Die Sieben Pforten
Kapitelübersicht:
Prolog
Kapitel 1: Freitag, der Dreizehnte
Kapitel 2: Ein fast normaler Tag
Kapitel 3: Das seltsame Wesen
Prolog
Kapitel 1: Freitag, der Dreizehnte
Kapitel 2: Ein fast normaler Tag
Kapitel 3: Das seltsame Wesen
Was bisher geschah:
Die Zwillinge Ben und Christin werden von einem unheimlichen Wesen verfolgt und können sich nur mit knapper Not in die U-Bahn retten.
Ein Rückblick soll zeigen, was geschehen war.
Ein ganz normaler Schultag endet für die beiden Zwillinge mit der Verabschiedung ihrer Tante Annie, die sogleich ihre Mathematiklehrerin ist. Mit der U-Bahn fahren sie zu den Großeltern, wo sie auch auf ihre Eltern stoßen.
Auf der Rückfahrt hat die Familie einen Autounfall, bei dem die Eltern schwer verletzt werden.
Christin erleidet eine Platzwunde an der Stirn, doch sowohl sie als auch Ben können aus dem Auto aussteigen; Ben ruft den Notarzt.
Während sie warten, sehen sie die Umrisse eines Wesens mit Hasenohren.
Die Zwillinge Ben und Christin werden von einem unheimlichen Wesen verfolgt und können sich nur mit knapper Not in die U-Bahn retten.
Ein Rückblick soll zeigen, was geschehen war.
Ein ganz normaler Schultag endet für die beiden Zwillinge mit der Verabschiedung ihrer Tante Annie, die sogleich ihre Mathematiklehrerin ist. Mit der U-Bahn fahren sie zu den Großeltern, wo sie auch auf ihre Eltern stoßen.
Auf der Rückfahrt hat die Familie einen Autounfall, bei dem die Eltern schwer verletzt werden.
Christin erleidet eine Platzwunde an der Stirn, doch sowohl sie als auch Ben können aus dem Auto aussteigen; Ben ruft den Notarzt.
Während sie warten, sehen sie die Umrisse eines Wesens mit Hasenohren.
Kapitel 4: Im Krankenhaus
Sie waren im Krankenhaus. Die Polizei und zwei Krankenwagen waren nach zehn Minuten am Unfallort aufgetaucht und hatten die eingeklemmten Verletzten aus dem Wrack befreit. Es war alles unglaublich schnell gegangen und Ben begann erst jetzt, eine Stunde später, langsam die Geschehnisse zu realisieren. Nach und nach rauschten die verschiedensten Gefühle durch seinen Körper, die ihn in all ihrer Fülle schwindeln ließen. Ein Autounfall. Er selber hatte nur blaue Flecken davon getragen, Christin war noch im Behandlungszimmer.
Seine Eltern wurden notoperiert.
Eine Tür ging auf und Bens Kopf schnellte hoch. Seine Schwester betrat den Flur und er ging auf sie zu. Ihr Gesicht war unheimlich blass, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen gepresst. Die linke Schläfe war mit einem weißen Pflaster bedeckt. Ohne ein Wort führte Ben sie mit sanften Druck auf dem Oberarm zu den Wartestühlen.
Nach einigen Minuten des Schweigens, in denen die beiden sich lediglich an der Hand hielten und Ben ins Nichts starrte, drehte sie ihren Kopf zu ihm und öffnete den Mund.
"Ich habe Angst."
Er versuchte vergeblich, gegen einen dicken Kloß in seinem Hals anzukämpfen, als er stumm nickte und sie in seinen Arm zog. Auch ihm flossen Panik und Furcht wie Blut durch seine Venen, pochten mit jedem Herzschlag fester und schmerzhafter gegen die Brust.
"Chris! Ben!"
Annie eilte den Gang entlang auf sie zu. Ihr Gesicht war genauso blass wie das Christins und man konnte Verwirrung und Panik in ihren Augen lesen. Ben stand mit wackligen Beinen auf und zog Christin mit sich. Tante Annie nahm sie wortlos in den Arm.
Für eine kurze Zeit fiel ein kleines Bisschen der riesigen Last ab, die Ben auf seinen Schultern spürte. Doch der Augenblick war schnell vorüber. Annie sah sie an, tausende Fragen in ihrem Blick.
Mit dünn klingender Stimme sagte Christin:
"Sie operieren die beiden noch. Aber ... sie wissen nicht, ob sie durchkommen."
Dann ließ sie sich mit einem Seufzer in den Stuhl sinken und zog ihre Beine an. Ihr Kopf sank auf die Knie. Die nunmehr offenen Haare fielen wie ein Schleier nach vorne und verdeckten das Pflaster.
