Vielleicht erkennt der ein oder andere Eliah. Einige Szenen stehen schon auf der Spielwiese und durch einige Motivations-Projekte hat er mich auch begleitet.
Mondalphabet
Prolog - Mittendrin
Eliah war sich sicher: Wenn es einen Gott gab, dann war er ein Spieler. Ein Schachspieler. Jemand, der mit menschlichen Figuren agierte. Er hatte das Gefühl, dass er selbst eine völlig unbedeutende Figur in diesem Spiel war. Ein Bauer, den man einfach opfern konnte.
Ratlos saß Eliah auf seinem Sofa und starrte die Thermoskanne an, die vor ihm auf dem Tisch stand. Silbrig, modern glänzte sie vor sich hin. In ihrer einfachen zylindrischen Form fiel es ihr nicht schwer seine Blicke zu ignorieren. Entschlossen griff er nach ihr und schraubte den Deckel ab. Gespannt wartete er darauf, dass etwas geschah. Er erwartete alles mögliche von einem Blitzschlag, bis zu einem plötzlichen Herzanfall traute er dem Alten alles zu. Aber es geschah nichts. Auf alles gefasst wollte er ebenso leicht den Verschluss im Inneren aufschrauben, doch so sehr er sich auch mühte, zog und zerrte, die Thermoskanne ließ sich nicht öffnen.
„Vielleicht sollte ich auf den nächsten Vollmond warten.“ Ärgerlich wollte er schon das silbrige Ding in die nächste Ecke werfen, überlegte es sich aber dann doch anders und stellte sie stattdessen wieder auf dem Couchtisch ab.
Später versuchte er es noch einmal. Es war wie Magie. Das Mondlicht umfing Eliah silbrig, tauchte die Welt in Grau. Als ob der Verschluss durch einen Zauber gelöst worden wäre, ließ sich die Thermoskanne plötzlich ganz leicht öffnen. Eliahs Herz tat einen Sprung. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, wusste er nicht, ob er das Geheimnis dieses Gefäßes überhaupt erkunden durfte oder nicht. Vorsichtig spähte er hinein. Gleichzeitig kam er sich recht albern vor. Es war nur eine Thermoskanne. Was konnte schon gefährliches darin sein? Schließlich hatten sie ihm das Ding erst vor wenigen Tagen anvertraut. Er hob die Kanne näher vor seine Augen. Das Mondlicht war zu schwach, es erhellte den Raum nicht genug. Er schaltete die Lampe neben dem Sofa ein. Für einen Moment musste er blinzeln, aber dann konnte er erkennen, dass ein Stück Papier darin lag. Eliah stutzte. Er sollte ein Blatt mit sich herum tragen? Neugierig geworden schob er zwei Finger in die Kanne und irgendwie gelang es ihm, trotz der schmalen Öffnung, die Papierrolle herauszuholen. Sie fühlte sich alt und trocken an. Beinahe wie ein Stück Stoff. Pergamentartig und staubig. Vorsichtig rollte er das Pergament auf. Im Licht des abnehmenden Mondes zeigten sich ihm seltsame Schriftzeichen. Es musste sich um eine Sprache handeln, aber er verstand sie nicht. Die Symbole wirkten alt, geheimnisvoll und – ihm viel kein anderes Wort ein – magisch. Er konnte sich keinen Reim darauf machen und während er vorsichtig das Pergament wieder zusammenrollte und in die Thermoskanne schob, überlegte er, ob er Maxwell danach fragen sollte. Sollte es ihm aber nicht erlaubt gewesen sein, die Kanne zu öffnen, würde sein Vorgesetzter nicht erfreut sein. Eliah beschloss den richtigen Moment abzuwarten. Entweder würde er sich eines Tages ergeben oder nicht. Oder ich werde vorher deswegen umgebracht.
1. Kapitel - Zuvor
Eliah betrat das Arbeitszimmer seines neuen Vorgesetzen um Viertel nach drei. Nervös ließ er sich auf den ihm zugewiesenen Stuhl sinken. Der alte Herr, der ihm als Maxwell vorgestellt worden war, würdigte ihn eines kurzen Blickes, dann wandte er sich wieder den Papieren auf dem Schreibtisch zwischen ihnen zu.
