überarbeitet: 19.09.2011
Die Waldläuferin hob den Kopf des Menschen leicht an, um ihm das Atmen zu erleichtern. Als sie ihm eine Frage stellte, die Degaryn nicht verstand, beugte sie sich weiter vor. Unwillkürlich wanderte seine Hand zum Griff der Axt. Er selbst hätte so viele Menschen wie möglich mit in den Tod genommen, statt auch nur ein Wort mit ihnen zu sprechen. Doch der Mann erwiderte etwas – und Casidhes Miene wurde weicher.
Beinahe sanft redete sie auf den Kerl ein und ließ ihm Zeit, seine brüchige Antwort zu geben.
In einiger Entfernung standen Hircun und Levain, doch während der Waldläufer ihre Umgebung im Auge behielt, starrte der junge Druide fasziniert zu ihnen herüber. Erst jetzt wurde Degaryn bewusst, dass kein Protest von ihm gekommen war – ohne Widerspruch hatte er einen Menschen von der Schwelle des Todes zurückgeholt.
»Frag ihn alles, was wichtig für uns sein könnte«, wies er Casidhe an, bevor er aufstand und zu den beiden anderen trat.
Hircun nickte ihm zu, zögerte, sprach es dann doch an. »Du hättest ihn töten sollen.«
Beinahe hätte Degaryn gelacht, so abstrus schien ihm diese Situation. Da musste er sich als Pfadwanderer, als Verteidiger des Heimatwaldes, von einem einfachen Waldläufer erzählen lassen, was man mit Menschen tat – ohne Skrupel, ohne Zweifel.
Aber ihm war nicht nach Lachen zu Mute.
»Wir müssen erfahren, was mit Norandhras und Sinnur geschehen ist. Und warum sich unsere Verbündeten mit unserem Feind einlassen.«
»Seine Worte werden Gift in unseren Gedanken sein«, entgegnete Hircun.
Degaryn wusste, dass er die Wahrheit sagte.
»Er kann lügen und uns einen vom Baum erzählen, aber wir werden das hören, was uns am meisten Hoffnung gibt.«
»Sie hatten vergiftete Pfeile!«, widersprach Degaryn.
Verwirrt zog Hircun die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. »Und was bedeutet das?«
Dass Sinnur noch lebt. Dass sie ihn gefangen genommen haben, damit er bei Sonnenaufgang zu Ehren ihrer Göttin brennt.
Er sprach den Gedanken nicht aus. Er hätte ihn nicht einmal denken sollen. Zu seiner Erleichterung mischte nun auch Levain sich ein.
»Es war ein Schlafgift, wie es aus Schwarzem Mauerdorn hergestellt wird. Du wärst also auch ohne mich irgendwann wieder aufgewacht.«
»Dafür habe ich mich noch gar nicht bedankt«, lenkte Degaryn ein. »Ohne euch würde ich jetzt das Ewige Lied singen.«
Über Levains Gesicht zog ein stolzes Grinsen, doch Hircun winkte ab. »Ach was, bevor ich da war, hatte Casidhe sich schon um alles gekümmert.«
Nachdenklich strich er sich über die Narbe auf seiner Wange und ließ seinen Blick eine Weile auf der Waldläuferin ruhen. Er setzte an, etwas zu sagen, unterbrach sich allerdings selbst und schüttelte den Kopf.
»Hast du die Beeren, Junge?«, wandte er sich stattdessen an Levain, der seine stolze Miene offenbar gar nicht mehr ablegen wollte.
»Ich hab einen Haselnussstrauch gefunden.«
»Dann los, an die Arbeit.« Hircun winkte Degaryn zu verschwinden und zwinkerte. »Geh schon zu deinem Gefangenen, wir kümmern uns um das Abendessen.«
Die Gelassenheit, die allen Waldläufern zu eigen sein schien, trieb Degaryn manchmal fast in den Wahnsinn. Im Moment allerdings war er froh, nicht auch noch die Sorgen der anderen auf seinen Schultern tragen zu müssen. Dankbar nickte er Hircun zu, bevor er zu Casidhe zurückging. In seinem Rücken hörte er Levains konzentriertes Gemurmel, das kurz abbrach, als ein forderndes Krächzen erklang.
