Ihre traute Zweisamkeit wurde von einem plötzlichen Tumult gestört, der unter dem Fenster stattfand.
Dixon trat ans Fenster, schob es hoch und steckte den Kopf raus. Zwei seiner Männer hatten gerade einen einzelnen Indianer entwaffnet und hart auf den Boden gestoßen. Einer der beiden kniete auf dem Rücken des Roten und versuchte, dem sich heftig Sträubenden, die Handgelenke zu fesseln.
„Was ist los?“, knurrte Dixon ganz im Ton des Bandenbosses.
„Die Rothaut will zu deiner Frau, Dixon“, rief einer der beiden Kerle hoch. Er behauptet, er habe eine wichtige Botschaft für sie. Ein Apache, mit dem Namen Schwarzer Adler.“
„Dann können wir ihn ja von den Felsen fliegen lassen“, schlug sein Kumpan vor. Die beiden brachen in unflätiges Lachen aus. Endlich gelang es ihnen, den Apachen zu fesseln. Als die Stricke saßen, holte der immer noch auf dem Indianer sitzende Kerl aus und schmetterte seinem Gefangenen die Faust an die Schläfe, dass dieser benommen wurde. Dann stand er auf und klopfte sich so sorgfältig die Hosenbeine ab, als habe seine Kleidung etwas besonders Schmutziges berührt. „Was sollen wir mit ihm machen?“
Dixon zog sich aus dem Fenster zurück ins Zimmer und warf einen fragenden Blick über die Schulter zu Sina, in der eine schlimme Ahnung aufstieg. Gefolgt von Dixon und dem Welpen rannte sie so schnell es die steile Treppe zuließ, hinunter. Das Holz ächzte schwer. Sie eilte ins Freie auf Dixons Männer und den Apachen zu. Ihre Kopfschmerzen waren vergessen.
„Lasst mich mit ihm sprechen“, herrschte sie die Weißen an. Etwas unschlüssig blickten die beiden zu ihrem Boss. Er nickte ihnen knapp zu. „Bringt die Rothaut in den alten Schuppen. Dort werde ich mich ein wenig mit ihm unterhalten.“
Der sich heftig wehrende Apache wurde zu einem baufälligen Schuppen gezerrt. Die Augen der drei Menschen benötigten einen Augenblick, sich an das schummerige Licht, welches die verschmutzten und teilweise zerbrochenen Fensterscheiben durchließen, zu gewöhnen.
„Ihr könnt gehen“, gebot Dixon seinen Männern. „Sina, du bliebst.“
Verwundert schauten die beiden ihren Boss an, wagten aber keine Widerworte. Als sie außer Sichtweite waren, löste Dixon die Fesseln des Apachen. Die Stricke hatten sich so tief in seine Handgelenke gebissen, dass sie blutunterlaufene Striemen hinterließen. Einen Moment machte der Indianer die Miene, als wolle er sich wütend auf die beiden Weißen stürzen, besann sich dann aber.
„Wie hast du mich gefunden?“ fragte Sina.
Schwarzer Adler schnaubte verächtlich. „Selbst ein blindes Kind hätte die Spuren gesehen, die ihr hinterlassen habt.
„Jetzt sag schon, warum du gekommen bist“, forderte Dixon ihn ungeduldig auf. Sinas Herz begann zu rasen. Etwas sehr Schlimmes musste geschehen sein, sonst hätte der Krieger sich niemals allein in diese Gefahr begeben.
Viel Zeit blieb ihnen auch nicht mehr, wenn sie die Postkutsche, in der Katie sitzen sollte, überfallen wollten.
„Geht es Katie gut?“, fragte Sina nervös. Sie hatte sich immer köstlich über die offensichtliche Verehrung des Schwarzen Adlers für die Freundin amüsiert. Betroffen senkte der Apache nun den Kopf. Auch wenn seine Angebetete ihr Herz dem Feind geschenkt hatte und er beiden den schrecklichsten aller Tode gewünscht hatte, so erfüllte es ihn mit Trauer, dass zumindest teilweise sein Wunsch in Erfüllung gegangen war.