„Der genaue Zeitpunkt, wann Ihr Arbeitsvertrag beginnt, wäre natürlich noch zu terminieren.“ Eliah musste schlucken. Er hatte heute morgen bereits mehrere Tassen Kaffee getrunken, dennoch fühlte er sich nicht im Stande solch langen Sätzen geistig zu folgen. Aber er nickte brav und hoffte, dass das von ihm erwartet wurde. Schwungvoll kritzelte sein Gegenüber eine Notiz. Mit einer Feder. Das erschien Eliah seltsam. So wie der Raum, der nur von Kerzen erhellt, das Pergament, auf dem geschrieben wurde und erst recht der weißhaarige, runzelige Mann ihm gegenüber, der offensichtlich versuchte mit Methusalem zu konkurrieren. Eliah blinzelte. Er musste sich konzentrieren, gleich würde er seinen Arbeitsvertrag unterschreiben.
„Der Vertrag gilt ab morgen. Ist Ihnen das recht?“ Eliah nickte. Akribisch genau, las er seinen Vertrag durch. Das Gefühl von Endgültigkeit lag in der stickigen Luft und doch wusste er, dass er unterschreiben würde, kaum, dass er das Wort „Arbeitsvertrag“ gelesen hatte.
Eliah setzte seine Unterschrift unter das Dokument. Die Spannung der letzten Tage fiel von ihm ab. Wie im Nebel hatte er die seltsamen Einstellungstests absolviert. Als er das Zimmer verließ war es immer noch Viertel nach drei.
Maxwell sah ihn ernst an.
„Eliah, warum gehen die wichtigsten Schätze immer verloren? Bücher, Juwelen, Reliquien, alles Mögliche verschwindet im Strudel der Zeit, in den Nebeln der Jahrhunderte. Sollte man nicht besser auf solche Dinge aufpassen? Ihnen einen Wächter zur Seite stellen? Die Antwortet darauf lautet natürlich: Ja.“
Gestern hatte er seinen Arbeitsvertrag unterschrieben, heute saß er vor einer silbernen Thermoskanne, die aussah, wie alle anderen auch. Zuerst dachte er, Maxwell würde sich einen heißen Tee einschenken und fragte sich, warum er sich keinen von seiner Assistentin bringen ließ. Aber als diese den beiden Kaffee eingoß, wurde alles noch undurchsichtiger.
„Du darfst sie nicht aus den Augen lassen.“ Maxwell durchbohrte ihn mit seinen unergründlichen Augen. Sie zeigten keine Spur des Alters. Eliah wurde nervös.
„Du musst ihre Spur verwischen. Immer in Bewegung bleiben.“ Gerade wollte Eliah fragen, warum er die Thermoskanne nicht einfach in seine Küche stellen konnte, als sich diese Frage durch Maxwells strengen Blick erübrigt hatte.
„Wieso zerstören wir nicht einfach …“, er überlegte, wusste nicht was darin war, „… ihren Inhalt?“ Maxwell schüttelte in einer fließenden Bewegung den Kopf. Mehr sagte er nicht und mehr traute sich Eliah nicht zu fragen.
„Etwas, das stillsteht kann gefunden werden. Etwas, das sich bewegt weitaus schwerer.“ Ob diese Weisheit vielleicht aus einem Glückskeks stammte? Eliah ließ dies Frage lieber unausgesprochen.
„Und ich soll jetzt …“, er warf einen kritischen Blick auf das silbrige Gefäß, über dessen Wichtigkeit er sich nicht im Klaren war. „… mit diesem Ding durch die Gegend fahren?“ Er versuchte nicht allzu viel Unglauben in seine Stimme zu legen, aber er befürchtete, dass ihm das nicht ganz gelang. Maxwells Blick blieb ernst. Stumm nickte er.
Die Nacht war kalt. Eliah musste die Heizung seines Wagens voll aufdrehen. Doch es dauerte einige Minuten, bis er die warme Luft auf seinem Gesicht spüren konnte. Das kann ja heiter werden, dachte er, während er auch die Scheinwerfer einschaltete. Heute Nacht würde er seine reguläre Runde fahren und die üblichen Plätze kontrollieren, wie auch in den vergangenen Monaten. Während er an der letzten Ampel in der Stadt wartete, dass sie ihn weiterfahren ließ klopfte er ungeduldig auf sein Lenkrad. Er fühlte sich wohler, wenn er die Betonbauten hinter sich gelassen hatte. Wenn ihn nichts anderes umgab, als die Schwärze der Nacht und vielleicht ein paar Bäume.