Auch Tante Annie wurde noch blasser als zuvor und drückte den Autoschlüssel in ihrer Hand fester zusammen. Ihre Knöchel traten weiß hervor und Ben konnte nur erahnen, wie sie sich gerade fühlte. Schweigend setzten sie sich rechts und links neben Christin. Ben legte seine Hand auf ihren Rücken. Sie reagierte nicht.
Die Zeit verstrich nur langsam. Mittlerweile war es neun Uhr abends, ab und an eilten Schwestern an ihnen vorbei. Während sie auf die erlösende Nachricht warteten, dass es ihren Eltern gut ging, wurde Ben nervös und knetete seine Finger. Wurden sie wieder gesund? Sie mussten wieder gesund werden. Ben konnte es sich nicht vorstellen, geschweige denn überhaupt in Gedanken fassen, wie es wäre, wenn sie nicht mehr da wären. Das überstieg seine Vorstellungskraft und er versuchte nicht weiter dran zu denken.
Eine eisige Hand legte sich auf seine und er sah zu Christin, die ihm ihren Kopf zugewandt hatte. In ihren Augen konnte er die Entschlossenheit und Sturheit erkennen, die sie auszeichneten.
"Sie schaffen das schon", flüsterte sie und er nickte.
Als endlich ein hoch gewachsener Mann Ende Vierzig aus einer Tür hinaus trat, sprangen sie beide auf und gingen einige Schritte auf ihn zu, Annie direkt hinter ihnen.
Ihre Blicke trafen sich. Es war, als würde Ben am Abgrund einer tiefen Felsspalte stehen. Entweder würde er hinab fallen und in Schmerzen vergehen oder das Loch schloss sich und alles würde gut werden. Sein Herz raste. Das Gesicht des Mannes war undurchschaubar, Ben konnte in seiner Angst und Verzweiflung nicht erkennen, was er ihm sagen würde.
Als er schließlich sprach, schloss Ben seine Augen. Die Worte des Arztes drangen langsam in sein Gehirn vor, sickerten in jede Ecke und füllten ihm mit diesem einen Gedanken: Sie werden wieder gesund.
Wie durch einen Schleier hörte er nichts mehr von dem, was der Mann von sich gab. Ben taumelte rückwärts und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Gefühle rauschten durch seinen Körper, als hätte er nach all der Zeit des Wartens einiges nachzuholen. Hände umfassten ihn, zogen ihn zur Seite. Der Knoten in seiner Brust löste sich und trat in Form von Tränen aus seinen geschlossenen Lidern hervor.
Sein Blick war verquollen, als er die Augen öffnete und erkannte, dass Christin ihn festgehalten hatte. Neben ihr saß Annie, mit einem erleichterten Blick ins Nichts starrend.
"Ich sag doch, sie schaffen das", sagte Christin leise und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln, was er endlich schaffte zu erwidern. Seine Lippen waren spröde und rissen an einigen Stellen auf, aber das kümmerte ihn nicht.
"Kinder?"
Sie drehten sich Annie zu, die sie mit müden Augen anblickte. In diesem Moment realisierte Ben erst, dass auch sie beinahe ihre Schwester verloren hätte. Angst schoss durch seinen Körper und es schwindelte ihn, als er für einen kurzen Augenblick ein Schreckensbild vor sich sah: seine eigene Zwillingsschwester in einem einsamen Grab.
Schnell überbrückte er den letzten Abstand zwischen Annie und sich, dann fielen sie sich beide in den Arm. Auch Christin gesellte sich zu ihnen und Anni drückte sie einmal fest.
"Wie sollten gehen. Ihr schlaft heute Nacht bei mir. Eure Eltern werden frühestens morgen Mittag wach, dann können wir sie besuchen."
Ihre Stimme klang ruhig und gefasst und Ben löste sich aus der Umarmung. Ohne ein weiteres Wort zu wechseln legte er einen Arm um Christin und gemeinsam gingen die Drei aus dem Krankenhaus.
Sobald er einen Schritt aus der hell beleuchteten Eingangstür tätigte, spürte er es. Ein bedrückendes Gefühl. Als würde ihn jemand beobachten, fixieren. Der Kloß kehrte in Bens Hals zurück, er blieb stehen. Zum ersten Mal seit einer halben Stunde hatte er wieder das Bild des seltsamen Wesens vor Augen.
Was war das? Woher kam auf einmal dieses Gefühl?
Erst als Christin ihn weiter zog, setzten sich seine Beine in Bewegung. Der Weg zum Parkplatz war nicht weit, aber die Zeit dehnte sich ins Unermessliche. Immer wieder sah Ben sich um, konnte aber nichts entdecken. Vor dem Krankenhaus standen ein paar Patienten in weißen Zweiteilern, die das Rauchverbot nach draußen verbannt hatte.