„Katie ist … von uns gegangen“, antwortete er mit schwerer Stimme. Erschrocken packte Sina ihn bei seinem ledernen Jagdhemd. Er ließ sie gewähren, obwohl es ein Affront gegen seine Ehre als Krieger war. Ein Mann hätte dafür sterben müssen.
„Was soll das bedeuten?“, stieß Sina heißer heraus. „Ist sie weggelaufen?“ Sie kannte die Antwort bereits, auch wenn sie sie leugnen wollte. Der Schwarze Adler schüttelte nur den Kopf. Ein trauriger Glanz lag in seinen mahagonibraunen Augen und nur sein Ehrenkodex hinderte ihn daran, Tränen zu vergießen. Er löste Sinas Finger, die sich wie Krallen in seine Schultern gebohrt hatten und hielt sie bei den Händen fest.
„Sie ist tot“, antwortete er leise. „Sie hat sich mit Kräutern vergiftet und ist in jenen tiefen Schlaf gefallen, aus dem Manitu uns nicht wieder erwachen lässt.“
Eine sehr blumige Umschreibung für den Freitod. Weinend brach Sina zu Füßen des Indianers zusammen.
Der Schwarze Adler zog etwas aus seiner Tasche.
Wie durch einen dichten Nebel drangen seine Worte an ihr Ohr. „Dies Papier hinterlässt sie dir.“
Sie verstand den Sinn seiner Worte kaum und reagierte nicht. Der Schmerz über Katies Verlust ließ sie förmlich erstarren. Dixon nahm den Brief und eine silberne Kette, an der ein Medaillon hing, an sich.
„Ich danke dem Schwarzen Adler“, sagte er förmlich. „Doch mein roter Bruder kehrt jetzt besser in die Jagdgründe seines Volkes zurück.“
Die dunklen Augen des Apachen fixierten ihn misstrauisch. Dixon blieb gelassen. Er wollte diese Rothaut so schnell wie möglich von seiner Farm haben.
„Der Schwarze Adler ist frei und mag gehen, wohin es ihm beliebt.“
Dixon öffnete die Tür des Schuppens und rief seinen Männern Befehle zu, dann kümmerte er sich um seine am Boden kauernde Frau. Sina schlang ihm die Arme um den Hals, presste das Gesicht an seine Schulter und schluchzte hemmungslos. Ihr war, als habe man ein Stück ihrer selbst aus dem Leib gerissen.
„Sag mir, dass es nicht wahr ist. Sag mir, dass das alles nur ein schrecklicher Alptraum ist.“ Ihre kleinen Fäuste trommelten auf Dixons breite Brust. Er schloss sie fest in die Arme, während seine Lippen ihr blondes Haar küssten. Seine letzte Begegnung mit Katie war alles andere als erfreulich. Durch dieses rothaarige Miststück hatte er fliehen müssen und mit den Lakota wichtige Verbündete verloren, doch ihren unerwarteten Tod erschreckte ihn aufrichtig. Allein schon wegen Sina.
„Sie sind schuld. Alle sind sie schuld“, stammelte Sina unter Tränen und Dixon musste nicht erst fragen, wer gemeint war.
„Ihr Vater. Der Häuptling. Sie alle sind schuld. Sie haben sie in den Tod getrieben.“ Die letzten Worte spie sie voller Gift aus. „Ich hasse sie alle!“
Sie löste sich aus Dixons Armen. Ihre Tränen waren versiegt und ihre Trauer einem Gefühl gewichen, dass noch stärker als Hass war. Selbst bei den Roten hatte Dixon noch nicht einen solchen Hass gesehen. Er war fast mit den Händen zu greifen.
„Ich will sie brennen sehen“, flüsterte Sina kalt. „Alle. Den ganzen Stamm. Sie sollen von der Erde gewischt werden.“ Sie erhob sich vom staubigen Boden und klopfte ihre Kleidung ab.
Ihr Blick erschreckte selbst den abgebrühten Dixon. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie. „Sina, bleib vernünftig. Noch mehr Blutvergießen können wir uns nicht leisten. Ihr Blick glich einer Wahnsinnigen. Sie schien den Verstand verloren zu haben. „Sie müssen sterben“, wiederholte sie mit monotoner Stimme und lachte auf, dass es Dixon kalt den Rücken hinablief.