Er seufzte. Es war seine Aufgabe und er musste sie erfüllen. Egal was geschah. Tief in diese Gedanken über seine Arbeit versunken erreichte er den ersten Parkplatz. Leer. Natürlich war er leer. Wenn Mitternacht vorbei war, trieb sich niemand mehr auf der Landstraße herum und schon gar nicht auf diesen asphaltierten Flächen, auf denen sich nichts befand.
Der Regen hatte ihn eingeholt. In wilden Bächen ergoß er sich über seine Windschutzscheibe und Eliah hatte die Befürchtung in seinem Auto ertrinken zu müssen, sollte sich irgendwo eine undichte Stelle befinden. Er spähte über den Parkplatz in die Nacht hinaus. Kalter, nasser Asphalt - sonst nichts. Am Rande seines Bickfeldes standen ein paar Bäume. Er konnte sich daran erinnern, dass er im Sommer gerne darunter gestanden hatte, um eine Pause zu machen. Sie hatten ihm kühlenden Schatten gespendet und er hatte den Menschen zugesehen, die ebenfalls eine Rast eingelegt hatten. Kinderlachen kam ihm in den Sinn und Frauen, die in stoffarmen Kleidern über den Asphalt stöckelten. Er konnte den Sommerwind riechen, der den Geruch von Gras mit sich brachte, Wärme und Benzin. Eliah musste blinzeln, musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren. Er hatte nicht bemerkt, dass ein weiteres Auto auf den Parkplatz gefahren war. Es war an ihm vorbei gerollt und Eliah konnte die roten Rücklichter vor sich sehen. Kaum war es zum Stehen gekommen, flog auch schon die Tür des Fahrers auf und ein Mann stieg aus. Eliah wappnete sich innerlich. Es war noch nie vorgekommen, dass er jemandem begegnet war. Der Mann musste zuvor einen grauen Anzug getragen haben, denn seine Hose hatte diese Farbe. Kaum hatte er sein Auto verlassen, da war sein weißes Hemd auch schon von Regentropfen durchtränkt und klebte ihm am Oberkörper. Mit großen Schritten kam der Fremde auf ihn zu. Blitzartig schossen Gedanken durch Eliahs Kopf. Was konnte er tun? Den Zündschlüssel herumdrehen und einfach losfahren? In seiner Panik würde er wahrscheinlich gegen das andere Auto fahren. Aussteigen und weglaufen? Nein, weglaufen war keine Option. Reflexartig griff Eliah nach der Thermoskanne. Maxwell vertraute ihm, er durfte ihn nicht enttäuschen. Noch bevor er einen Plan schmieden konnte, hatte der Fremde ihn erreicht und riss die Fahrertür auf. Der Regen wurde zu ihm hineingeweht und befeuchtete sein Hosenbein.
„Was willst du?“ Er wollte noch so viel mehr wissen, aber ihm blieb keine Zeit, um danach zu fragen. Der Fremde antwortete nicht. Stattdessen schob er seinen Arm zu ihm hinein, packte ihn am Kragen und zerrte ihn zu sich hinaus in die kalte, feuchte Nacht. Eliah presste die Thermoskanne an seine Brust. Sie war das Einzige, an das er denken konnte. Der Regen durchnässte ihn schnell, floß ihm von der Stirn in die Augen und nahm ihm die Sicht. Der Fremde starrte ihn an und presste ihn gegen das Auto. Eliah konnte die noch warme Motorhaube in seinem Rücken spüren.
„Wo ist es?“ Die Worte rollten knarzend aus dem Mund des Fremden, als ob er selten sprach. Eliah presste die Thermoskanne weiter an seine Brust und versuchte sich mit Unwissenheit zu retten.
„Ich weiss nicht was sie meinen.“ Ohne Vorwarnung schlug ihm der Fremde die geballte Faust gegen den Unterkiefer. Eliahs Zähne klapperten aufeinander und er presste die Lippen zusammen. Er würde sich den Schmerz nicht anmerken lassen.
„Wo ist es?“, knarzte es noch einmal. Eliah schüttelte den Kopf. Der Faustschlag traf ihn unvorbereitet ins Gesicht. Seine Wahrnehmung schwankte. Plötzlich glaubte er das Schlagen von Türen zu hören und sich nähernde Schritte.
„Wo ist es?“ Das Knarzen war nun näher an seinem Ohr. Gefährlich nahe. Dann tauchten zwei weitere Gesichter in seinem Blickfeld auf.
„Er wird schon reden“, sagte einer beiden und hob die Faust. Ein stechender Schmerz explodierte in Eliahs Gesicht, dann umpfing ihn eine gnädige Ohnmacht.
