Huhu,
So, habe das zweite Kapitel ebenfalls komplett überarbeitet und eure Verbesserungen übernommen. Danke erneut an alle!
EDIT: 25.11.11: Text überarbeitet
EDIT: 04.01.2012: Komplett überarbeitet
LG Semi
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Ein fast normaler Tag
Als sie endlich aussteigen mussten, ließen sie sich vom Strom der anderen Passanten mit treiben. Ben bemerkte, dass sich Christin trotz seiner Annahme, ihr würde das Fahren dieses Mal nicht so viel ausmachen, deutlich entspannte. Doch erst, als sie auch die Rolltreppe hinter sich gelassen hatten und auf die belebte Hauptstraße getreten waren, begann sie heiter zu reden.
"Meinst du, Mama und Papa sind schon da?"
Er wusste, dass sie ihre Unsicherheit zu überspielen versuchte. Es ärgerte sie zutiefst, eingestehen zu müssen, vor etwas lapidarem wie der U-Bahn Angst zu haben. Auch wenn sie sich gerade vor ihm nicht zu schämen brauchte, war es ihr außerordentlich unangenehm. Ben konnte ihre Beklemmung nicht ganz nachvollziehen, da er die Dunkelheit und vor allem die U-Bahn liebte, doch er kannte genügend Situationen, die ihm Angst bereiteten. Um sie nicht weiterhin grübeln zu lassen, sagte er leichthin:
"Keine Ahnung, aber ich denke schon. Immerhin haben Oma und Opa uns zum Kaffee trinken eingeladen und wie haben bereits halb fünf."
Christin nickte, dann schaute sie auf ihre Armbanduhr.
"Hoffentlich bleiben wir nicht zu lang, ich will noch mit Lara telefonieren."
"Wieso? Müsst ihr euch noch über eure Klamottenwahl unterhalten?"
"Ha ha, sehr witzig", entgegnete sie trocken.
"Was feiert Patrick noch mal? Seinen Geburtstag? Oder seinen Namenstag? Oh, vielleicht den Tag, an dem ihm aufgefallen ist, dass er ein Idiot ist?"
Sein Blick war auf ihr Gesicht geheftet und er konnte ihre Mundwinkel zucken sehen. Doch Christin erwiderte mit genervter Stimme:
"Er feiert, weil seine Eltern nicht da sind und sie einen großen Wintergarten haben."
"Nicht so groß wie sein Ego."
Jetzt lachte auch sie.
"Das stimmt."
"Wie viele sind eingeladen?"
"Keine Ahnung. Einige von uns, ein paar aus den höheren Klassen."
"Hoffentlich hat er nicht all seine Facebook-Freunde und Freundes-Freunde eingeladen, sonst trudelt die ganze Stadt ein. Wäre äußerst schade für Frau Mamas Blumenbeete."
Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. Sie hatten die Hälfte des Weges von der U-Bahn-Station bis zur Wohnung ihrer Großeltern bereits hinter sich gebracht und bogen in eine enge Einbahnstraße ab. Links und rechts standen dicht gedrängt die parkenden Autos, wie zwei parallel laufende Würmer in den verschiedensten Farben.
"Du bist doch nur eifersüchtig."
"Was?", rief er gespielt empört.
Christin sah ihn mit heimtückischen Blick an. "Na, weil du nicht eingeladen bist."
Er lachte und hob abwehrend die Hände.
"Glaubst du im Ernst, ich gehe auf eine Party mit vorpubertierenden Jugendlichen, die meinen, sie müssten sich volllaufen lassen? Nein, danke."
"Jetzt hast du dich selbst beleidigt, du vorpubertierenden Jugendlicher", lachte sie ihn aus, dann sagte sie: "Ich vergas, du bist ja schon so erwachsen. Kannst dich zusammen mit Opa über die Weltpolitik unterhalten."
"Erwachsener als manch ein anderer, der sich so auf dem Schulhof tummelt", entgegnete er.