„Lies zuerst den Brief“, beschwor sie und hielt ihr Brief und Medaillon hin. Sie schob beides und auch Dixon von sich. Ihr Lächeln glich einer geisterhaften Fratze. Dixon sah keine andere Möglichkeit mehr. Trotz seiner vielen Verbrechen, eine Frau hatte er nie zuvor geschlagen und er wollte es auch niemals wieder tun, doch dies war die Ausnahme. Er holte aus und seine flache Hand klatschte an Sinas Wange. Ihr Kopf ruckte scharf zurück und sie taumelte nach hinten. Dixon bekam sie gerade noch bei den Handgelenken zu fassen und verhinderte, dass sie zu Boden stürzte. Sie hob das Gesicht, strich sich das Haar aus dem Gesicht und schaute Dixon an. Auf ihrer linken Wange zeichnete sich deutlich flammend rot sein Handabdruck ab. Erleichtert stellte er fest, dass ihr Blick wieder klar war. Sie schien wieder bei ihm zu sein.
„Was ist geschehen?“, fragte sie erstaunt. „Ich hatte einen schlimmen Traum.“
Dixon zog sie eng in seine Arme und drückte sie fest an seine Schulter.
„Es war kein Traum, Liebes. Katie ist wirklich tot“, murmelte er.
Sina schob ihn von sich. Lautlos liefen ihr die Tränen über die Wangen. „Warum? Warum nur?“, stöhnte sie.
„Ich denke, die Antwort kennst du bereits“, antwortete Dixon und strich ihr liebevoll übers Haar. „Aber lies den Brief, den sie dir geschrieben hat.“ Er reichte ihr Brief und Medaillon.
Sina überflog die Zeilen, dann las sie ein zweites Mal und stieß einen hohen Schrei aus, bevor sie wieder in Dixons Arme sank. „Das ist zu viel. Ich kann das nicht ertragen. Nein!“ In ihren Schläfen pochte es schmerzhaft. Sie atmete hektisch. Katie war immer die Starke gewesen. Der Fels in der Brandung. Die große Schwester, die sie beschützte. Sie lächelte unter Tränen, als sie an ihre erste Begegnung dachte. Katie hatte sie, das kleine einsame Mädchen am Hafen aufgelesen und sich immer rührend um sie gekümmert. Jetzt, da alles vorbei war, erfuhr Sina die Wahrheit. Stets hatte sie gespürt, dass da noch mehr war. Mehr als nur Freundschaft, doch hatte sie nicht gewusst, wie sie es benennen sollte.
„Ihr habt die gleichen Augen“, hatte Yuma einmal bemerkt und eine wissende Miene aufgesetzt. Sina hatte nur gegrinst. Die Indianer bezeichneten enge Freunde stets als Brüder beziehungsweise auch als Schwestern. Bei den Weißen war man da wesentlich zurückhaltender.
„Wusstest du, dass sie meine Schwester war?“, fragte Sina und wischte sich die letzten Tränen von den Wangen. Ihr Gesichtsausdruck war von tiefer Trauer, doch wirkte sie jetzt gefasst und ruhiger. Doch jetzt musste die Trauer um ihre Schwester warten.
„Ich habe so etwas bereits geahnt“, gab Dixon zu. „Ihr beide saht euch so ähnlich.“
Über Sinas Gesicht glitt ein trauriges Lächeln. Eine schwere Aufgabe stand ihr noch bevor. „Sakima muss es erfahren. Vielleicht möchte er auch, dass sie in seiner Nähe bestattet wird.“ Wieder schnürten aufsteigende Tränen ihre Kehle zu. Wütend trat sie gegen einen alten Stuhl, dessen Sitz in der Mitte zersplittert war. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“, schrie sie ihren Schmerz hinaus.
Als Sakima von Katies Tod erfuhr, gab er einen lauten Schrei von sich, der weit über das Lager der Lakota hallte. Erschrocken stoben drei Raben, die es sich auf den Zeltstangen bequem gemacht hatte, auf. Der Häuptling rammte einen Speer so tief in den Boden, dass die Spitze nicht mehr zu sehen war. Er war auf gnadenlose Rache aus.