Degaryn wandte sich noch einmal um. »Frag deinen Raben, ob er etwas gesehen hat. Und schick ihn zum Holzfällerlager, er soll Ausschau halten.«
Als er neben Casidhe niederkniete, sah sie nur kurz auf. Der Mann hustete mehr, als dass er sprach, und selbst die wenigen Worte schien sie kaum zu verstehen. Trotzdem nickte sie mehrfach. Schließlich ließ sie den Kopf des Menschen zurücksinken und er schloss die Augen, fand kaum noch Kraft zum Atmen. Casidhe tat es ihm gleich.
»Sie sind … waren … tatsächlich Norver«, begann sie, ihre Stimme ungewohnt brüchig. »Die Imperialen haben um Hilfe gebeten, weil Wildelfen ihre Siedlungen angegriffen haben. Unschuldige wurden ermordet, Frauen und Kinder.«
»Behaupten Imperiale!« Degaryn spuckte das Wort aus. »Wie können sie -«
»Du wolltest, dass ich ihn frage!«, fuhr Casidhe ihn an, ihre sturmgrauen Augen wie Pfeilspitzen auf ihn gerichtet. »Also sollst du auch hören, was er gesagt hat.«
»Lass die Heucheleien und Lügen weg, die kenne ich zur Genüge.«
Vier Atemzüge lang hing Stille zwischen ihnen, die nur verschwinden würde, wenn einer von ihnen nachgab. Schließlich war es Casidhe, die leise seufzte und den Blick wieder senkte.
»Eine Gruppe norvischer Waldläufer ist auf Befehl des Königs ausgesandt worden, um die Lage in Augenschein zu nehmen und zu helfen, wenn Hilfe nötig ist.«
Sie schluckte, rang sichtlich mit sich selbst, um die nächsten Worte auszusprechen.
»Er sagt, sie waren dabei, Degaryn. Sie haben gesehen wie vor vier Nächten in tiefster Dunkelheit Gestalten wie Schatten in das Lager der Holzfäller gekommen sind. Wie Geister aus dem Wald, hat er gesagt. Sie haben die Schreie gehört. Und die Toten gezählt.«
Degaryn nickte, obwohl Casidhe es nicht sehen konnte. Er war nicht stolz auf das, was dort geschehen war, aber es war notwendig gewesen.
»Sie schlagen die Bäume, Casidhe. Sie zerreißen unsere Heimat. Sie stehlen das Holz unserer Ahnen, um die Scheiterhaufen zu errichten, auf denen sie uns verbrennen!« Noch immer sah sie ihn nicht an. »Wir haben die Männer getötet, die unseren Wald ausbluten wollen. Aber nie – niemals – habe ich den Mord an ihren Frauen und Kinder befohlen.«
»Er sagt, sie hätten zwei von uns überrascht und gefangen genommen.« Etwas in ihrer Stimme weckte die kalte Umklammerung der Angst, ein Gefühl, das sich wie ein Schwert tief in seine Eingeweide bohrte. »Einer mehr tot als lebendig.«
Jäh richtete Degaryn sich auf, kämpfte gegen den Schmerz an. »Dann müssen wir uns beeilen.«
Er winkte Hircun und Levain herbei und blickte sich suchend um. Die Bäume hier waren jung und schlank, ihr Gesang würde nicht bis in die Tiefen des Heimatwaldes reichen. Doch in einiger Entfernung entdeckte er zwischen den länger werdenden Schatten einen gedungenen Ahorn, der schon etliche Jahrzehnte gewachsen sein musste.
