichtern.
„Jetzt wissen wir zumindest, warum Luresh gerade uns heimsucht. Seine ... Moment, ihre Jungen werden bald schlüpfen. Es war so winzig. Ich kann nicht glauben, dass wir es getötet haben“, hauchte Karim. „Ich wüsste gerne, wie sie die Eier hier überhaupt hineinlegen konnte.“
„Vielleicht hat sie die Eier dort vergraben, also von oben hineingelegt. Wie eine Schildkröte oder so.“
Ginger seufzte laut auf und blickte Karim beschämt an.
„Was ist überhaupt passiert? Ich erinnere mich nur daran, dass wir geübt haben.“
Er schilderte ihr ihren unheimlichen Zustand und ihren Sturz in die Höhle.
„Irgendetwas stimmt mit deiner Magie nicht. Du hast sie zu wenig in der Hand und scheinbar kann sie die Kontrolle über dich übernehmen. Das ist ungewöhnlich. Ich weiß nicht, was es bedeutet, vielleicht kommt es auch nur daher, dass du dich in deinem Alter erst damit beschäftigst, während wir bereits als Kinder damit auf-wachsen. Aber ich weiß, dass es gefährlich ist, du solltest wirklich vorsichtig sein!“, sagte er in eindringlichem Tonfall.
Sie nickte wortlos. Im unruhigen Schein der Fackel sah ihr Gesicht seltsam verzerrt aus. Nebeneinander tasteten sie sich vor-sichtig Schritt um Schritt vorwärts. Da die Höhle nicht sehr groß war, fanden sie bald einen Weg nach draußen. Gebückt schlichen sie hintereinander den schmalen Spalt im Fels entlang.
Das unverkennbare Rauschen eines Baches ließ sie zuversichtlich schneller gehen. Schließlich erreichten sie in der Schlucht, die Ginger bereits bei ihrem ersten Ausflug in den Wald entdeckt hatte, das Tageslicht. Erleichtert richteten sie sich auf und blinzelten dankbar ins grelle Sonnenlicht. Der Spalt war von dieser Seite kaum im zerklüfteten Felsen erkennbar. Karim seufzte hörbar auf. Dann verdüsterte sich seine Miene.
„Und nun? Was sollen wir tun? Ich habe keine Vorstellung davon, was sie mit den Eiern machen werden, wenn wir es in der Stadt erzählen. Ich weiß nicht mal, was ich mir für die Eier wünsche. Einerseits denke ich, es wäre das Beste, die Mutter mit ihren Jungen zu vereinen, da sie dann wohl die Stadt in Ruhe lässt. Aber wie sollen wir das anstellen? Andererseits können wir nicht zulassen, dass sie schlüpfen. Stell dir vor was passiert, wenn sich hier wieder junge Drachen ansiedeln? Setoira und Morheba werden das niemals zulassen, es muss geradezu zu einem Krieg führen.“
Ginger wusste keine Antwort. Mit gesenktem Blick stand sie neben ihm und grübelte verzweifelt. Dann machten sie sich auf den Weg nach Hause. In Gedanken versunken gingen sie den Bach entlang.
„Wir sollten abwarten. Es dauert mit Sicherheit noch einige Zeit, bis die Jungen wirklich schlüpfen. Und nach dem letzten Angriff ist der Oktran sicher noch aufmerksamer. Ich würde gerne erst mal herausfinden, wie Redorin und die anderen den Drachen insgesamt gegenüberstehen. Im Moment weiß ich einfach gar nicht, was wir tun sollten. Ich bin selber noch ganz durcheinander. Ich meine, von den Eiern geht eine gewaltige Gefahr aus, aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, sie einfach so zu erschlagen, bevor sie eine Chance auf das Leben haben. Es fühlt sich einfach von Grund auf falsch an, verstehst du was ich meine? Außerdem würde Luresh vermutlich vollkommen ausrasten, wenn wir das tun“, machte Ginger ihren Überlegungen Luft.
Dann wurden ihre Augen groß: „Ohje, was wenn sie gespürt hat, dass wir eines ihrer Jungen getötet haben?“
Karim zuckte nur hilflos mit den Achseln. Langsam näherten sie sich dem Ausgang der Schlucht.
Gerade hatten sie den Waldweg erreicht, als das Horn erklang. Wie vom Blitz getroffen fuhren beide herum und suchten erschrocken den Himmel ab.
„Verdammt! Ich wusste es, zurück in die Höhle, sofort!“, zischte Ginger.
Sie drehte sich um und rannte los. Karim folgte dicht hinter ihr. Plötzlich kam ihr der Weg doppelt so lang vor.