„Sakima, mach jetzt bitte keine Dummheiten“, warnte Sina ihn. „Das hätte Katie nicht gewollt.“
Der Indianer fuhr so heftig herum, dass Sina erschrocken zurück wich. „Es spielt keine Rolle mehr, was sie gewünscht hätte“, wies er Sina scharf zurecht. „Ihr Vater und diese verwünschten Hunde der Apachen sind schuld an ihrem Tod und dafür werden sie bezahlen.“
Er war erschreckend ruhig und besonnen, für jemanden, der gerade vom Tod der geliebten Frau erfahren hatte. Sina stellte sich ihm in den Weg. „Sakima, bitte hör mir zu. Auch ich betrauere ihren Tod. Schließlich war Katie meine Schwester. Aber sich jetzt an den Apachen zu rächen, ist einfach der falsche Weg.“
„Ihre Krieger werden am Marterpfahl sterben“, schwor Sakima.
„Auch wir möchten mit unserem Häuptling reiten und den Tod unserer weißen Schwester rächen“, mischte sich Narbengesicht ein und Sina schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Ausgerechnet Narbengesicht, Sakima hörte auf seinen Rat.
„Sakima, nein“, versuchte Sina noch einmal den Häuptling von seinem Tun abzuhalten. „Katie hat den Freitod gewählt, weil sie alle Hoffnungen verloren glaubte. Niemand hat Schuld an ihrem Tod. Sie hat sich mit Kräutern vergiftet. Du kannst sie nicht rächen“
„Die Apachen sind schuld“, beharrte Sakima und erntete ein zustimmendes Geheul von seinen Kriegern. Sein Blick streifte Dixon. „Du hast mich von den Fesseln losgeschnitten und mit falschen Versprechungen daran gehindert, sie zu befreien. Auch an deinen Händen klebt ihr Blut.“ Er wandte sich an seine Krieger. „Bindet das männliche Bleichgesicht. Er wird neben den Apachen am Pfahl sterben.“
Sakima wollte davon gehen, doch Sina packte ihn am Arm. „Lass ihn gehen“, bat sie. Die Lakota hatten Dixon schon zu Boden gezwungen und schlangen Stricke um seine Handgelenke. Der Häuptling blieb stehen. Dieses Mädchen strapazierte seine Geduld schon arg. Er durfte nicht zulassen, dass sie seine Autorität noch mehr in Frage stellte.
„Nimm deine Hände weg und geselle dich zu den Frauen“, knurrte er mit kalt beherrschtem Zorn. „Dies ist Sache der Männer.“
„Antonio ist mein Mann“, zischte Sina zurück. „Und wenn du ihm etwas antust, dann vergesse ich, dass Katie dich geliebt hat. Krieg gegen die Apachen zu führen ist keine Lösung. Du siehst, wohin das geführt hat. Katie hätte dich dafür verachtet.“
Die letzten Worte wirkten auf Sakima wie ein unerwarteter Peitschenschlag, doch war er noch nicht bereit, nachzugeben.
„Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor, Weib“, antwortete er und gab seinen Kriegern ein Zeichen, Dixon loszulassen. „Katie hat dich sehr geliebt, deswegen verzeihe ich dir deine Worte.“
Sina erkannte, dass Sakima augenblicklich nicht für vernünftige Worte zugänglich war. Bis zu den Apachen war es fast ein Tagesritt. Vielleicht hatte sein Gemüt sich bis dahin ein wenig abgekühlt. Fügsam senkte sie das Haupt. „Verzeih mir, Häuptling“, lenkte sie scheinbar zerknirscht ein, aber in ihren Augen funkelte der Trotz. „Der tiefe Schmerz über den Verlust meiner Schwester ließ mich den nötigen Respekt vergessen. Ich bitte dich, mit zu den Apachen zu reiten zu dürfen.“
Ihre aufrichtigen Worte fielen auf fruchtbaren Boden. Sakimas strenger Gesichtsausdruck wurde milder. „Die Bitte sei dir gewährt.“
Sina entfuhr ein erleichtertes Aufatmen. Hoffentlich kann ich dich von deiner Dummheit abhalten, dachte sie bei sich.