Jetzt musste Christin zustimmend nicken. "Da hast du Recht, was da für Gestalten herum laufen."
"Patrick zum Beispiel."
"Jetzt hör mal auf! Was hast du eigentlich gegen ihn?"
Ben sah sie kurz nachdenklich an, dann sagte er: "Nichts Handfestes."
Ein Auto fiel ihm in den Blick und er nickte in die Richtung des Fords.
"Sie sind schon da."
Christin nickte und sie bogen in den kurzen Weg ein, der durch den kaum vorhandenen Vorgarten bis zur Tür des Reihenhauses führte. Sie betätigten die Klingel und warteten, bis ihnen aufgedrückt wurde. Das Licht im Flur ging flackernd an, oben musste jemand auf den Schalter gedrückt haben. Die Wohnung der Großeltern lag im dritten Stock und Ben und Christin brachten die vielen Treppenstufen hinter sich. Oben angekommen waren sie beide am Schnaufen, Treppenstufen waren doch immer wieder mörderisch.
"Da seid ihr ja!"
Ihre Oma war eine rundliche, betagte Frau in den Achtzigern und genau so, wie man sich eine Großmutter vorstellte: freundlich, immer gut gelaunt und spendierfreudig, wenn es um Schokolade oder zusätzliches Taschengeld ging. Ben umarmte sie und überließ dann Christin das Feld. Er selbst betrat bereits die Wohnung und sah sich kurz um. Nichts hatte sich verändert. Schon seit er denken konnte, waren die Zimmer so eingerichtet gewesen. Über dem normalen Fußboden lagen überall Teppiche verstreut, die Tapeten waren beige mit Blumenmuster. An den Wänden hingen alte, eingerahmte Fotos von seinen Großeltern, als sie noch jünger waren. Auf der Kommode, über der ein hoher Spiegel hing, stand eine Vase mit künstlichen Nelken. Lächelnd ging er auf seinen Großvater zu, der im Türrahmen zum Wohnzimmer stand und umarmte auch ihn.
"Benjamin!"
"Hallo, Opa. Wie geht es dir?"
Er redete mit Absicht laut und verständlich, denn Opa weigerte sich partout, ein Hörgerät zu nutzen. Er überragte Ben noch um einen Kopf, war schmal und trug wie immer eine schwarze Hose und ein hellblaues Hemd. Seine Augen strahlten und weckten in ihm das schöne Gefühl, willkommen zu sein.
"Vier Minus bis Fünf", entgegnete er - eine Standard-Antwort von ihm - und lächelte. "Wie schön, dass du uns besuchst. Und da ist Christin, sie wird mit jedem Mal hübscher."
Er wandte sich Christin zu und Ben betrat das kleine Wohnzimmer, das mit alten Büchern und Bildern vollgepfropft war. Seine Eltern saßen auf der kleinen Couch und lächelten ihn an, als er auf sie zu trat.
"Hey, mein Schatz. Wie war es in der Schule?"
Er umarmte seine Mutter und nickte seinem Vater zu, dann setzte er sich auf den Sessel rechts neben dem Sofa.
"Ganz gut. Schöne Grüße von Tante Annie."
Die drei anderen kamen ins Zimmer und Oma Schenk schüttete allen einen Tee ein. Gerade weil die gemeinsamen Nachmittage seltener wurden, da die Zwillinge immer mehr Zeit in Schule investierten mussten, wurden sie von allen genossen. Es gab Nussecken und schwarzen Tee mit Sahne und Zucker. Außerdem hatte Oma einen Käsekuchen gebacken, ihre Spezialität.
Nach dem vierten Stück lehnte sich Ben in seinem Sessel zurück und stöhnte.
"Noch ein Stück und ich platze."
Oma strahlte; sie war immer glücklich, wenn es ihm so gut schmeckte. Das war der Grund, warum er stets so viel aß. Natürlich schmeckte es ihm auch hervorragend.