Der Parkplatz war nahezu leer, nur noch wenige Autos standen in der Düsternis. Das seltsame Gefühl blieb an Ben haften wie Kaugummi an der Schuhsohle. Annie schloss die Tür ihres Opels auf und ließ sich hinein fallen. Der Anblick des Kraftwagens ließ Ben zögern, er blieb erneut stehen. Doch dieses Mal war es nicht das Gefühl, beobachtet zu werden. Für eine kurze Zeit vergaß er diese Beunruhigung. Christin warf ihm einen fragenden Blick zu, den er erwiderte. In ihren Augen las er die gleichen Sorgen, die auch sein Herz schneller schlagen ließen. Doch ihre nächste Aussage überraschte ihn.
"Es war kein Unfall."
Verwirrt sah er zu ihr. Sie schwieg. Ben gab sich einen Ruck und zusammen setzten sie sich auf die Hinterbank. Auch wenn Ben wusste, dass Annie überaus vorsichtig fuhr, hämmerte sein Herz, als sie den Zündschlüssel drehte.
Etwas Kaltes berührte seine Hand und er zuckte zusammen, bevor er die Finger Christins um seine gelegt spürte. Beruhigter drehte er seine Handfläche nach oben und drückte sie. Das beklemmende Gefühl verschwand so plötzlich, wie es gekommen war, als das Auto vom Parkplatz auf die Straße bog. Zurück blieb nur das schnelle Herzklopfen, als sie bremste, in die Kurve fuhr oder Gas gab.
Annie wohnte im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses, am anderen Ende der Stadt. Schnell bezog sie das Gästebett und ein neben stehendes Feldbett, damit die Kinder schlafen konnten. Ben ging derweil ins Bad. Sein Spiegelbild wirkte gehetzt, seine Augen huschten unruhig hin und her. Die kurzen Locken waren von getrocknetem Schweiß verklebt.
Jetzt, da er sicher in der Wohnung war, kam ihm alles so absurd vor. Was war geschehen? War es wirklich kein Unfall gewesen? Doch was war dann geschehen?
Nachdenklich schlurfte er ins Gästezimmer. Annie sah zu ihm und sagte dann mit dem Anflug eines Lächelns:
"Ihr solltet euch schlafen legen. Es war ein langer Tag."
Beim Hinausgehen schloss sie behutsam die Türe. Die beiden Jugendlichen lauschten ihren Schritten, die sich leise entfernten. Das Bett war weich und bequem. Sofort spürte Ben eine bleierne Müdigkeit, die von seinen Gliedern Besitz ergriff. Eine lauernde Schwere drückte auf seine Lider, aber er gab ihrem Drängen nicht nach.
Er drehte sich zur Seite und sah sich Aug in Aug mit seiner Schwester. Mit offenen Augen starrte sie zu ihm, auf dem zweiten Bett liegend. Sie war immer noch blass.
"Was denkst du?"
Ihre Stimme war leise und flehend. Hoffend auf eine Antwort, die sie beruhigen würde. Leider konnte Ben sie ihr nicht geben.
"Da war etwas."
Er sah das kurze Flackern in ihren Augen, dann schlossen sich die unruhig zuckenden Lider. Auch Ben kroch es kalt den Rücken hinauf. Es war ein Unterschied. Sich solche Dinge in Gedanken vorzustellen, war eine Sache; sie laut auszusprechen, eine ganz andere. Sofort wurde es real.
Christin hatte ihre Augen wieder geöffnet, ein undefinierbarer Ausdruck lag in ihnen.
"Aber was war es?"
"Ich weiß es nicht."
Stille legte sich wie eine Decke über sie. Von draußen waren ab und an Motorengeräusche zu hören. Ben lauschte. Ihm kam das Flüstern wieder in den Sinn; Gänsehaut bedeckte seinen kompletten Körper und es schüttelte ihn leicht.
"Es war grausam."
In ihrem Blick las er, dass auch ihre Gedanken zu dem Geräusch gewandert waren. Ihre Stimme zitterte und ihre Augen starrten an die dunkle Decke. Ben stand auf und setzte sich auf ihre Bettkante. Christin rückte zur Seite und er legte sich neben sie. Die warme Decke zogen sie bis unters Kinn, dann legte sich Ben seitlich. Mit seinem linken Arm umfasste er ihren rechten und zog sie an sich. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust.
"Ich weiß."
Er erkannte in ihrem Tonfall etwas, was ihm einen größeren Schrecken einjagte wie er gedacht hätte: Christin hatte Angst. Normalerweise war er derjenige, der sich schneller fürchtete. Ihre Gefühle machten ihm klar, dass sich etwas verändert hatte. Sir saßen beide im selben Boot.
******************
Frage:
Da ich alle Kapitel überarbeitet habe, hoffe ich doch, dass man es in diesem auch erkennen kann: Ich habe den Charakter von Christin komplett überarbeitet. So gefällt sie mir tausend Mal besser. Was meint ihr dazu? Freu mich schon auf eure Meinungen.
LG Semi