Dixon trat ans Fenster, schob es hoch und steckte den Kopf raus. Zwei seiner Männer hatten gerade einen einzelnen Indianer entwaffnet und hart auf den Boden gestoßen. Einer der beiden kniete auf dem Rücken des Roten und versuchte, dem sich heftig Sträubenden, die Handgelenke zu fesseln.
„Was ist los?“, knurrte Dixon ganz im Ton des Bandenbosses.
„Die Rothaut will zu deiner Frau, Dixon“, rief einer der beiden Kerle hoch. Er behauptet, er habe eine wichtige Botschaft für sie. Ein Apache, mit dem Namen Schwarzer Adler.“
„Dann können wir ihn ja von den Felsen fliegen lassen“, schlug sein Kumpan vor. Die beiden brachen in unflätiges Lachen aus. Endlich gelang es ihnen, den Apachen zu fesseln. Als die Stricke saßen, holte der immer noch auf dem Indianer sitzende Kerl aus und schmetterte seinem Gefangenen die Faust an die Schläfe, dass dieser benommen wurde. Dann stand er auf und klopfte sich so sorgfältig die Hosenbeine ab, als habe seine Kleidung etwas besonders Schmutziges berührt. „Was sollen wir mit ihm machen?“
Dixon zog sich aus dem Fenster zurück ins Zimmer und warf einen fragenden Blick über die Schulter zu Sina, in der eine schlimme Ahnung aufstieg. Gefolgt von Dixon und dem Welpen rannte sie so schnell es die steile Treppe zuließ, hinunter. Das Holz ächzte schwer. Sie eilte ins Freie auf Dixons Männer und den Apachen zu. Ihre Kopfschmerzen waren vergessen.
„Lasst mich mit ihm sprechen“, herrschte sie die Weißen an. Etwas unschlüssig blickten die beiden zu ihrem Boss. Er nickte ihnen knapp zu. „Bringt die Rothaut in den alten Schuppen. Dort werde ich mich ein wenig mit ihm unterhalten.“
Der sich heftig wehrende Apache wurde zu einem baufälligen Schuppen gezerrt. Die Augen der drei Menschen benötigten einen Augenblick, sich an das schummerige Licht, welches die verschmutzten und teilweise zerbrochenen Fensterscheiben durchließen, zu gewöhnen.
„Ihr könnt gehen“, gebot Dixon seinen Männern. „Sina, du bliebst.“
Verwundert schauten die beiden ihren Boss an, wagten aber keine Widerworte. Als sie außer Sichtweite waren, löste Dixon die Fesseln des Apachen. Die Stricke hatten sich so tief in seine Handgelenke gebissen, dass sie blutunterlaufene Striemen hinterließen. Einen Moment machte der Indianer die Miene, als wolle er sich wütend auf die beiden Weißen stürzen, besann sich dann aber.
„Wie hast du mich gefunden?“ fragte Sina.
Schwarzer Adler schnaubte verächtlich. „Selbst ein blindes Kind hätte die Spuren gesehen, die ihr hinterlassen habt.
„Jetzt sag schon, warum du gekommen bist“, forderte Dixon ihn ungeduldig auf. Sinas Herz begann zu rasen. Etwas sehr Schlimmes musste geschehen sein, sonst hätte der Krieger sich niemals allein in diese Gefahr begeben.
Viel Zeit blieb ihnen auch nicht mehr, wenn sie die Postkutsche, in der Katie sitzen sollte, überfallen wollten.
„Geht es Katie gut?“, fragte Sina nervös. Sie hatte sich immer köstlich über die offensichtliche Verehrung des Schwarzen Adlers für die Freundin amüsiert. Betroffen senkte der Apache nun den Kopf. Auch wenn seine Angebetete ihr Herz dem Feind geschenkt hatte und er beiden den schrecklichsten aller Tode gewünscht hatte, so erfüllte es ihn mit Trauer, dass zumindest teilweise sein Wunsch in Erfüllung gegangen war.
„Katie ist … von uns gegangen“, antwortete er mit schwerer Stimme. Erschrocken packte Sina ihn bei seinem ledernen Jagdhemd. Er ließ sie gewähren, obwohl es ein Affront gegen seine Ehre als Krieger war. Ein Mann hätte dafür sterben müssen.