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Mondalphabet
Prolog - Mittendrin
Eliah war sich sicher: Wenn es einen Gott gab, dann war er ein Spieler. Ein Schachspieler. Jemand, der mit menschlichen Figuren agierte. Er hatte das Gefühl, dass er selbst eine völlig unbedeutende Figur in diesem Spiel war. Ein Bauer, den man einfach opfern konnte.
Ratlos saß Eliah auf seinem Sofa und starrte die Thermoskanne an, die vor ihm auf dem Tisch stand. Silbrig, modern glänzte sie vor sich hin. In ihrer einfachen zylindrischen Form fiel es ihr nicht schwer seine Blicke zu ignorieren. Entschlossen griff er nach ihr und schraubte den Deckel ab. Gespannt wartete er darauf, dass etwas geschah. Er erwartete alles mögliche von einem Blitzschlag, bis zu einem plötzlichen Herzanfall traute er dem Alten alles zu. Aber es geschah nichts. Auf alles gefasst wollte er ebenso leicht den Verschluss im Inneren aufschrauben, doch so sehr er sich auch mühte, zog und zerrte, die Thermoskanne ließ sich nicht öffnen.
„Vielleicht sollte ich auf den nächsten Vollmond warten.“ Ärgerlich wollte er schon das silbrige Ding in die nächste Ecke werfen, überlegte es sich aber dann doch anders und stellte sie stattdessen wieder auf dem Couchtisch ab.
Später versuchte er es noch einmal. Es war wie Magie. Das Mondlicht umfing Eliah silbrig, tauchte die Welt in Grau. Als ob der Verschluss durch einen Zauber gelöst worden wäre, ließ sich die Thermoskanne plötzlich ganz leicht öffnen. Eliahs Herz tat einen Sprung. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, wusste er nicht, ob er das Geheimnis dieses Gefäßes überhaupt erkunden durfte oder nicht. Vorsichtig spähte er hinein. Gleichzeitig kam er sich recht albern vor. Es war nur eine Thermoskanne. Was konnte schon gefährliches darin sein? Schließlich hatten sie ihm das Ding erst vor wenigen Tagen anvertraut. Er hob die Kanne näher vor seine Augen. Das Mondlicht war zu schwach, es erhellte den Raum nicht genug. Er schaltete die Lampe neben dem Sofa ein. Für einen Moment musste er blinzeln, aber dann konnte er erkennen, dass ein Stück Papier darin lag. Eliah stutzte. Er sollte ein Blatt mit sich herum tragen? Neugierig geworden schob er zwei Finger in die Kanne und irgendwie gelang es ihm, trotz der schmalen Öffnung, die Papierrolle herauszuholen. Sie fühlte sich alt und trocken an. Beinahe wie ein Stück Stoff. Pergamentartig und staubig. Vorsichtig rollte er das Pergament auf. Im Licht des abnehmenden Mondes zeigten sich ihm seltsame Schriftzeichen. Es musste sich um eine Sprache handeln, aber er verstand sie nicht. Die Symbole wirkten alt, geheimnisvoll und – ihm viel kein anderes Wort ein – magisch. Er konnte sich keinen Reim darauf machen und während er vorsichtig das Pergament wieder zusammenrollte und in die Thermoskanne schob, überlegte er, ob er Maxwell danach fragen sollte. Sollte es ihm aber nicht erlaubt gewesen sein, die Kanne zu öffnen, würde sein Vorgesetzter nicht erfreut sein. Eliah beschloss den richtigen Moment abzuwarten. Entweder würde er sich eines Tages ergeben oder nicht. Oder ich werde vorher deswegen umgebracht.
1. Kapitel - Zuvor
Eliah betrat das Arbeitszimmer seines neuen Vorgesetzen um Viertel nach drei. Nervös ließ er sich auf den ihm zugewiesenen Stuhl sinken. Der alte Herr, der ihm als Maxwell vorgestellt worden war, würdigte ihn eines kurzen Blickes, dann wandte er sich wieder den Papieren auf dem Schreibtisch zwischen ihnen zu.