Der junge Druide trat neben ihn und reichte ihm eine der Haselnüsse, die er in der Hand hielt. Wortlos nahm Degaryn sie an und zerkaute sie, während er die Strecke zum Ahorn mit einigen weitausholenden Schritten zurücklegte. Kaum dass er die kleine Nuss geschluckt hatte, fühlte er sich satt und gestärkt – Auswirkungen des Zaubers, den Levain um die Früchte gesponnen hatte. Es ersparte ihnen die zeitraubende Zubereitung einer Mahlzeit und rettete Sinnur vielleicht das Leben.
Bevor er die Hand auf den Ahorn legte und nach seinen Brüdern rief, atmete Degaryn tief durch. Sie würden seine aufgewühlten Gefühle in seinem Lied spüren. Zu dicht war die Gemeinschaft des Wilden Pfades miteinander verwoben, als dass sie so etwas voreinander verheimlichen konnten.
Mehr Zeit als einige Atemzüge wollte er sich und seinen Gefährten allerdings nicht stehlen.
Er umgriff das Rindenholz und rief nach Meren. Fast augenblicklich wusste er, dass sie ihn hörte. Ebenso wusste er, dass sie keine Erklärung verlangen, keine Rechtfertigung fordern würde. Er bat um Hilfe, und sie würde Hilfe aussenden. Zum Schutz des Heimatwaldes.
Obwohl sie wahrscheinlich wusste, wo er war, erklärte er ihr die Position des Holzfällerlagers, erwähnte die Norven, die durch die Wälder schlichen, und den Verlust zweier Brüder.
Ihre Antwort war getränkt von Zorn, der auch in Degaryn den Hass höher lodern ließ.
Die Imperialen werden bluten!
Als das Lied verebbte, fühlte er sich ausgelaugt, trotz der Mahlzeit und trotz der Wut, die in ihm brannte. Oder vielleicht gerade deshalb. Casidhes Blick schlich sich in seine Gedanken. Der Unglaube in ihren Augen, die Ablehnung, als sie von den Holzfällern gesprochen hatte. Ablehnung gegen ihr eigenes Volk.
Degaryn versuchte vergebens, die Grübelei abzuschütteln, während er zu seinen Gefährten zurückkehrte. Offenbar hatte Casidhe von ihrem Verhör berichtet, denn Levains Miene war wie versteinert und Hircuns Blick haftete auf Degaryn.
›Seine Worte werden Gift in unseren Gedanken sein.‹
Alles, was von den Menschen kam, war Gift!
Entschlossen nahm Degaryn sein Jagdholz auf, das noch immer in der Nähe der Toten lag.
»Bis zur Dunkelheit sind wir am Lager. Der Wilde Pfad wird nicht tatenlos zusehen, wie Menschen unsere Bäume schlagen und unsere Brüder töten.«
Casidhe mied seinen Blick noch immer, hielt ihn allerdings nicht auf, als er neben dem Verwundeten in die Hocke ging. Er zog eine Axt und sah dem Menschen direkt in die Augen. Sein Gegenüber blinzelte verwirrt.
»Grüß deine Göttin, Giftspucker!«, zischte Degaryn und schlug ihm die schwarze Schneide in die Kehle.
Die Waldläuferin wandte sich stumm ab, um als erste ins dämmrige Zwielicht einzutauchen. Dichtauf folgte ihr Levain, der sich alle Mühe gab, den ein oder anderen lautlosen Schritt zu setzen. Nur Hircun sah abwartend zu Degaryn.
»Wenn die Wurzelmaid es will, werden wir sie rechtzeitig finden«, versicherte er mit unerschütterlichem Vertrauen in der Stimme.
Degaryn nickte matt.
›Einer mehr tot als lebendig.‹
Halte durch, Sinnur.
Nur mit Mühe widerstand er dem widersinnigen Drang, an einen Baum zu treten und nach seinem Schüler zu rufen. Er würde keine Antwort bekommen. Nicht auf diese Art.