„Was soll das bedeuten?“, stieß Sina heißer heraus. „Ist sie weggelaufen?“ Sie kannte die Antwort bereits, auch wenn sie sie leugnen wollte. Der Schwarze Adler schüttelte nur den Kopf. Ein trauriger Glanz lag in seinen mahagonibraunen Augen und nur sein Ehrenkodex hinderte ihn daran, Tränen zu vergießen. Er löste Sinas Finger, die sich wie Krallen in seine Schultern gebohrt hatten und hielt sie bei den Händen fest.
„Sie ist tot“, antwortete er leise. „Sie hat sich mit Kräutern vergiftet und ist in jenen tiefen Schlaf gefallen, aus dem Manitu uns nicht wieder erwachen lässt.“
Eine sehr blumige Umschreibung für den Freitod. Weinend brach Sina zu Füßen des Indianers zusammen.
Der Schwarze Adler zog etwas aus seiner Tasche.
Wie durch einen dichten Nebel drangen seine Worte an ihr Ohr. „Dies Papier hinterlässt sie dir.“
Sie verstand den Sinn seiner Worte kaum und reagierte nicht. Der Schmerz über Katies Verlust ließ sie förmlich erstarren. Dixon nahm den Brief und eine silberne Kette, an der ein Medaillon hing, an sich.
„Ich danke dem Schwarzen Adler“, sagte er förmlich. „Doch mein roter Bruder kehrt jetzt besser in die Jagdgründe seines Volkes zurück.“
Die dunklen Augen des Apachen fixierten ihn misstrauisch. Dixon blieb gelassen. Er wollte diese Rothaut so schnell wie möglich von seiner Farm haben.
„Der Schwarze Adler ist frei und mag gehen, wohin es ihm beliebt.“
Dixon öffnete die Tür des Schuppens und rief seinen Männern Befehle zu, dann kümmerte er sich um seine am Boden kauernde Frau. Sina schlang ihm die Arme um den Hals, presste das Gesicht an seine Schulter und schluchzte hemmungslos. Ihr war, als habe man ein Stück ihrer selbst aus dem Leib gerissen.
„Sag mir, dass es nicht wahr ist. Sag mir, dass das alles nur ein schrecklicher Alptraum ist.“ Ihre kleinen Fäuste trommelten auf Dixons breite Brust. Er schloss sie fest in die Arme, während seine Lippen ihr blondes Haar küssten. Seine letzte Begegnung mit Katie war alles andere als erfreulich. Durch dieses rothaarige Miststück hatte er fliehen müssen und mit den Lakota wichtige Verbündete verloren, doch ihren unerwarteten Tod erschreckte ihn aufrichtig. Allein schon wegen Sina.
„Sie sind schuld. Alle sind sie schuld“, stammelte Sina unter Tränen und Dixon musste nicht erst fragen, wer gemeint war.
„Ihr Vater. Der Häuptling. Sie alle sind schuld. Sie haben sie in den Tod getrieben.“ Die letzten Worte spie sie voller Gift aus. „Ich hasse sie alle!“
Sie löste sich aus Dixons Armen. Ihre Tränen waren versiegt und ihre Trauer einem Gefühl gewichen, dass noch stärker als Hass war. Selbst bei den Roten hatte Dixon noch nicht einen solchen Hass gesehen. Er war fast mit den Händen zu greifen.
„Ich will sie brennen sehen“, flüsterte Sina kalt. „Alle. Den ganzen Stamm. Sie sollen von der Erde gewischt werden.“ Sie erhob sich vom staubigen Boden und klopfte ihre Kleidung ab.
Ihr Blick erschreckte selbst den abgebrühten Dixon. Er packte sie bei den Schultern und schüttelte sie. „Sina, bleib vernünftig. Noch mehr Blutvergießen können wir uns nicht leisten. Ihr Blick glich einer Wahnsinnigen. Sie schien den Verstand verloren zu haben. „Sie müssen sterben“, wiederholte sie mit monotoner Stimme und lachte auf, dass es Dixon kalt den Rücken hinablief.