„Der genaue Zeitpunkt, wann Ihr Arbeitsvertrag beginnt, wäre natürlich noch zu terminieren.“ Eliah musste schlucken. Er hatte heute morgen bereits mehrere Tassen Kaffee getrunken, dennoch fühlte er sich nicht im Stande solch langen Sätzen geistig zu folgen. Aber er nickte brav und hoffte, dass das von ihm erwartet wurde. Schwungvoll kritzelte sein Gegenüber eine Notiz. Mit einer Feder. Das erschien Eliah seltsam. So wie der Raum, der nur von Kerzen erhellt, das Pergament, auf dem geschrieben wurde und erst recht der weißhaarige, runzelige Mann ihm gegenüber, der offensichtlich versuchte mit Methusalem zu konkurrieren. Eliah blinzelte. Er musste sich konzentrieren, gleich würde er seinen Arbeitsvertrag unterschreiben.
„Der Vertrag gilt ab morgen. Ist Ihnen das recht?“ Eliah nickte. Akribisch genau, las er seinen Vertrag durch. Das Gefühl von Endgültigkeit lag in der stickigen Luft und doch wusste er, dass er unterschreiben würde, kaum, dass er das Wort „Arbeitsvertrag“ gelesen hatte.
Eliah setzte seine Unterschrift unter das Dokument. Die Spannung der letzten Tage fiel von ihm ab. Wie im Nebel hatte er die seltsamen Einstellungstests absolviert. Als er das Zimmer verließ war es immer noch Viertel nach drei.
Maxwell sah ihn ernst an.
„Eliah, warum gehen die wichtigsten Schätze immer verloren? Bücher, Juwelen, Reliquien, alles Mögliche verschwindet im Strudel der Zeit, in den Nebeln der Jahrhunderte. Sollte man nicht besser auf solche Dinge aufpassen? Ihnen einen Wächter zur Seite stellen? Die Antwortet darauf lautet natürlich: Ja.“
Gestern hatte er seinen Arbeitsvertrag unterschrieben, heute saß er vor einer silbernen Thermoskanne, die aussah, wie alle anderen auch. Zuerst dachte er, Maxwell würde sich einen heißen Tee einschenken und fragte sich, warum er sich keinen von seiner Assistentin bringen ließ. Aber als diese den beiden Kaffee eingoß, wurde alles noch undurchsichtiger.
„Du darfst sie nicht aus den Augen lassen.“ Maxwell durchbohrte ihn mit seinen unergründlichen Augen. Sie zeigten keine Spur des Alters. Eliah wurde nervös.
„Du musst ihre Spur verwischen. Immer in Bewegung bleiben.“ Gerade wollte Eliah fragen, warum er die Thermoskanne nicht einfach in seine Küche stellen konnte, als sich diese Frage durch Maxwells strengen Blick erübrigt hatte.
„Wieso zerstören wir nicht einfach …“, er überlegte, wusste nicht was darin war, „… ihren Inhalt?“ Maxwell schüttelte in einer fließenden Bewegung den Kopf. Mehr sagte er nicht und mehr traute sich Eliah nicht zu fragen.
„Etwas, das stillsteht kann gefunden werden. Etwas, das sich bewegt weitaus schwerer.“ Ob diese Weisheit vielleicht aus einem Glückskeks stammte? Eliah ließ dies Frage lieber unausgesprochen.
„Und ich soll jetzt …“, er warf einen kritischen Blick auf das silbrige Gefäß, über dessen Wichtigkeit er sich nicht im Klaren war. „… mit diesem Ding durch die Gegend fahren?“ Er versuchte nicht allzu viel Unglauben in seine Stimme zu legen, aber er befürchtete, dass ihm das nicht ganz gelang. Maxwells Blick blieb ernst. Stumm nickte er.
Die Nacht war kalt. Eliah musste die Heizung seines Wagens voll aufdrehen. Doch es dauerte einige Minuten, bis er die warme Luft auf seinem Gesicht spüren konnte. Das kann ja heiter werden, dachte er, während er auch die Scheinwerfer einschaltete. Heute Nacht würde er seine reguläre Runde fahren und die üblichen Plätze kontrollieren, wie auch in den vergangenen Monaten. Während er an der letzten Ampel in der Stadt wartete, dass sie ihn weiterfahren ließ klopfte er ungeduldig auf sein Lenkrad. Er fühlte sich wohler, wenn er die Betonbauten hinter sich gelassen hatte. Wenn ihn nichts anderes umgab, als die Schwärze der Nacht und vielleicht ein paar Bäume.
Er seufzte. Es war seine Aufgabe und er musste sie erfüllen. Egal was geschah. Tief in diese Gedanken über seine Arbeit versunken erreichte er den ersten Parkplatz. Leer. Natürlich war er leer. Wenn Mitternacht vorbei war, trieb sich niemand mehr auf der Landstraße herum und schon gar nicht auf diesen asphaltierten Flächen, auf denen sich nichts befand.