Gegen neunzehn Uhr machte sich die vierköpfige Familie auf den Heimweg. Es war bereits dunkel, doch die Straße wurde von eng aneinander stehenden Lampen hell beleuchtet. Die parkenden Autos standen weiterhin dicht an dicht und Bens Vater hatte so seine Mühe, den Kombi aus der Parklücke zu manövrieren.
Schließlich rollte das Auto über das hier und da beschädigte Pflaster; in seinem Inneren schwiegen die Mitfahrenden. Ben war viel zu müde um noch zu reden, daher lehnte er sich so gemütlich wie möglich zurück und gähnte ausgiebig. Die Stimme seiner Mutter ertönte.
"Was habt ihr am Wochenende vor? Thomas und ich wollten morgen Abend vielleicht ins Kino gehen, wollt ihr mit?"
Sie wusste, dass dem nicht so war. Keiner der Filme, die ihre Eltern gut fanden, riss Ben oder Christin vom Hocker und somit schenkte er sich eine Antwort. Christin meldete sich zu Wort.
"Ich bin morgen eingeladen."
"Wo denn?", klinkte sich Thomas ins Gespräch ein.
"Bei Patrick."
Ben sah aus halb geschlossenen Augen, wie ihre Eltern einen Blick tauschten und zwang sich dazu, wieder wach zu werden. Das konnte ein interessantes Gespräch werden. So weit er wusste, waren sie nicht gerade begeistert davon, dass Christin sich mit dem Aufreißer der Stufe abgab. Er selbst war wohl nicht ganz unschuldig daran, denn er hatte eventuell mal ein paar Worte über Patrick verloren. Sein Vater begann nachzufragen.
"Aha. Sind seine Eltern zu Hause?"
"Nein."
Ihre Worte klangen genervt und sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ihre Mutter sah in den Rückspiegel und sah Ben eine Zeitlang an. Er versuchte so unauffällig wie möglich drein zu schauen, doch seine Mutter konnte er nicht täuschen. Ihre Augenbraue schoss nach oben.
"Was meinst du, Carola?", wandte sich Thomas schließlich an seine Frau. Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie mit ruhiger Stimme:
"Ich bin nicht begeistert von der Tatsache, dass kein Erziehungsberechtiger anwesend sein wird."
"Dann gehst du nicht hin", entschied Thomas.
"Was?"
Christin beugte sich nach vorne und funkelte Thomas´ Hinterkopf an, der gerade eben noch über der Kopflehne zu sehen war. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, die Augen zu Schlitzen verengt. Doch wenn sie einmal eine Entscheidung getroffen hatten, waren ihre Eltern meist nicht mehr umzustimmen. Nichtsdestotrotz sagte Christin wütend:
"Was soll das? Was glaubst du denn, was da abgeht? Alle meine Freundinnen gehen da hin. Das ist total unfair!"
"Wenn alle deine Freundinnen vom Dach springen, ..."
"Ach, fang doch nicht wieder mit so etwas an!", fauchte Christin.
"Hör auf, so mit mir zu reden, sonst hast du auch noch Hausarrest", sagte Thomas streng und man konnte hören, dass er sauer wurde.
Ben hob die Hand, um seine Schwester zu beruhigen und setzte zum Sprechen an. Christin tat ihm Leid und er wollte wenigstens versuchen, seine Eltern umzustimmen.
Im nächsten Augenblick geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
Ein Ruck ging durch das Auto, das Dach wurde von etwas Schwerem eingedrückt und Ben schrie auf. Alles drehte sich. Ein erneuter Stoß ließ ihn nach vorne fliegen; sein Sicherheitsgurt riss ihn zurück. Für einen kurzen Augenblick hatte er das Gefühl, schwerelos zu sein; dann brach die Welt über ihn hinein. Metall rieb sich kreischend auf Metall, Scheiben zersplitterten, Scherben flogen umher. Der Lärm war ohrenbetäubend und Ben kniff die Augen zusammen.
So, habe das zweite Kapitel ebenfalls komplett überarbeitet und eure Verbesserungen übernommen. Danke erneut an alle!