Sie wagten nicht, sich umzusehen und konzentrierten sich ganz darauf, auf dem felsigen Untergrund nicht zu stürzen. Loses Geröll rollte polternd zur Seite und Kieselsteine spritzten unter ihren Tritten in alle Richtungen davon. Endlich sahen sie die Felskante, hinter der sich der Eingang verbarg. Ginger beschleunigte ihren Lauf noch ein bisschen, beflügelt von der fast greifbaren Sicherheit, und hob einen Moment den Blick vom Boden. Eine Sekunde später verfluchte sie ihre Unaufmerksamkeit, als sie umknickte und einen stechenden Schmerz in ihrem Knöchel verspürte. Sie konnte sich gerade noch abfangen und wäre beinahe gestürzt. Mit schmerzverzerrtem Blick griff sie an ihren Fuß. Karim war sofort an ihrer Seite. Wortlos griff er unter ihre Achsel und zerrte sie in die Höhe. Er legte ihren Arm um seine Schulter und schleifte sie vorwärts. Ginger biss die Zähne zusammen und lief, so gut es ging, neben ihm her. Dann machte sie den Fehler und blickte sich um. Luresh war bereits über den Bäumen und raste auf sie zu. Eine Aura aus Zorn umgab sie, die Ginger bis in ihr Innerstes erschütterte. Dieser Drache wusste genau, was passiert war. Vor Schreck stolperte sie erneut und riss Karim beinahe zu Boden.
Nur mit Mühe fing er sie auf und schleppte sie weiter. Gingers Herz raste und sie spürte Karims hämmernden Puls an ihrer Seite. Er ignorierte das markerschütternde, wütende Fauchen und lief noch schneller. In der Sekunde, in der das tödliche, lodernde Geräusch hinter ihnen erklang, erreichten sie die Felskante. Karim schubste Ginger unsanft in den Eingang und drängte sie tiefer hinein. Ein Schwall glühend heißer Luft fegte über sie hinweg. Instinktiv kauerten sie sich auf den Boden und zogen die Köpfe ein. Mit geschlossenen Augen krochen sie weiter und gaben keinen Laut von sich. Ihre Lungen brannten und ihre Ohren dröhnten. Hustend schoben sie sich vorwärts. Sie hörten die krachenden Geräusche von splitterndem Stein, als Luresh wie ein Berserker vor der Höhle tobte. Das Fauchen und Brüllen drang ihnen durch Mark und Bein. Ginger zitterte am ganzen Leib und hatte Mühe, nicht in Panik zu geraten. Immer wieder sahen sie das Lodern der Flammen, die jedoch das Innere der Höhle nicht erreichten. Ginger dachte angsterfüllt daran, dass sie verloren wären, wenn Luresh ihre Flammen nur einmal wirklich in den Eingang der Höhle speien würde. Sie betete, dass der wütende Drache nicht so weit gehen würde, sein eigenes Gelege zu gefährden.
Endlich erreichten sie das Innere der Höhle und richteten sich zögerlich wieder auf. Sie tauschten schockierte und gleichzeitig erleichterte Blicke aus.
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie Karim atemlos.
„Bei mir schon, was ist mit deinem Fuß?“
Ginger hüpfte auf einem Bein zu einem Felsen und setzte sich darauf. Langsam kam sie wieder zu Atem. Feine Ascheflocken wirbelten durch die Luft und von draußen hörten sie immer noch das Wüten von Luresh. Im Moment fühlten sie sich jedoch sicher in der Höhle. Kurz versicherte sie Tess, die ängstlich an ihrer Aufmerksamkeit zerrte, dass es ihnen gut ging. Vorsichtig krempelte sie ihre Hose hoch und schlüpfte aus dem Stiefel. Ihr Knöchel war blau und angeschwollen. Mit zusammengebissenen Zähnen betastete sie die Stelle und sog scharf die Luft ein, als ein stechender Schmerz sie durchfuhr. Karim entzündete einen Stock und klemmte die Fackel zwischen zwei Steine, um besser sehen zu können. Dann ging er vor ihr in die Hocke.
„Zeig mal her“, sagte er und hob ihr Bein vorsichtig hoch, um es auf sein Knie zu legen. Er betastete sehr vorsichtig den dicken Knöchel. Aufmerksam musterte sie dabei sein Gesicht. Er wirkte überraschend ruhig und gewissenhaft, beinahe liebevoll. Ein warmes Kribbeln flutete plötzlich durch ihre Brust und sie hatte das Bedürfnis, ihre Hand nach ihm auszustrecken. Nervös ballte sie die Hände zu Fäusten, um sich von diesen Gedanken abzubringen.