Die Waldläuferin hob den Kopf des Menschen leicht an, um ihm das Atmen zu erleichtern. Als sie ihm eine Frage stellte, die Degaryn nicht verstand, beugte sie sich weiter vor. Unwillkürlich wanderte seine Hand zum Griff der Axt. Er selbst hätte so viele Menschen wie möglich mit in den Tod genommen, statt auch nur ein Wort mit ihnen zu sprechen. Doch der Mann erwiderte etwas – und Casidhes Miene wurde weicher.
Beinahe sanft redete sie auf den Kerl ein und ließ ihm Zeit, seine brüchige Antwort zu geben.
In einiger Entfernung standen Hircun und Levain, doch während der Waldläufer ihre Umgebung im Auge behielt, starrte der junge Druide fasziniert zu ihnen herüber. Erst jetzt wurde Degaryn bewusst, dass kein Protest von ihm gekommen war – ohne Widerspruch hatte er einen Menschen von der Schwelle des Todes zurückgeholt.
»Frag ihn alles, was wichtig für uns sein könnte«, wies er Casidhe an, bevor er aufstand und zu den beiden anderen trat.
Hircun nickte ihm zu, zögerte, sprach es dann doch an. »Du hättest ihn töten sollen.«
Beinahe hätte Degaryn gelacht, so abstrus schien ihm diese Situation. Da musste er sich als Pfadwanderer, als Verteidiger des Heimatwaldes, von einem einfachen Waldläufer erzählen lassen, was man mit Menschen tat – ohne Skrupel, ohne Zweifel.
Aber ihm war nicht nach Lachen zu Mute.
»Wir müssen erfahren, was mit Norandhras und Sinnur geschehen ist. Und warum sich unsere Verbündeten mit unserem Feind einlassen.«
»Seine Worte werden Gift in unseren Gedanken sein«, entgegnete Hircun.
Degaryn wusste, dass er die Wahrheit sagte.
»Er kann lügen und uns einen vom Baum erzählen, aber wir werden das hören, was uns am meisten Hoffnung gibt.«
»Sie hatten vergiftete Pfeile!«, widersprach Degaryn.
Verwirrt zog Hircun die Augenbrauen zusammen und schüttelte den Kopf. »Und was bedeutet das?«
Dass Sinnur noch lebt. Dass sie ihn gefangen genommen haben, damit er bei Sonnenaufgang zu Ehren ihrer Göttin brennt.
Er sprach den Gedanken nicht aus. Er hätte ihn nicht einmal denken sollen. Zu seiner Erleichterung mischte nun auch Levain sich ein.
»Es war ein Schlafgift, wie es aus Schwarzem Mauerdorn hergestellt wird. Du wärst also auch ohne mich irgendwann wieder aufgewacht.«
»Dafür habe ich mich noch gar nicht bedankt«, lenkte Degaryn ein. »Ohne euch würde ich jetzt das Ewige Lied singen.«
Über Levains Gesicht zog ein stolzes Grinsen, doch Hircun winkte ab. »Ach was, bevor ich da war, hatte Casidhe sich schon um alles gekümmert.«
Nachdenklich strich er sich über die Narbe auf seiner Wange und ließ seinen Blick eine Weile auf der Waldläuferin ruhen. Er setzte an, etwas zu sagen, unterbrach sich allerdings selbst und schüttelte den Kopf.
»Hast du die Beeren, Junge?«, wandte er sich stattdessen an Levain, der seine stolze Miene offenbar gar nicht mehr ablegen wollte.
»Ich hab einen Haselnussstrauch gefunden.«
»Dann los, an die Arbeit.« Hircun winkte Degaryn zu verschwinden und zwinkerte. »Geh schon zu deinem Gefangenen, wir kümmern uns um das Abendessen.«
Die Gelassenheit, die allen Waldläufern zu eigen sein schien, trieb Degaryn manchmal fast in den Wahnsinn. Im Moment allerdings war er froh, nicht auch noch die Sorgen der anderen auf seinen Schultern tragen zu müssen. Dankbar nickte er Hircun zu, bevor er zu Casidhe zurückging. In seinem Rücken hörte er Levains konzentriertes Gemurmel, das kurz abbrach, als ein forderndes Krächzen erklang.