EDIT: 25.11.11: Text überarbeitet
EDIT: 04.01.2012: Komplett überarbeitet
LG Semi
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Ein fast normaler Tag
Als sie endlich aussteigen mussten, ließen sie sich vom Strom der anderen Passanten mit treiben. Ben bemerkte, dass sich Christin trotz seiner Annahme, ihr würde das Fahren dieses Mal nicht so viel ausmachen, deutlich entspannte. Doch erst, als sie auch die Rolltreppe hinter sich gelassen hatten und auf die belebte Hauptstraße getreten waren, begann sie heiter zu reden.
"Meinst du, Mama und Papa sind schon da?"
Er wusste, dass sie ihre Unsicherheit zu überspielen versuchte. Es ärgerte sie zutiefst, eingestehen zu müssen, vor etwas lapidarem wie der U-Bahn Angst zu haben. Auch wenn sie sich gerade vor ihm nicht zu schämen brauchte, war es ihr außerordentlich unangenehm. Ben konnte ihre Beklemmung nicht ganz nachvollziehen, da er die Dunkelheit und vor allem die U-Bahn liebte, doch er kannte genügend Situationen, die ihm Angst bereiteten. Um sie nicht weiterhin grübeln zu lassen, sagte er leichthin:
"Keine Ahnung, aber ich denke schon. Immerhin haben Oma und Opa uns zum Kaffee trinken eingeladen und wie haben bereits halb fünf."
Christin nickte, dann schaute sie auf ihre Armbanduhr.
"Hoffentlich bleiben wir nicht zu lang, ich will noch mit Lara telefonieren."
"Wieso? Müsst ihr euch noch über eure Klamottenwahl unterhalten?"
"Ha ha, sehr witzig", entgegnete sie trocken.
"Was feiert Patrick noch mal? Seinen Geburtstag? Oder seinen Namenstag? Oh, vielleicht den Tag, an dem ihm aufgefallen ist, dass er ein Idiot ist?"
Sein Blick war auf ihr Gesicht geheftet und er konnte ihre Mundwinkel zucken sehen. Doch Christin erwiderte mit genervter Stimme:
"Er feiert, weil seine Eltern nicht da sind und sie einen großen Wintergarten haben."
"Nicht so groß wie sein Ego."
Jetzt lachte auch sie.
"Das stimmt."
"Wie viele sind eingeladen?"
"Keine Ahnung. Einige von uns, ein paar aus den höheren Klassen."
"Hoffentlich hat er nicht all seine Facebook-Freunde und Freundes-Freunde eingeladen, sonst trudelt die ganze Stadt ein. Wäre äußerst schade für Frau Mamas Blumenbeete."
Ein Grinsen huschte über ihr Gesicht. Sie hatten die Hälfte des Weges von der U-Bahn-Station bis zur Wohnung ihrer Großeltern bereits hinter sich gebracht und bogen in eine enge Einbahnstraße ab. Links und rechts standen dicht gedrängt die parkenden Autos, wie zwei parallel laufende Würmer in den verschiedensten Farben.
"Du bist doch nur eifersüchtig."
"Was?", rief er gespielt empört.
Christin sah ihn mit heimtückischen Blick an. "Na, weil du nicht eingeladen bist."
Er lachte und hob abwehrend die Hände.
"Glaubst du im Ernst, ich gehe auf eine Party mit vorpubertierenden Jugendlichen, die meinen, sie müssten sich volllaufen lassen? Nein, danke."
"Jetzt hast du dich selbst beleidigt, du vorpubertierenden Jugendlicher", lachte sie ihn aus, dann sagte sie: "Ich vergas, du bist ja schon so erwachsen. Kannst dich zusammen mit Opa über die Weltpolitik unterhalten."
"Erwachsener als manch ein anderer, der sich so auf dem Schulhof tummelt", entgegnete er.
Jetzt musste Christin zustimmend nicken. "Da hast du Recht, was da für Gestalten herum laufen."