„Lies zuerst den Brief“, beschwor sie und hielt ihr Brief und Medaillon hin. Sie schob beides und auch Dixon von sich. Ihr Lächeln glich einer geisterhaften Fratze. Dixon sah keine andere Möglichkeit mehr. Trotz seiner vielen Verbrechen, eine Frau hatte er nie zuvor geschlagen und er wollte es auch niemals wieder tun, doch dies war die Ausnahme. Er holte aus und seine flache Hand klatschte an Sinas Wange. Ihr Kopf ruckte scharf zurück und sie taumelte nach hinten. Dixon bekam sie gerade noch bei den Handgelenken zu fassen und verhinderte, dass sie zu Boden stürzte. Sie hob das Gesicht, strich sich das Haar aus dem Gesicht und schaute Dixon an. Auf ihrer linken Wange zeichnete sich deutlich flammend rot sein Handabdruck ab. Erleichtert stellte er fest, dass ihr Blick wieder klar war. Sie schien wieder bei ihm zu sein.
„Was ist geschehen?“, fragte sie erstaunt. „Ich hatte einen schlimmen Traum.“
Dixon zog sie eng in seine Arme und drückte sie fest an seine Schulter.
„Es war kein Traum, Liebes. Katie ist wirklich tot“, murmelte er.
Sina schob ihn von sich. Lautlos liefen ihr die Tränen über die Wangen. „Warum? Warum nur?“, stöhnte sie.
„Ich denke, die Antwort kennst du bereits“, antwortete Dixon und strich ihr liebevoll übers Haar. „Aber lies den Brief, den sie dir geschrieben hat.“ Er reichte ihr Brief und Medaillon.
Sina überflog die Zeilen, dann las sie ein zweites Mal und stieß einen hohen Schrei aus, bevor sie wieder in Dixons Arme sank. „Das ist zu viel. Ich kann das nicht ertragen. Nein!“ In ihren Schläfen pochte es schmerzhaft. Sie atmete hektisch. Katie war immer die Starke gewesen. Der Fels in der Brandung. Die große Schwester, die sie beschützte. Sie lächelte unter Tränen, als sie an ihre erste Begegnung dachte. Katie hatte sie, das kleine einsame Mädchen am Hafen aufgelesen und sich immer rührend um sie gekümmert. Jetzt, da alles vorbei war, erfuhr Sina die Wahrheit. Stets hatte sie gespürt, dass da noch mehr war. Mehr als nur Freundschaft, doch hatte sie nicht gewusst, wie sie es benennen sollte.
„Ihr habt die gleichen Augen“, hatte Yuma einmal bemerkt und eine wissende Miene aufgesetzt. Sina hatte nur gegrinst. Die Indianer bezeichneten enge Freunde stets als Brüder beziehungsweise auch als Schwestern. Bei den Weißen war man da wesentlich zurückhaltender.
„Wusstest du, dass sie meine Schwester war?“, fragte Sina und wischte sich die letzten Tränen von den Wangen. Ihr Gesichtsausdruck war von tiefer Trauer, doch wirkte sie jetzt gefasst und ruhiger. Doch jetzt musste die Trauer um ihre Schwester warten.
„Ich habe so etwas bereits geahnt“, gab Dixon zu. „Ihr beide saht euch so ähnlich.“
Über Sinas Gesicht glitt ein trauriges Lächeln. Eine schwere Aufgabe stand ihr noch bevor. „Sakima muss es erfahren. Vielleicht möchte er auch, dass sie in seiner Nähe bestattet wird.“ Wieder schnürten aufsteigende Tränen ihre Kehle zu. Wütend trat sie gegen einen alten Stuhl, dessen Sitz in der Mitte zersplittert war. „Verdammt! Verdammt! Verdammt!“, schrie sie ihren Schmerz hinaus.
Als Sakima von Katies Tod erfuhr, gab er einen lauten Schrei von sich, der weit über das Lager der Lakota hallte. Erschrocken stoben drei Raben, die es sich auf den Zeltstangen bequem gemacht hatte, auf. Der Häuptling rammte einen Speer so tief in den Boden, dass die Spitze nicht mehr zu sehen war. Er war auf gnadenlose Rache aus.