„Versuch dich zu entspannen, so kannst du nicht weiterlaufen. Ich glaube, du hast dir ein Band gerissen, aber das kriegen wir hin.“
Er griff nach ihrer Hand und legte sie seitlich an ihren Fuß. Seine warmen Hände umfassten fest ihren Knöchel. Dann schloss er die Augen und konzentrierte sich. Es dauerte eine Weile, bis Ginger es schaffte, ihren Atem seinem ruhigen Rhythmus anzupassen. Immer wieder schreckte sie hoch, wenn sie von draußen Geräusche hörte. Langsam wurde es jedoch still und sie sank immer tiefer in die rotglühende Trance, die warm ihren Körper durchflutete und die Energie in ihre Hände schickte. Ein vages Bild von ausgefransten Bändern, die sich neu zusammenfügten, tauchte vor ihrem inneren Auge auf. Ihr Knöchel wurde langsam heiß, pulsierte und kribbelte wie ihre Hände. Die Zeit dehnte sich und wurde zu einer warmen, fließenden Ewigkeit, in der ihre Energie sich mit Karims vereinte und sich zerstörte Strukturen wieder ordneten. Endlich öffnete sie vorsichtig die Augen und schüttelte sich kurz, um wieder ganz zu sich zu kommen. Karim lockerte seinen Griff und öffnete ebenfalls die Augen. Ein sorgenvolles Lächeln breitete sich auf seinem müden Gesicht aus.
„Und? Wie fühlt es sich an?“
Ginger betastete zaghaft die geschwollene Stelle, die immer noch blau war.
„Naja, irgendwie dumpf ...“, sie setzte den Fuß probeweise auf den Boden und stand auf, „Aber es geht, ich kann drauf stehen. Danke, wow, ich weiß gar nicht was ich sagen soll“, murmelte sie verlegen. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen.
„Sagen wir einfach, wir sind quitt. Was hältst du davon?“, antwortete er.
Sie nickte eifrig und hatte Mühe, das Grinsen zu unterdrücken, das sich auf ihrem Gesicht breit machte. Nach einem kurzen Moment der Stille sagte sie mit einem lauten Seufzer:
„Verdammt, das war ganz schön knapp. Danke, dass du mir geholfen hast, alleine hätte sie mich erwischt. Jetzt wissen wir wenigstens, dass es wirklich um die Eier geht, sie weiß genau, was mit ihnen passiert, und dass sie wohl bald schlüpfen werden. Wahrscheinlich will sie sie nur beschützen und sieht die Stadt als Bedrohung an. Was ich gut verstehen kann ...“
„Hm. Vermutlich hast du Recht. Trotzdem habe ich keine Ahnung, was wir machen sollen. Spätestens wenn die Jungen schlüpfen, bricht hier das Chaos los“, antwortete Karim.
„Lass uns erstmal sehen, dass wir hier rauskommen. Ich glaube sie ist weg.“ Ginger lauschte angestrengt nach draußen.
Vorsichtig schlichen sie durch den Felsspalt. Der Stein war stellenweise verkohlt und strömte immer noch eine enorme Hitze aus. Sie wagten kaum, die Wände zu berühren. Ginger war überrascht, wie normal sie ihren Fuß bereits wieder belasten konnte. Kurz vor dem Ausgang bedeutete Karim ihr zurückzubleiben. Wachsam schob er sich näher an den Ausgang heran und lauschte lange, bevor er endlich den Kopf hinausstreckte und sich aufmerksam umsah. Nach einer Weile, die Ginger wie eine Ewigkeit vorkam, schlüpfte er endgültig aus dem Spalt und nickte ihr zu. Die Asche unter ihren Füßen knirschte leise, als sie heraustrat und in die tief stehende Sonne blinzelte. Erschüttert sah sie sich um. Luresh hatte Felsen zertrümmert und den Boden und die Wände versengt. Kein Grasbüschel wuchs mehr im näheren Umkreis des Höhleneingangs. Ginger schluckte hart. Sie fühlte sich schrecklich, den Tod des kleinen Drachen verschuldet zu haben. Sie konnte es Luresh nicht verdenken, dass sie so zornig gewesen war, auch wenn sie es beinahe mit dem Leben bezahlt hatten. Beide warteten eine Weile, lauschten angestrengt und beobachteten den Himmel. Endlich wandten sie sich um und gingen langsam auf den Ausgang der Schlucht zu.
- Das leichte Spiel, ein teurer Preis. Wisse stets um deine Kräfte, sonst wird die Magie dich zerstören! -