"Patrick zum Beispiel."
"Jetzt hör mal auf! Was hast du eigentlich gegen ihn?"
Ben sah sie kurz nachdenklich an, dann sagte er: "Nichts Handfestes."
Ein Auto fiel ihm in den Blick und er nickte in die Richtung des Fords.
"Sie sind schon da."
Christin nickte und sie bogen in den kurzen Weg ein, der durch den kaum vorhandenen Vorgarten bis zur Tür des Reihenhauses führte. Sie betätigten die Klingel und warteten, bis ihnen aufgedrückt wurde. Das Licht im Flur ging flackernd an, oben musste jemand auf den Schalter gedrückt haben. Die Wohnung der Großeltern lag im dritten Stock und Ben und Christin brachten die vielen Treppenstufen hinter sich. Oben angekommen waren sie beide am Schnaufen, Treppenstufen waren doch immer wieder mörderisch.
"Da seid ihr ja!"
Ihre Oma war eine rundliche, betagte Frau in den Achtzigern und genau so, wie man sich eine Großmutter vorstellte: freundlich, immer gut gelaunt und spendierfreudig, wenn es um Schokolade oder zusätzliches Taschengeld ging. Ben umarmte sie und überließ dann Christin das Feld. Er selbst betrat bereits die Wohnung und sah sich kurz um. Nichts hatte sich verändert. Schon seit er denken konnte, waren die Zimmer so eingerichtet gewesen. Über dem normalen Fußboden lagen überall Teppiche verstreut, die Tapeten waren beige mit Blumenmuster. An den Wänden hingen alte, eingerahmte Fotos von seinen Großeltern, als sie noch jünger waren. Auf der Kommode, über der ein hoher Spiegel hing, stand eine Vase mit künstlichen Nelken. Lächelnd ging er auf seinen Großvater zu, der im Türrahmen zum Wohnzimmer stand und umarmte auch ihn.
"Benjamin!"
"Hallo, Opa. Wie geht es dir?"
Er redete mit Absicht laut und verständlich, denn Opa weigerte sich partout, ein Hörgerät zu nutzen. Er überragte Ben noch um einen Kopf, war schmal und trug wie immer eine schwarze Hose und ein hellblaues Hemd. Seine Augen strahlten und weckten in ihm das schöne Gefühl, willkommen zu sein.
"Vier Minus bis Fünf", entgegnete er - eine Standard-Antwort von ihm - und lächelte. "Wie schön, dass du uns besuchst. Und da ist Christin, sie wird mit jedem Mal hübscher."
Er wandte sich Christin zu und Ben betrat das kleine Wohnzimmer, das mit alten Büchern und Bildern vollgepfropft war. Seine Eltern saßen auf der kleinen Couch und lächelten ihn an, als er auf sie zu trat.
"Hey, mein Schatz. Wie war es in der Schule?"
Er umarmte seine Mutter und nickte seinem Vater zu, dann setzte er sich auf den Sessel rechts neben dem Sofa.
"Ganz gut. Schöne Grüße von Tante Annie."
Die drei anderen kamen ins Zimmer und Oma Schenk schüttete allen einen Tee ein. Gerade weil die gemeinsamen Nachmittage seltener wurden, da die Zwillinge immer mehr Zeit in Schule investierten mussten, wurden sie von allen genossen. Es gab Nussecken und schwarzen Tee mit Sahne und Zucker. Außerdem hatte Oma einen Käsekuchen gebacken, ihre Spezialität.
Nach dem vierten Stück lehnte sich Ben in seinem Sessel zurück und stöhnte.
"Noch ein Stück und ich platze."
Oma strahlte; sie war immer glücklich, wenn es ihm so gut schmeckte. Das war der Grund, warum er stets so viel aß. Natürlich schmeckte es ihm auch hervorragend.