Der Regen hatte ihn eingeholt. In wilden Bächen ergoß er sich über seine Windschutzscheibe und Eliah hatte die Befürchtung in seinem Auto ertrinken zu müssen, sollte sich irgendwo eine undichte Stelle befinden. Er spähte über den Parkplatz in die Nacht hinaus. Kalter, nasser Asphalt - sonst nichts. Am Rande seines Bickfeldes standen ein paar Bäume. Er konnte sich daran erinnern, dass er im Sommer gerne darunter gestanden hatte, um eine Pause zu machen. Sie hatten ihm kühlenden Schatten gespendet und er hatte den Menschen zugesehen, die ebenfalls eine Rast eingelegt hatten. Kinderlachen kam ihm in den Sinn und Frauen, die in stoffarmen Kleidern über den Asphalt stöckelten. Er konnte den Sommerwind riechen, der den Geruch von Gras mit sich brachte, Wärme und Benzin. Eliah musste blinzeln, musste sich auf seine Aufgabe konzentrieren. Er hatte nicht bemerkt, dass ein weiteres Auto auf den Parkplatz gefahren war. Es war an ihm vorbei gerollt und Eliah konnte die roten Rücklichter vor sich sehen. Kaum war es zum Stehen gekommen, flog auch schon die Tür des Fahrers auf und ein Mann stieg aus. Eliah wappnete sich innerlich. Es war noch nie vorgekommen, dass er jemandem begegnet war. Der Mann musste zuvor einen grauen Anzug getragen haben, denn seine Hose hatte diese Farbe. Kaum hatte er sein Auto verlassen, da war sein weißes Hemd auch schon von Regentropfen durchtränkt und klebte ihm am Oberkörper. Mit großen Schritten kam der Fremde auf ihn zu. Blitzartig schossen Gedanken durch Eliahs Kopf. Was konnte er tun? Den Zündschlüssel herumdrehen und einfach losfahren? In seiner Panik würde er wahrscheinlich gegen das andere Auto fahren. Aussteigen und weglaufen? Nein, weglaufen war keine Option. Reflexartig griff Eliah nach der Thermoskanne. Maxwell vertraute ihm, er durfte ihn nicht enttäuschen. Noch bevor er einen Plan schmieden konnte, hatte der Fremde ihn erreicht und riss die Fahrertür auf. Der Regen wurde zu ihm hineingeweht und befeuchtete sein Hosenbein.
„Was willst du?“ Er wollte noch so viel mehr wissen, aber ihm blieb keine Zeit, um danach zu fragen. Der Fremde antwortete nicht. Stattdessen schob er seinen Arm zu ihm hinein, packte ihn am Kragen und zerrte ihn zu sich hinaus in die kalte, feuchte Nacht. Eliah presste die Thermoskanne an seine Brust. Sie war das Einzige, an das er denken konnte. Der Regen durchnässte ihn schnell, floß ihm von der Stirn in die Augen und nahm ihm die Sicht. Der Fremde starrte ihn an und presste ihn gegen das Auto. Eliah konnte die noch warme Motorhaube in seinem Rücken spüren.
„Wo ist es?“ Die Worte rollten knarzend aus dem Mund des Fremden, als ob er selten sprach. Eliah presste die Thermoskanne weiter an seine Brust und versuchte sich mit Unwissenheit zu retten.
„Ich weiss nicht was sie meinen.“ Ohne Vorwarnung schlug ihm der Fremde die geballte Faust gegen den Unterkiefer. Eliahs Zähne klapperten aufeinander und er presste die Lippen zusammen. Er würde sich den Schmerz nicht anmerken lassen.
„Wo ist es?“, knarzte es noch einmal. Eliah schüttelte den Kopf. Der Faustschlag traf ihn unvorbereitet ins Gesicht. Seine Wahrnehmung schwankte. Plötzlich glaubte er das Schlagen von Türen zu hören und sich nähernde Schritte.
„Wo ist es?“ Das Knarzen war nun näher an seinem Ohr. Gefährlich nahe. Dann tauchten zwei weitere Gesichter in seinem Blickfeld auf.
„Er wird schon reden“, sagte einer beiden und hob die Faust. Ein stechender Schmerz explodierte in Eliahs Gesicht, dann umpfing ihn eine gnädige Ohnmacht.
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Wer nicht kann, was er will, muss das wollen, was er kann. Denn das zu wollen, was er nicht kann, wäre töricht. -Leonardo da Vinci-
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