Degaryn wandte sich noch einmal um. »Frag deinen Raben, ob er etwas gesehen hat. Und schick ihn zum Holzfällerlager, er soll Ausschau halten.«
Als er neben Casidhe niederkniete, sah sie nur kurz auf. Der Mann hustete mehr, als dass er sprach, und selbst die wenigen Worte schien sie kaum zu verstehen. Trotzdem nickte sie mehrfach. Schließlich ließ sie den Kopf des Menschen zurücksinken und er schloss die Augen, fand kaum noch Kraft zum Atmen. Casidhe tat es ihm gleich.
»Sie sind … waren … tatsächlich Norver«, begann sie, ihre Stimme ungewohnt brüchig. »Die Imperialen haben um Hilfe gebeten, weil Wildelfen ihre Siedlungen angegriffen haben. Unschuldige wurden ermordet, Frauen und Kinder.«
»Behaupten Imperiale!« Degaryn spuckte das Wort aus. »Wie können sie -«
»Du wolltest, dass ich ihn frage!«, fuhr Casidhe ihn an, ihre sturmgrauen Augen wie Pfeilspitzen auf ihn gerichtet. »Also sollst du auch hören, was er gesagt hat.«
»Lass die Heucheleien und Lügen weg, die kenne ich zur Genüge.«
Vier Atemzüge lang hing Stille zwischen ihnen, die nur verschwinden würde, wenn einer von ihnen nachgab. Schließlich war es Casidhe, die leise seufzte und den Blick wieder senkte.
»Eine Gruppe norvischer Waldläufer ist auf Befehl des Königs ausgesandt worden, um die Lage in Augenschein zu nehmen und zu helfen, wenn Hilfe nötig ist.«
Sie schluckte, rang sichtlich mit sich selbst, um die nächsten Worte auszusprechen.
»Er sagt, sie waren dabei, Degaryn. Sie haben gesehen wie vor vier Nächten in tiefster Dunkelheit Gestalten wie Schatten in das Lager der Holzfäller gekommen sind. Wie Geister aus dem Wald, hat er gesagt. Sie haben die Schreie gehört. Und die Toten gezählt.«
Degaryn nickte, obwohl Casidhe es nicht sehen konnte. Er war nicht stolz auf das, was dort geschehen war, aber es war notwendig gewesen.
»Sie schlagen die Bäume, Casidhe. Sie zerreißen unsere Heimat. Sie stehlen das Holz unserer Ahnen, um die Scheiterhaufen zu errichten, auf denen sie uns verbrennen!« Noch immer sah sie ihn nicht an. »Wir haben die Männer getötet, die unseren Wald ausbluten wollen. Aber nie – niemals – habe ich den Mord an ihren Frauen und Kinder befohlen.«
»Er sagt, sie hätten zwei von uns überrascht und gefangen genommen.« Etwas in ihrer Stimme weckte die kalte Umklammerung der Angst, ein Gefühl, das sich wie ein Schwert tief in seine Eingeweide bohrte. »Einer mehr tot als lebendig.«
Jäh richtete Degaryn sich auf, kämpfte gegen den Schmerz an. »Dann müssen wir uns beeilen.«
Er winkte Hircun und Levain herbei und blickte sich suchend um. Die Bäume hier waren jung und schlank, ihr Gesang würde nicht bis in die Tiefen des Heimatwaldes reichen. Doch in einiger Entfernung entdeckte er zwischen den länger werdenden Schatten einen gedungenen Ahorn, der schon etliche Jahrzehnte gewachsen sein musste.
Der junge Druide trat neben ihn und reichte ihm eine der Haselnüsse, die er in der Hand hielt. Wortlos nahm Degaryn sie an und zerkaute sie, während er die Strecke zum Ahorn mit einigen weitausholenden Schritten zurücklegte. Kaum dass er die kleine Nuss geschluckt hatte, fühlte er sich satt und gestärkt – Auswirkungen des Zaubers, den Levain um die Früchte gesponnen hatte. Es ersparte ihnen die zeitraubende Zubereitung einer Mahlzeit und rettete Sinnur vielleicht das Leben.