„Sakima, mach jetzt bitte keine Dummheiten“, warnte Sina ihn. „Das hätte Katie nicht gewollt.“
Der Indianer fuhr so heftig herum, dass Sina erschrocken zurück wich. „Es spielt keine Rolle mehr, was sie gewünscht hätte“, wies er Sina scharf zurecht. „Ihr Vater und diese verwünschten Hunde der Apachen sind schuld an ihrem Tod und dafür werden sie bezahlen.“
Er war erschreckend ruhig und besonnen, für jemanden, der gerade vom Tod der geliebten Frau erfahren hatte. Sina stellte sich ihm in den Weg. „Sakima, bitte hör mir zu. Auch ich betrauere ihren Tod. Schließlich war Katie meine Schwester. Aber sich jetzt an den Apachen zu rächen, ist einfach der falsche Weg.“
„Ihre Krieger werden am Marterpfahl sterben“, schwor Sakima.
„Auch wir möchten mit unserem Häuptling reiten und den Tod unserer weißen Schwester rächen“, mischte sich Narbengesicht ein und Sina schlug die Hände über dem Kopf zusammen. Ausgerechnet Narbengesicht, Sakima hörte auf seinen Rat.
„Sakima, nein“, versuchte Sina noch einmal den Häuptling von seinem Tun abzuhalten. „Katie hat den Freitod gewählt, weil sie alle Hoffnungen verloren glaubte. Niemand hat Schuld an ihrem Tod. Sie hat sich mit Kräutern vergiftet. Du kannst sie nicht rächen“
„Die Apachen sind schuld“, beharrte Sakima und erntete ein zustimmendes Geheul von seinen Kriegern. Sein Blick streifte Dixon. „Du hast mich von den Fesseln losgeschnitten und mit falschen Versprechungen daran gehindert, sie zu befreien. Auch an deinen Händen klebt ihr Blut.“ Er wandte sich an seine Krieger. „Bindet das männliche Bleichgesicht. Er wird neben den Apachen am Pfahl sterben.“
Sakima wollte davon gehen, doch Sina packte ihn am Arm. „Lass ihn gehen“, bat sie. Die Lakota hatten Dixon schon zu Boden gezwungen und schlangen Stricke um seine Handgelenke. Der Häuptling blieb stehen. Dieses Mädchen strapazierte seine Geduld schon arg. Er durfte nicht zulassen, dass sie seine Autorität noch mehr in Frage stellte.
„Nimm deine Hände weg und geselle dich zu den Frauen“, knurrte er mit kalt beherrschtem Zorn. „Dies ist Sache der Männer.“
„Antonio ist mein Mann“, zischte Sina zurück. „Und wenn du ihm etwas antust, dann vergesse ich, dass Katie dich geliebt hat. Krieg gegen die Apachen zu führen ist keine Lösung. Du siehst, wohin das geführt hat. Katie hätte dich dafür verachtet.“
Die letzten Worte wirkten auf Sakima wie ein unerwarteter Peitschenschlag, doch war er noch nicht bereit, nachzugeben.
„Wer den Frieden will, bereite den Krieg vor, Weib“, antwortete er und gab seinen Kriegern ein Zeichen, Dixon loszulassen. „Katie hat dich sehr geliebt, deswegen verzeihe ich dir deine Worte.“
Sina erkannte, dass Sakima augenblicklich nicht für vernünftige Worte zugänglich war. Bis zu den Apachen war es fast ein Tagesritt. Vielleicht hatte sein Gemüt sich bis dahin ein wenig abgekühlt. Fügsam senkte sie das Haupt. „Verzeih mir, Häuptling“, lenkte sie scheinbar zerknirscht ein, aber in ihren Augen funkelte der Trotz. „Der tiefe Schmerz über den Verlust meiner Schwester ließ mich den nötigen Respekt vergessen. Ich bitte dich, mit zu den Apachen zu reiten zu dürfen.“
Ihre aufrichtigen Worte fielen auf fruchtbaren Boden. Sakimas strenger Gesichtsausdruck wurde milder. „Die Bitte sei dir gewährt.“
Sina entfuhr ein erleichtertes Aufatmen. Hoffentlich kann ich dich von deiner Dummheit abhalten, dachte sie bei sich.