Gegen neunzehn Uhr machte sich die vierköpfige Familie auf den Heimweg. Es war bereits dunkel, doch die Straße wurde von eng aneinander stehenden Lampen hell beleuchtet. Die parkenden Autos standen weiterhin dicht an dicht und Bens Vater hatte so seine Mühe, den Kombi aus der Parklücke zu manövrieren.
Schließlich rollte das Auto über das hier und da beschädigte Pflaster; in seinem Inneren schwiegen die Mitfahrenden. Ben war viel zu müde um noch zu reden, daher lehnte er sich so gemütlich wie möglich zurück und gähnte ausgiebig. Die Stimme seiner Mutter ertönte.
"Was habt ihr am Wochenende vor? Thomas und ich wollten morgen Abend vielleicht ins Kino gehen, wollt ihr mit?"
Sie wusste, dass dem nicht so war. Keiner der Filme, die ihre Eltern gut fanden, riss Ben oder Christin vom Hocker und somit schenkte er sich eine Antwort. Christin meldete sich zu Wort.
"Ich bin morgen eingeladen."
"Wo denn?", klinkte sich Thomas ins Gespräch ein.
"Bei Patrick."
Ben sah aus halb geschlossenen Augen, wie ihre Eltern einen Blick tauschten und zwang sich dazu, wieder wach zu werden. Das konnte ein interessantes Gespräch werden. So weit er wusste, waren sie nicht gerade begeistert davon, dass Christin sich mit dem Aufreißer der Stufe abgab. Er selbst war wohl nicht ganz unschuldig daran, denn er hatte eventuell mal ein paar Worte über Patrick verloren. Sein Vater begann nachzufragen.
"Aha. Sind seine Eltern zu Hause?"
"Nein."
Ihre Worte klangen genervt und sie verschränkte ihre Arme vor der Brust. Ihre Mutter sah in den Rückspiegel und sah Ben eine Zeitlang an. Er versuchte so unauffällig wie möglich drein zu schauen, doch seine Mutter konnte er nicht täuschen. Ihre Augenbraue schoss nach oben.
"Was meinst du, Carola?", wandte sich Thomas schließlich an seine Frau. Sie schwieg eine Weile, dann sagte sie mit ruhiger Stimme:
"Ich bin nicht begeistert von der Tatsache, dass kein Erziehungsberechtiger anwesend sein wird."
"Dann gehst du nicht hin", entschied Thomas.
"Was?"
Christin beugte sich nach vorne und funkelte Thomas´ Hinterkopf an, der gerade eben noch über der Kopflehne zu sehen war. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt, die Augen zu Schlitzen verengt. Doch wenn sie einmal eine Entscheidung getroffen hatten, waren ihre Eltern meist nicht mehr umzustimmen. Nichtsdestotrotz sagte Christin wütend:
"Was soll das? Was glaubst du denn, was da abgeht? Alle meine Freundinnen gehen da hin. Das ist total unfair!"
"Wenn alle deine Freundinnen vom Dach springen, ..."
"Ach, fang doch nicht wieder mit so etwas an!", fauchte Christin.
"Hör auf, so mit mir zu reden, sonst hast du auch noch Hausarrest", sagte Thomas streng und man konnte hören, dass er sauer wurde.
Ben hob die Hand, um seine Schwester zu beruhigen und setzte zum Sprechen an. Christin tat ihm Leid und er wollte wenigstens versuchen, seine Eltern umzustimmen.
Im nächsten Augenblick geschahen mehrere Dinge gleichzeitig.
Ein Ruck ging durch das Auto, das Dach wurde von etwas Schwerem eingedrückt und Ben schrie auf. Alles drehte sich. Ein erneuter Stoß ließ ihn nach vorne fliegen; sein Sicherheitsgurt riss ihn zurück. Für einen kurzen Augenblick hatte er das Gefühl, schwerelos zu sein; dann brach die Welt über ihn hinein. Metall rieb sich kreischend auf Metall, Scheiben zersplitterten, Scherben flogen umher. Der Lärm war ohrenbetäubend und Ben kniff die Augen zusammen.