Bevor er die Hand auf den Ahorn legte und nach seinen Brüdern rief, atmete Degaryn tief durch. Sie würden seine aufgewühlten Gefühle in seinem Lied spüren. Zu dicht war die Gemeinschaft des Wilden Pfades miteinander verwoben, als dass sie so etwas voreinander verheimlichen konnten.
Mehr Zeit als einige Atemzüge wollte er sich und seinen Gefährten allerdings nicht stehlen.
Er umgriff das Rindenholz und rief nach Meren. Fast augenblicklich wusste er, dass sie ihn hörte. Ebenso wusste er, dass sie keine Erklärung verlangen, keine Rechtfertigung fordern würde. Er bat um Hilfe, und sie würde Hilfe aussenden. Zum Schutz des Heimatwaldes.
Obwohl sie wahrscheinlich wusste, wo er war, erklärte er ihr die Position des Holzfällerlagers, erwähnte die Norven, die durch die Wälder schlichen, und den Verlust zweier Brüder.
Ihre Antwort war getränkt von Zorn, der auch in Degaryn den Hass höher lodern ließ.
Die Imperialen werden bluten!
Als das Lied verebbte, fühlte er sich ausgelaugt, trotz der Mahlzeit und trotz der Wut, die in ihm brannte. Oder vielleicht gerade deshalb. Casidhes Blick schlich sich in seine Gedanken. Der Unglaube in ihren Augen, die Ablehnung, als sie von den Holzfällern gesprochen hatte. Ablehnung gegen ihr eigenes Volk.
Degaryn versuchte vergebens, die Grübelei abzuschütteln, während er zu seinen Gefährten zurückkehrte. Offenbar hatte Casidhe von ihrem Verhör berichtet, denn Levains Miene war wie versteinert und Hircuns Blick haftete auf Degaryn.
›Seine Worte werden Gift in unseren Gedanken sein.‹
Alles, was von den Menschen kam, war Gift!
Entschlossen nahm Degaryn sein Jagdholz auf, das noch immer in der Nähe der Toten lag.
»Bis zur Dunkelheit sind wir am Lager. Der Wilde Pfad wird nicht tatenlos zusehen, wie Menschen unsere Bäume schlagen und unsere Brüder töten.«
Casidhe mied seinen Blick noch immer, hielt ihn allerdings nicht auf, als er neben dem Verwundeten in die Hocke ging. Er zog eine Axt und sah dem Menschen direkt in die Augen. Sein Gegenüber blinzelte verwirrt.
»Grüß deine Göttin, Giftspucker!«, zischte Degaryn und schlug ihm die schwarze Schneide in die Kehle.
Die Waldläuferin wandte sich stumm ab, um als erste ins dämmrige Zwielicht einzutauchen. Dichtauf folgte ihr Levain, der sich alle Mühe gab, den ein oder anderen lautlosen Schritt zu setzen. Nur Hircun sah abwartend zu Degaryn.
»Wenn die Wurzelmaid es will, werden wir sie rechtzeitig finden«, versicherte er mit unerschütterlichem Vertrauen in der Stimme.
Degaryn nickte matt.
›Einer mehr tot als lebendig.‹
Halte durch, Sinnur.
Nur mit Mühe widerstand er dem widersinnigen Drang, an einen Baum zu treten und nach seinem Schüler zu rufen. Er würde keine Antwort bekommen. Nicht auf diese Art.
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»Couldnʼt you crawl into a bush somewhere and die? That would be great, thanks.« (Alistair, Dragon Age)
»You can be anything you want on the internet.
What's funny is how many people choose to be stupid.« (Zack Finfrock)
»You can be anything you want on the internet.
What's funny is how many people choose to be stupid.« (Zack Finfrock)